element-i Kinderhaus Junges Gemüse sammelt für Erdbebenopfer

Das Team und die Kinder des element-i Kinderhauses Junges Gemüse organisieren für den 20. Februar einen Verkauf von frischen Waffeln und Nudeln. Mit dem gesammelten Geld möchten sie die Erdbebenopfer in der Türkei und in Syrien unterstützen.

„Die Idee kam nicht nur von den Kolleginnen und Kollegen, sondern auch von den Kindern, als wir in der Gruppe über das Thema Gemeinschaft gesprochen haben“, erklärt Fabrizio Russo, Teamleiter im Kinderhaus Junges Gemüse. „Uns ist es wichtig, dass die Kinder sich Gedanken darüber machen, wie sie die Welt zu einem besseren Ort machen können. Da gehört es auch dazu, Menschen, die in Not geraten sind, zu helfen. Daher freut uns ihr Engagement ganz besonders.“

Wo:

Auf dem Hof der Kita Junges Gemüse, Meluner Straße 41, 70569 Stuttgart

Wann:

Montag, 20. Februar 2023, 16 bis 18 Uhr

Kosten:

Spendenbasis ab 2 Euro

element-i auf der didacta 2023

Die Bildungsmesse didacta ist ein wichtiger Branchentreffpunkt für das gesamte Bildungswesen – von der frühkindlichen Bildung, über die schulische Bildung bis hin zum lebenslangen Lernen. Nach pandemie-bedingtem Ausfall sind wir in diesem Jahr zurück, um die element-i Pädagogik und das Trägernetzwerk als attraktiven Arbeitgeber zu präsentieren.

Wir sind in Halle 9 mit einem Stand vertreten (9A11). Damit Interessierte möglichst viel über uns erfahren, bieten wir dreimal täglich 30-Minuten-Mitmachworkshops an. Unter dem Motto „Impulse zum Erleben (und Mitnehmen)“ starten diese um 10.30 Uhr, um 13 Uhr und um 15 Uhr. Außerdem engagieren wir uns im Forum Frühe Bildung (Halle 9, 9B70) mit einem spannenden und vielseitigen Vortragsprogramm:

Di 07.03.2023, 11:00 – 11:30 Uhr

Christina Henning: Aufwachsen mit verschiedenen Sprachen – Native Speaker in der Kita

Mi 08.03.2023, 11:00 – 11:30 Uhr

Lina Stärz: Räume als Bildungsgestalter – Funktionsräume bei element-i

Do 09.03.2023, 11:00 – 11:30 Uhr

Jacob Hesselschwerdt: Mehr als nur eine Mahlzeit – Ernährung in Kinderhäusern

Fr 10.03.2023, 11:00 – 11:30 Uhr

Carola Kammerlander: Wer, wie, was – ich entscheide selbst – Arbeiten in dynamischen Kleingruppen

Sa 11.03.2023, 11:00 – 11:30 Uhr

Lisa Baganz: Kulturelle Vielfalt in Kitas – Interkulturelle Öffnung als aktiver Prozess der Personalentwicklung

Sa 11.03.2023, 12:00 – 12:30 Uhr

Carola Kammerlander: Der Weg zum Ziel – Leitlinien pädagogischen Handelns in der element-i-Pädagogik

 

Bild: Landesmesse Stuttgart GmbH

element-i Kinderhaus Wunderkiste – Baustellenbegehung in Eislingen a.F.

In den vergangenen Monaten wurde in der Weberstraße 1 in Eislingen fleißig gewerkelt und gebaut. Der Bau des Gebäudes für das neue element-i Kinderhaus Wunderkiste sowie die sieben angeschlossenen Wohneinheiten ist gut vorangekommen. Deshalb haben Waltraud und Clemens M. Weegmann am 9. Februar Eislingens Oberbürgermeister Klaus Heininger und weitere Interessenten eingeladen, um sich vor Ort vom Baufortschritt zu überzeugen.

„Wir freuen uns über die sehr gute Zusammenarbeit mit Konzept-e während der Bauphase, aber auch nach der Eröffnung“, so Oberbürgermeister Heininger. Die Wunderkiste wird im Anschluss an den Bau durch Konzept-e betrieben. In vier Gruppen können bis zu 65 Kinder betreut werden. Im U3-Bereich wird es zehn Ganztagesplätze und zehn Plätze mit verlängerten Öffnungszeiten geben. Für Kinder, die älter als drei Jahre sind, sind 20 Ganztagesplätze sowie 25 Plätze mit verlängerten Öffnungszeiten vorgesehen. „Das entspannt die Situation notwendiger Krippen- und Kita-Plätze in Eislingen ungemein.“

Das Kinderhaus eröffnet voraussichtlich im Oktober 2023, die Wohneinheiten sind derzeit noch nicht vermietet. Anmeldungen für die Kita sind ab sofort über die Stadt Eislingen möglich.

 

 

 

 

Kann-Kinder: Ist mein Kind bereit für die Einschulung?

Dieses Jahr schon in die Schule? Oder doch erst im nächsten? Diese Fragen stellen sich vor allem Eltern sogenannter Kann-Kinder. Kann-Kinder sind solche, deren sechster Geburtstag innerhalb einer bestimmten Frist nach dem gesetzlich festgelegten Stichtag für einschulungspflichtige Kinder liegt. Das heißt: Eltern von Kann-Kindern können ihre Kinder bereits als Fünfjährige in die Schule schicken. Bevor Eltern eine Entscheidung treffen, sollten sie sich Rat holen – und wissen, dass nicht nur intellektuelle Fähigkeiten für einen erfolgreichen Schulbesuch wichtig sind.

In den meisten Bundesländern gilt: Wer bis zum 30. Juni eines Jahres sechs Jahre alt wird, geht nach den Sommerferien in die Schule – klarer Fall, oder? Im Prinzip schon, wenn es da nicht die Kann-Kinder-Regelung gäbe. Beispiel Baden-Württemberg: Im hiesigen Schulgesetz heißt es in § 73 in Bezug auf die Schulpflicht: „Mit dem Beginn des Schuljahres sind alle Kinder, die bis 30. Juni des laufenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben, verpflichtet, die Grundschule zu besuchen. Dasselbe gilt für die Kinder, die bis zum 30. Juni des folgenden Kalenderjahres das sechste Lebensjahr vollendet haben und von den Erziehungsberechtigten in der Grundschule angemeldet wurden.“ Letztgenannte Kinder werden vielfach als Kann-Kinder bezeichnet. Denn sie dürfen theoretisch in die Schule gehen, müssen es aber nicht.

Die Regelungen, die die Bundesländer getroffen haben, weichen etwas voneinander ab und sind im jeweiligen Schulgesetz geregelt. Die Kultusministerkonferenz stellt auf ihrer Website eine Übersicht über die Schulgesetze der Länder zur Verfügung.

Ab in die Schule?

Die Kann-Kinder-Regelung bedeutet: Auch sehr viele Fünfjährige könnten in die Schule gehen – wenn ihre Eltern sie dort anmelden. Besonders Eltern, deren Kinder nur wenige Wochen oder Monate nach dem Stichtag sechs Jahre alt werden, überlegen natürlich, ob es für ihren Sohn oder ihre Tochter sinnvoll wäre, bereits früher in die erste Klasse zu gehen. „Tut ein ganzes weiteres Jahr in der Kita meinem Kind gut?“, fragen sie sich oft. „Ist es dort nicht unterfordert?“ Denn manche Kinder in diesem Alter können bereits Buchstaben schreiben, beschäftigen sich mit dem Lesenlernen und zeigen mathematische Fähigkeiten. Also, ab in die Schule?

Nur intellektuelle Entwicklung betrachtet

Auf der Website Hallo:Eltern berichtet Saskia Wöhler von den Erfahrungen mit ihrem Sohn, einem Kann-Kind. Sie schreibt: „Er war sprachlich weit entwickelt, erzählte Geschichten mit Spannungsbögen, war aufgeweckt und neugierig.“ Da auch die Mutter selbst früh eingeschult wurde und das nie als Nachteil empfunden hatte, entschieden sie und ihr Mann sich auch bei ihrem Sohn für einen vorzeitigen Schuleintritt. Die Erzieher*innen in der Kita rieten ebenfalls dazu. Doch später bereute die Familie den Schritt. „Unser Sohn war verunsichert und reagierte mit Aggressionen und Verweigerung,“ beschreibt die Mutter den Start in der Schule.

Soziale Faktoren

Das Beispiel ist keine Ausnahme. Fachleute warnen daher davor, allein kognitive Leistungen und Konzentrationsfähigkeit zu betrachten, wenn es um einen möglichen Schuleintritt von Kann-Kindern geht. Die sozialen Aspekte bilden oft die größeren Herausforderungen. Die eigene Position in einer Klasse zu finden, sich einzugliedern und, wo nötig, zu behaupten, fällt jungen Kindern oft noch sehr schwer. Ich erinnere mich, dass es für unseren Sohn im ersten Schuljahr vor allem darum ging, die anderen kennenzulernen und Freundschaften zu schließen. Es hat mich damals überrascht, welche große Bedeutung die sozialen Interaktionen in dieser Zeit für unseren Sohn hatten und wie sehr die Lerninhalte dagegen zurücktraten.

Emotionale Aspekte

Kinder, die in die Schule gehen, müssen außerdem recht selbstständig sein, mehr Entscheidungen eigenständig treffen als zu Kita-Zeiten und Verantwortung dafür übernehmen. Schulkinder kommen idealerweise bereits gut ohne die permanente Zuwendung von Erwachsenen klar, können Konflikte vielfach schon unter sich klären und sich recht schnell auf neue, ungewohnte Situationen einstellen. Wer in die Schule kommt, sollte zudem seine Emotionen weitgehend kontrollieren können und seine Frustrationstoleranz etwas geschult haben, um mit kleineren Rückschlägen fertig zu werden.

Körperliche und motorische Fähigkeiten

Es sind jedoch auch handfeste körperliche Aspekte entscheidend. Ist mein Kann-Kind kräftig genug, um seinen Schulranzen bis zur Schule zu tragen und zurück? Kann es sich für den Sportunterricht selbstständig an- und ausziehen und seine Schuhe binden? Kann es einen Stift unverkrampft halten und damit genau malen? Kann es sich auch körperlich gegen andere Kinder behaupten? Denn Rangeleien, ein spielerisches Kräftemessen, gehören in diesem Alter dazu, und es kann frustrierend sein, dabei immer den Kürzeren zu ziehen.

Checkliste

Auf dem Portal netmoms gibt es eine Checkliste zur Schulfähigkeit, die die wichtigsten Anforderungen für den Start in die Schule noch einmal zusammenstellt.

Erst Rat einholen, dann entscheiden

Stellen Eltern fest, dass ihr Kann-Kind nicht nur intellektuell, sondern auch sozial, emotional und körperlich so weit entwickelt ist, dass es in der Schule zurechtkommen wird, ist es sicherlich eine gute Idee, es dort anzumelden. Es ist jedoch in allen Fällen ratsam, vorab die pädagogischen Fachleute aus Kita und Schule um Rat zu fragen. Die Erzieher*innen erleben das Kind in einem anderen Umfeld als die Eltern zu Hause und haben es in der Regel über mehrere Jahre sehr gut kennengelernt. Mütter und Väter sollten deren Einschätzung daher besonders ernst nehmen. Lehrkräfte besitzen langjährige Erfahrungen mit Kann-Kindern und deren Schulkarrieren und können auf dieser Grundlage fundiert beraten. Sind Eltern trotz Beratung unsicher, könnten sie nach einer Schule Ausschau halten, die auch zum Halbjahr einschult und damit einen Mittelweg einschlagen. Wer sich gegen eine frühere Einschulung entscheidet, kann den Wissens- und Erfahrungshunger seines Kindes in der Vorschulzeit auch dadurch stillen, dass er ihm z.B. das Spielen eines Instrumentes ermöglicht oder es an eine neue Sportart heranführt.

Sonderfall: Hochbegabung

Manche Eltern haben den Eindruck, dass ihr Kind hochbegabt sein könnte. Auf dem Fachportal Hochbegabung der Karg-Stiftung gibt es gute Informationen dazu, wie sich eine Hochbegabung bereits früh feststellen lässt. Geht es um eine vorzeitige Einschulung, ist auch bei hochbegabten Kindern abzuwägen, ob der Schulbesuch, der in Bezug auf die intellektuelle Förderung sinnvoll erscheinen mag, in sozial-emotionaler oder körperlicher Hinsicht nicht eine Überforderung darstellt. Beratungsstellen für Hochbegabung unterstützen in solchen Fällen bei der Planung der Bildungsbiografie. Im ersten Schritt ist es ratsam, dass Eltern ihre Vermutung mit den Fachleuten aus der Kita teilen. Das Kita-Team kann eigene Beobachtungen beisteuern, Fördermöglichkeiten vorstellen, Beratungsadressen vermitteln und bei weiteren Schritten unterstützen.

Mehr von Eike Ostendorf-Servissoglou

Vielfalt leben: Rassismuskritische Erziehung und Bildung von Anfang an

„Du kannst nicht mit uns spielen. Deine Haut sieht aus wie Kacka! So sieht Elsa nicht aus, geh weg.“ Greta (4 Jahre) bleibt enttäuscht und traurig im Türrahmen des Rollenspielzimmers stehen. Sie hätte so gerne mit Tim (5) und Lea (4) gespielt. Wieso kann sie nicht aussehen wie ihre Freunde oder Elsa? Eine Pädagogin hat die Situation beobachtet und wendet sich hilflos ab. Greta weint schließlich nicht, und die zwei anderen Kinder haben es ja sicher nicht so gemeint. Kinder sind doch nicht rassistisch, oder?

Es ist ein Zeichen normaler und gesunder Entwicklung, dass Kinder Unterschiede zwischen Menschen wahrnehmen und diese benennen. Durch die kindliche Unvoreingenommenheit, Themen direkt und unverfälscht anzusprechen, entstehen für die pädagogischen Fachkräfte vielfältige Möglichkeiten im Alltag, über ungewohnte Sachverhalte mit Kindern zu sprechen und sich darüber einem Themenfeld intensiv widmen zu können. Doch wie geht eine Pädagog*in mit kindlichen Aussagen um, die – wie im Beispiel – verdeutlichen, dass bereits Kinder mit Rassismus konfrontiert werden oder diesen reproduzieren? Wie lässt sich ein Anfang finden, um in solch einer Situation handlungsfähig zu bleiben und vor allem sich aktiv für die ausgegrenzten Kinder einsetzen zu können?

Hier sehe ich zwei zentrale Schwerpunkte:

1. Wenn man mit Kindern über Rassismuserfahrungen sprechen möchte, muss man im ersten Schritt wissen, was Rassismus ist. Ob und wie Rassismus wahrgenommen wird, hängt auch davon ab, ob man selbst davon betroffen ist oder ob man sich Fachwissen darüber angeeignet hat.
2. Die natürliche und selbstverständliche Darstellung von Diversität als normalen Bestandteil des Alltags zu integrieren.

1. Was ist Rassismus?

Der vor allem durch die Rassenlehre legitimierte Kolonialismus hat dazu beigetragen, dass heute das Geburtsland eines Menschen und seine Hautfarbe maßgeblich entscheiden, welche Chancen dieser im Leben erhält (vgl. El-Mafaalani 2021, S. 37). Das lehrt uns die Geschichte des Rassismus. Ausschließlich weiße Wissenschaftler teilten im 18. und 19. Jahrhundert die Menschen nach Kriterien wie Hautfarbe, Schädelform und Haarfarbe in „Rassen“ ein und verknüpften diese mit negativen bzw. positiven Eigenschaften. Dieses Konstrukt setzte die Weißen an die Spitze der Menschheit und wertete andere ab (vgl. Apraku 2021, S. 14).

Aus heutiger Sicht ist die Erfindung der sogenannten „Rassen“ als machtpolitisches Instrument wissenschaftlich klar belegt. Dennoch ist die Rassifizierung von Menschen ein fortwährendes Konstrukt, das vor allem in Nordamerika, aber auch in Deutschland eine Grundlage für Diskriminierung und Ausgrenzung darstellt. In Deutschland erfahren Menschen zudem Rassismus aufgrund ihrer tatsächlichen oder zugeschriebenen Religion, ihrer Abstammung bzw. geografischen Herkunft und weiterer wahrnehmbarer Differenzen, wie etwa einem sprachlichen Akzent (vgl. El-Mafalaani 2021, S. 19).

Besonders wirksam ist Rassismus auf diesen drei Ebenen (siehe die Begriffserklärungen dazu im Kasten):

• Individuelle Ebene: rassistische Witze, die BIPoC erfahren, aber auch entgegengebrachte Antipathien oder gewalttätige Übergriffe
• Institutionelle Ebene: Regeln, Gesetzgebungen, die für BIPoC eine Benachteiligung zur Folge haben
• Strukturelle Ebene: ungleicher Zugang zum Arbeits- und Wohnungsmarkt, zu Bildung oder zur Gesundheitsversorgung

Ob und wie wir Rassismus wahrnehmen, hängt also davon ab, ob er uns Vor- bzw. Nachteile verschafft.

Wichtige Fragen, um den persönlichen Umgang mit Unterschieden zu erkennen, wären beispielsweise:

• Wie bewerte ich Hautfarben?
• Welche Begrifflichkeiten kenne ich und darf ich verwenden?
• Wie gehe ich mit Rassismus im Allgemeinen um?
• Welche Position vertrete ich? Bin ich selbst von Rassismus betroffen?
• Bin ich bereit für die Perspektiven derer, die von Rassismus betroffen sind und meine bisherigen Ansichten in Frage zu stellen?

Sich einzugestehen, dass man selbst (meistens ungewollt) Rassismus reproduziert oder diesen gar nicht erst bemerkt hat (beispielsweise in Kinderbüchern oder Kinderliedern), ist eine wichtige Erkenntnis und kann der Ausgangspunkt für Lernprozesse sein. Der persönliche Umgang mit Rassismus lässt sich verändern und kann zu einer Verbesserung des gesellschaftlichen Miteinanders führen: „Viele Menschen hören bei Rassismus nur Verbote, aber eigentlich geht es um die große Chance, diese Welt gemeinsam besser zu machen“ (Tupoka Ogette 2022).

2. Wie erleben Kinder die Gestaltung von Diversität im Kinderhaus?

Bis zum dritten Geburtstag haben Kinder ein Bewusstsein davon, dass sich Menschen in ihrer Hautfarbe unterscheiden. Bereits in diesem Alter verknüpfen weiße Kinder und auch BIPoC-Kinder die weiße Hautfarbe vorrangig mit positiven Eigenschaften (vgl. Wagner 2017, S. 89). Fakt ist auch, dass Braune/ Schwarze (sic!) Kinder bereits ab dem frühkindlichen Alter erste Rassismuserfahrungen machen.

Wie reagieren die Erwachsenen auf die vom Kind benannten Unterschiede und auf die damit verbundenen Zuschreibungen? Ein erster grundlegender Aspekt, wie Kinder rassistisches Denken und Handeln lernen, ist das Verhalten der erwachsenen Bezugspersonen, der Eltern und anderer Betreuungspersonen. Durch sie erfahren und lernen Kinder, welche äußeren Merkmale in unserer Gesellschaft anerkannt und privilegiert sind. Wie im ersten Teil bereits beschrieben, ist es daher umso wichtiger, die verinnerlichten Vorurteile zu identifizieren und die eigene Haltung dazu zu überprüfen und ggf. zu verändern. Ganz zentral ist dabei die Verwendung einer diskriminierungssensiblen Sprache, um nicht unwissentlich Rassismus zu reproduzieren (siehe hierzu den Lesetipp im Kasten) und um aktiv auf Ungerechtigkeiten hinweisen und dazu Stellung beziehen zu können.

Zwischen 4 bis 6 Jahren entwickeln Kinder einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. In dieser Entwicklungsphase sollten rassistische Ungerechtigkeiten nicht übergangen, sondern benannt werden. Zu den Äußerungen des Kindes aus dem Anfangsbeispiel kann sich die Fachkraft klar positionieren und den Begriff Rassismus verwenden, wie etwa: „Ich wäre jetzt ganz schön traurig, wenn ich nicht mitspielen dürfte. Mir ist es echt wichtig, fair behandelt zu werden. Wisst ihr, dafür gibt es ein Wort, das nennt man Rassismus. Und das ist nie okay. Außerdem gibt es doch Schwarze Prinzessinnen, oder?“. Spätestens hier zeigt sich konkret, wieso eine diskriminierungssensible Sprache wichtig ist, wie in diesem Fall die korrekte Bezeichnung der Hautfarbe. Eine Erklärung, wieso eine bewusste Großschreibung des Begriffs zu einer zusätzlichen Wertschätzung beiträgt, findet sich im Kasten.

Um gesellschaftlich vorherrschende Narrative zu durchbrechen, benötigt es eine ehrliche und schonungslose Auseinandersetzung mit Projektinhalten, die an die Kinder vermittelt werden. Was wird transportiert, wenn z.B. Afrika als ausschließlich armer und hilfsbedürftiger Kontinent beschrieben wird oder als Kontinent mit Löwen, Elefanten in der Savanne? Kinder benötigen eine vielfältige und diverse Umgebung, damit eine rassismuskritische Bildung und Erziehung gelingen kann. In diesem Falle wäre zu fragen, wie Afrika als heterogener Kontinent dargestellt werden kann, vor allem seine Bevölkerung. Hilfreich kann es sein, im Team darüber zu reflektieren, wie ein vielfältiges, realitätsgetreueres Bild Afrikas vermittelt werden kann, und bereit dazu zu sein, sein Wissen weiterentwickeln zu wollen (vgl. Behmanesh 2021).

Somit meint ein Erleben von Diversität im Kindesalter eben erst im zweiten Schritt eine bewusste Entscheidung für vielfältige Spielmaterialien. Vielmehr geht es zunächst um die persönliche Kompetenz Erwachsener, sich mit seinen eigenen rassistischen Denkmustern auseinander zu setzen und diese aufzubrechen. Daraus kann dann die Selbstverständlichkeit resultieren, die Vorherrschaft weißer Puppen beenden zu wollen oder für eine diverse Kinderbuchauswahl zu sorgen.

Mehr von Lisa Baganz

Welcher Begriff ist wann angemessen?

Black, Indigenous and People of Colour (BIPoC) ist eine Selbstbezeichnung von und für Menschen mit Rassismuserfahrungen. Sie bezieht unterschiedlichste Personen ein, die sich als nicht-weiß in einer weißen Mehrheitsgesellschaft definieren.

Der Begriff „weiß“ wird kursiv geschrieben, da er keine biologischen Eigenschaften und auch keine tatsächliche Hautfarbe bezeichnet. Er steht für ein gesellschaftliches Konstrukt, das weiße Menschen mit mehr Privilegien und Ressourcen ausstattet (vgl. Apraku 2021, S. 14).

Der Begriff Schwarz wird als Selbstbezeichnung von BIPoC bewusst so gewählt, auch mit dem großgeschriebenen “S”. Dies gilt als emanzipatorische Widerstandspraxis, um eine sozio-politische Positionierung in einer mehrheitlich als weiß gelesenen Gesellschaft zu markieren. Der Begriff grenzt sich bewusst auch von der sprachlichen Verwendung “nicht-weiß” sein ab, da hier das sogenannte Weißsein die Norm definiert und alles andere damit eine Abweichung der Normalität darstellt.

Tipps zum Weiterlesen

Antidiskriminierungsbüro u.a.: Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch (zum Downloaden bspw hier: Rassismuskritischer Sprachgebrauch – M – Menschen Machen Medien (ver.di) (verdi.de)

Josephine Apraku zeigt in ihren Büchern konkrete Zugänge und aktuelle Impulse auf, um Kinder antirassistisch begleiten zu können. Sie bietet Fachkräften und Eltern eine Basis, sich Grundlagenwissen und viele praktische Umsetzungstipps anzueignen, um BIPoC-Kinder zu empowern und weiße Kinder zu sensibilisieren:

Kinderbücher, die Erwachsenen Impulse geben, die eigenen Positionen zu überprüfen, sowie deutliche Argumente herausarbeiten, die man parat haben sollte, wenn einem Rassismus begegnet und um Kinder zu stärken, sind bspw.:

Antirassismus, Aufklärung und Empowerment von Saskia Hödl und Pia Amofa-Antwi.

Von Sonja Eismann und Naira Estevez. Empfohlen ist dieses Buch ab 10 Jahren, in gemeinsamer Betrachtung geht es aber schon ab dem Vorschulalter bzw. für Fachkräfte zur Vorbereitung von Impulsen oder Projektideen empfehlenswert.

Literatur

Apraku, Josephine (2021): Wie erkläre ich Kindern Rassismus? Rassismussensible Begleitung und Empowerment von klein auf. Berlin: Familiar Faces.

Behmanesh, Sorah (2021): Wie wir rassismuskritische Kinder “erziehen”. URL: Wie wir rassismuskritische Kinder „erziehen“ – TofuFamily (letzter Zugriff 28.8.22)

Boldaz-Hahn, Stefani (2017): Weil ich dunkle Haut habe … – Rassismuserfahrungen im Kindergarten. In: Wagner, Petra (Hrsgin.): Handbuch Inklusion. Grundlagen vorurteilbewusster Bildung und Erziehung. 4. Auflage. Freiburg: Herder.

El-Mafalaani, Aladin (2021): Wozu Rassismus? Von der Erfindung der Menschenrechte bis zum rassismuskritischen Widerstand. Köln: Kiepenheuer & Witsch.

Fajembola, Olaolu; Niminidé-Dundadengar, Tebogo (2021): Gib mir mal die Hautfarbe. Mit Kindern über Rassismus sprechen. Weinheim Basel: Beltz.

Wagner, Petra (2017): Wie erleben junge Kinder Vielfalt? In: Wagner, Petra (Hrsgin.): Handbuch Inklusion. Grundlagen vorurteilbewusster Bildung und Erziehung. 4. Auflage. Freiburg: Herder.

Multiprofessionelle Teams: Mehrgewinn für Kolleg*innen und Kinder

Der QEZ Multiprofessionelle Teams stellt sich vor

„Guten Morgen“ kommt es mir entgegen, als ich die Kita betrete. Direkt steigt mir ein süßer Duft in die Nase. Ich werfe einen Blick in die Küche und beobachte, wie unser Koch einen Kuchen aus dem Ofen herausholt. Als ich mich von der Küche abwende, sehe ich unsere „Gute Fee“ und einen großen Berg Wäsche. Neben ihr entdecke ich zwei Kinder, die sie beim Falten der Handtücher und Lätzchen unterstützen. Plötzlich wird es lauter, und eine Gruppe Kinder saust mit einer Kollegin an mir vorbei. „Wir machen jetzt ein Fußballcamp!“ ruft mir ein Mädchen mit strahlendem Lächeln zu, bevor sie in der Turnhalle verschwindet.

In der Werkstatt entdecke ich eine unserer Fachkräfte, unsere Aushilfe und eine weitere Kinderschar. Sie zersägen verschiedene Bretter und kleben Stoffreste aneinander. Vielleicht haben die Kinder heute ihren Plan umgesetzt und bauen ein neues Puppentheater. Mein Blick wandert nach unten, und ich bemerke, wie ein Kind meine Hand hält und mir etwas zeigen will. Ich folge ihm. Angekommen im Bauzimmer sehe ich, was die Kinder mit unserem Quereinsteiger gebaut haben: einen Flughafen. Kein Wunder, denn mein Kollege hat ursprünglich eine Ausbildung zum Flugzeugtechniker absolviert. Hinter mir höre ich jemanden Spanisch sprechen. Unsere Fachkraft aus Spanien zieht mit den Kindern Schuhe und Jacken an und begleitet dies auf Spanisch. Im Personalraum begrüßt mich eine der Fachkräfte in unserer Kita und unsere Teamleitung. Beide erarbeiten gerade unseren neuen Schichtplan. Gut, dass Beate sich dieser Aufgabe angenommen hat, sie ist sehr strukturiert – für mich wäre das nichts.

Dieser Einblick in eine Kita zeigt die immense Vielfältigkeit von unseren Kitamitarbeitenden mit verschiedenen (beruflichen) Qualifikationen, Fähigkeiten, Kompetenzen sowie Erfahrungshintergründen, die zur gleichen Zeit und in einem Team zusammenarbeiten.

Was sind multiprofessionelle Teams?

„Multiprofessionelle Teams und multiprofessionelles Arbeiten eröffnen vielfältige Potenziale für die konzeptionelle Umsetzung einer ganzheitlichen Erziehung, Bildung und Betreuung“ (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. 2016, S. 9).

In multiprofessionellen Teams arbeiten Menschen mit verschiedenen Qualifikationen und Professionen miteinander. Die verschiedenen Biografien führen zu einer Vielfalt an Kompetenzen, die im KiTa-Alltag genutzt werden können. Bildungs- und Berufswege werden durch unterschiedlichste Faktoren im Leben eines Menschen geprägt. Die gesetzten (beruflichen) Ziele unterliegen einem ständigen Wandel. So kann es passieren, dass beispielsweise ein Mann nach 30 Jahren Arbeit im Bauwesen seinem (oftmals jugendlichen) Herzenswunsch folgt und den Quereinstieg zum Erzieher absolviert. Ein anderer findet in seiner Tätigkeit als Koch in einer Kita große Freude in der Interaktion mit Kindern. Er teilt seine Stelle auf und arbeitet nun neben seinem Beruf als Koch zu 30% als Pädagoge.

Ein weiterer Aspekt multiprofessioneller Teams sind die personellen Ressourcen sowie persönlichen Interessen und Stärken der einzelnen Teammitglieder. Beim Blick in die Praxis könnte das wie folgt aussehen: Eine gut organisierte und strukturierte Mitarbeiterin gestaltet den Dienstplan, während die Hobby-Fußballerin den Kindern auf dem Fußballplatz die Regeln erklärt.

Multiprofessionelle Teams bilden die Vielfalt unserer Gesellschaft in der KiTa ab. Sie bieten durch ihren Facettenreichtum einen großen Mehrwert: Stärken, Kompetenzen, Ressourcen, Charaktere und Interessen jedes einzelnen Mitglieds werden erkannt und genutzt. Nicht nur, dass das Potential jeder Person ausgeschöpft wird. Idealerweise ergänzen sich die Stärken einzelner und werden so zu einem doppelten Gewinn für Team und Kinderhaus.

Vielfalt für ein erfolgreiches Miteinander nutzen

Die Vielfalt in einem multiprofessionellen Team bringt Herausforderungen mit sich. Zum Beispiel können unterschiedliche Wertvorstellungen in der Praxis zu Stolpersteinen werden. Die Bedeutung von Pünktlichkeit und das Beharren darauf bei der einen Person kann die Spontaneität einer anderen Person begrenzen. Über Werte und Wertigkeiten wie diese muss sich ein Team austauschen. Ehrliches Interesse am Gegenüber und gegenseitige Akzeptanz sind die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit in jedem Team. Dann können die Vorteile hinter jedem Wert erkannt und genutzt werden, besonders die Chancen von Vielfalt können sich entfalten.

Mitarbeitende mit unterschiedlichen Kompetenzen lernen und profitieren voneinander, wenn sie sich die verschiedenen Perspektiven auf ein Thema gegenseitig zur Verfügung stellen und damit weiterarbeiten. Und um Vielfalt nutzen zu können, reicht es nicht, sich über verschiedene Sichtweisen auszutauschen. Vielmehr sollten Talente, Potentiale und Kompetenzen der Teammitglieder gemeinsam eruiert, erkannt, sichtbar gemacht und genutzt werden. Um sich der Ressourcen der Teammitglieder zu bedienen und gut in einem multiprofessionellen Team zusammenarbeiten zu können, benötigt es die Bereitschaft jedes Individuums, die eigenen Stärken und Ressourcen zu erkennen und mit denen des Gegenübers zu verbinden. Es kann so ein lebendiges Team voller Energie, Ideen, Zusammenhalt, Wertschätzung und akzeptierter Unterschiedlichkeit entstehen, das seine Potentiale ausschöpft.

Das professionelle Miteinander im KiTa-Alltag ist geprägt vom Motto: „Wir sind ins Gelingen verliebt“. Die gelebte und lebendige Vielfalt in multiprofessionellen Teamkonstellationen bietet nicht nur den Mitarbeitenden ein großes Spektrum an Erfahrungsmöglichkeiten, sondern auch den Kindern.

Aufgaben des QEZ Multiprofessionelle Teams

Der Qualitätsentwicklungszirkel (QEZ) Multiprofessionelle Teams setzt sich zusammen aus Teamleitungen, Mitarbeitenden aus dem Team Multiprofessionelle Teams und Pädagogischen Leitungen. Der QEZ hat sich zum Ziel gesetzt, interdisziplinäre und vorurteilsbewusste Zusammenarbeit lebendig in den Teams zu verankern, zu fördern und weiterzuentwickeln.

Unterschiedliche (Ausbildungs-)Biografien, Nationalitäten, Kulturen, Geschlechter, Hobbys und individuelle Denkweisen der einzelnen Menschen lassen ein Verständnis für alle erdenklichen Ansichten und gewünschten Unterschieden entstehen. Die einander ergänzenden Fähigkeiten und das Engagement für einen gemeinsamen Ansatz fördern die Synergieeffekte in der Kita, und es entsteht eine gelungene Zusammenarbeit. Diese Wertschätzung der Kompetenzen und die Partizipation aller Beteiligten im Team sind die Basis für eine hochwertige pädagogische Arbeit mit dem Kind und sichern ein ganzheitliches Bildungsangebot.

Der zentrale Aspekt bei multiprofessionellen Teams ist der Mehrwert, der durch die Vielfalt entsteht. Hierbei wird besonders auf die bewusste Kommunikation, gegenseitige Wertschätzung sowie einen Austausch auf Augenhöhe jenseits hierarchischer Strukturen geachtet. Das Ziel ist es positive Erfahrungen zu ermöglichen, sodass eine gemeinsame soziale Identität wachsen kann.

Wie wird Vielfalt zum Erfolgsgarant?

In all unseren Tools betrachten wir, welche Qualifikationen und personelle Ressourcen jede*r Einzelne besitzt, wie diese in der KiTa gezielt genutzt werden können und schaffen gemeinsame soziale Identität.

1. Coaching in der Praxis: Unser Schwerpunkt liegt auf dem Coaching für Team und Teamleitung – mit dem Ziel, die Stärken des multiprofessionellen Teams zu erkennen und zu entwickeln, sodass Vielfalt in der Kita lebendig wird. Zu Beginn stellen sich die Fragen: Welche Vision verfolgen wir? Welche Expertisen und Stärken haben wir im Team? Wie können unsere Stärken nutzbar gemacht werden?

2. Beratung der Teamleitung: Bei der Frage, wo am besten angesetzt werden sollte, um Barrieren im Team zu überwinden, unterstützen wir die Teamleitungen. Das Erkennen und Nutzen von Strukturen im Team, welche je nach Team variieren können, werden anhand von Strukturanalysen sichtbar gemacht und erörtert. Die Bereiche, in denen sich Personen als unterschiedlich wahrnehmen, lenken und stärken wir durch die Wahrnehmung auf gemeinsame Eigenschaften, übergeordnete Ziele und dem gegenseitigen Nutzen.

3. Reflexionsrunden im Team: Zur Unterstützung der Multiprofessionalität werden zukünftig in den Teams einmal monatlich Reflexionsrunden mit allen Teammitgliedern durchgeführt. Ziel ist es, proaktiv über pädagogische Situationen zu reflektieren, das eigene Potential für sich selbst und im Teamgefüge zu erkennen und für die pädagogische Arbeit zugänglich zu machen. Dies gilt auch für die Sichtbarmachung der Multiprofessionalität im Team. Wir begleiten das Team strukturell und inhaltlich in der Einführung dieses Formats in die monatlichen Teamsitzungen, unterstützen in der Gesprächsführung und stellen eine Nachhaltigkeit sicher.

Wir unterstützen Sie!

Kommen Sie auf uns zu. Ihre Fragen, Ideen und Anliegen sind uns willkommen, wenn es darum geht, die Chance von multiprofessionellen Teams nutzbar zu machen und die lebendige Zusammenarbeit im Kinderhaus stetig zu verbessern.

Ihre Anfragen werden in unserem QEZ-Team besprochen und ein Teammitglied wird auf Sie zukommen, um eine passende Vorgehensweise zu besprechen.

Zeitgleich werden auch wir proaktiv auf einzelne Teams zugehen und unsere Unterstützung anbieten.

Mehr von Patricia Sigg, im Namen aller Mitglieder des QEZ

Die Mitglieder des QEZ Multiprofessionelle Teams

Literatur:
– Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (2016): Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Implementierung und Ausgestaltung multiprofessioneller Teams und multiprofessionellen Arbeitens in Kindertageseinrichtungen. Berlin: Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Gemeinsam in der Schule fürs Leben lernen

„Was ist eine Herausforderung?“, fragt Lehrerin Christina Bayer ihre Schüler*innen während der Vorbereitung der anstehenden Projektarbeiten. Bei der Antwort sind sich alle einig: Eine Herausforderung ist etwas, das neu bzw. unbekannt ist und dazu auffordert, etwas zu tun, das die Person noch nie gemacht hat. „Wir entwickeln uns durch Herausforderungen im Leben weiter“, resümiert eine Schülerin. „Richtig“, ergänzt Bayer. „Und dabei ist es nebensächlich, ob wir an einer Herausforderung scheitern oder sie bewältigen. Denn das Gelernte zählt.“

Heute lernen, was morgen wichtig ist – unter diesem Motto begleiten die Pädagog*innen das Lernen in den element-i Schulen. Einen wesentlichen Bestandteil des Lernwegs bildet dabei die Projektzeit. Darin entwickeln die Schüler*innen eigene Projekte, zum Beispiel zum Thema Herausforderung. Ziel ist es, sie zu befähigen, die Herausforderungen der Zeit anzupacken und ihnen mit Mut, Verantwortungsbewusstsein und Kreativität zu begegnen. Auch in der neuen gymnasialen Oberstufe, die im September 2023 startet, werden die Schüler*innen sich Projektarbeiten widmen. „Die Ergebnisse, die uns präsentiert werden, bestätigen uns immer wieder, wie wichtig es ist, dass junge Menschen über den Tellerrand schauen dürfen. Und bereits im Vorfeld sprudeln die Ideen, unter welchem Themendach sie ihr Projekt gestalten wollen. Das macht Spaß – sowohl den Schülerinnen und Schülern als auch uns Lehrerinnen und Lehrern“, betont Christina Bayer, Teamleitung der element-i Grund- und Gemeinschaftsschule (Lernhaus 7-10).

In der Praxis: Schüler*innen berichten 

Selbstständig wohnen und arbeiten

 

Hallo, ich heiße Emely und besuche die 10. Klasse. Gemeinsam mit Alexi und Malou haben wir uns zwei Herausforderungen gestellt: Zum einen haben wir 10 Tage lang allein in Malous Wohnung (im Haus ihrer Eltern) gewohnt und uns dabei vegan ernährt. Wir waren gemeinsam einkaufen – was ziemlich anstrengend war, weil wir kaum vegane Produkte gefunden haben –, haben uns einen Essensplan gemacht, gemeinsam gekocht, Geschirr gespült, geputzt und meistens noch Gesellschaftsspiele gespielt. Zum anderen haben wir auf einem Gnadenhof gearbeitet. Wir haben ausgemistet, uns um die Tiere gekümmert, das Futter geschnitten und den Pferden beim Inhalieren geholfen.  

Was war das Besondere an deinem Projekt?  

Helfen ist gut, besonders auf dem Gnadenhof.  

Was war deine persönliche Herausforderung? 

Das gemeinsame Wohnen. Wir haben uns hin und wieder in die Haare bekommen, weil jeder etwas anderes wollte.  

Was nimmst du für deine Zukunft mit?  

Ich will niemals in eine WG ziehen!  

Dass vegan sein gar nicht so schwer ist und außerdem viel gesünder. Ich war deutlich fitter, denn man isst einfach mehr Gemüse und Obst.

Ein Elektro-Kettcar bauen 

 

Wir sind Julius, Klasse 9, und Linus, Klasse 8. Unsere Herausforderung: Wir wollten ein normales Kettcar motorisieren und haben das zuvor noch nicht gemacht. Daher sind wir folgendermaßen vorgegangen: Wir haben im Vorfeld mit Experten gesprochen, mit Schweißern und Elektrikern, ob unsere Idee funktionieren kann. Außerdem hatten wir uns im Internet über den Motor und die Batterien informiert, was man dabei beachten muss und wie viel Ampere für wie viel Zeitstunden nötig sind.

Was war das Besondere an eurem Projekt?  

Es war sehr umfangreich, sehr komplex und auch etwas gefährlich, weil wir mit Strom gearbeitet haben. 

Was war eure persönliche Herausforderung? 

Linus: Das alles zu organisieren und zu strukturieren, das Bauen war kein Problem. 

Julius: Einen kühlen Kopf zu bewahren und auch manchmal die Unstimmigkeiten zwischen Linus und mir. 

Was nimmst du für deine Zukunft mit?  

Linus: Dass mir „Technisches Werken“ viel Spaß macht.  

Julius: Dass man sich gut auf Projekte vorbereiten muss und nicht auf gut Glück arbeiten kann.

mehr von Christian Klar

element-i Kinderhaus Wieslauf-Käpsele – erfolgreiche Eröffnung zum Jahresbeginn

Seit Januar toben nun auch die Wieslauf-Käpsele durch ihr neues Domizil in Schorndorf und befinden sich aktuell in der Eingewöhnung. Das neu gebaute Kinderhaus liegt in unmittelbarer Nähe zu den hiesigen Sportanlagen und der Flussmündung in die Rems. Die schönen Parkanlagen und naturbelassenen Ufer der Wieslauf werden, sobald die Temperaturen es zulassen, von den kleinen Entdecker*innen sicher zu künftigen Lieblingsausflugszielen auserkoren.

Käpsele ist übrigens das schwäbische Synonym für pfiffige, gewitzte Menschen mit kreativen Einfällen. Und an kreativen Einfällen wird es dem Nachwuchs im element-i Kinderhaus sicher nicht mangeln. Eine Besonderheit der Schorndorfer Kita ist auch die aktive Beteiligung an den Sprachförderungsprogrammen für Kitas und Schulen der Stadt, dem so genannten Schorndorfer Sprachkonzept.

 

 

 

 

 

Brauchen Kinder Glück in der Schule?

Im Interview Dr. Ernst Fritz-Schubert, der Erfinder des Schulfachs Glück – der neue, etwas andere Seminarkurs in der geplanten Gymnasialen Oberstufe im element-i Bildungshaus Karlsruhe.

Freiheit und Glück werden seit der Antike in der Literatur in ein einander bestimmendes Abhängigkeitsverhältnis gesetzt – das eine kann es ohne das andere nicht geben. Aber welche Freiheit ist tatsächlich gemeint, ohne die der Mensch scheinbar nicht glücklich sein kann? Bin ich glücklich, wenn ich tun und lassen kann, was ich will? Macht Grenzenlosigkeit glücklich?

In der element-i Pädagogik wird (das innere) Glück vielmehr mit Kohärenz in Verbindung gesetzt, dem inneren, stimmigen Zusammenhang zwischen den Gegebenheiten der Welt, den Anforderungen an den Einzelnen und dessen Möglichkeiten, damit umzugehen. Nicht, weil ich frei bin, zu tun, was ich möchte, kann ich glücklich werden, sondern weil ich über Ressourcen verfüge, die die Welt für mich verstehbar, handhabbar und damit sinnhaft machen.

Mit anderen Worten: Als Menschen können wir nicht immer kontrollieren, was und wie geschieht, aber wir können sehr wohl kontrollieren, wie wir damit umgehen und die Konsequenzen unserer Handlung abschätzen. Und diese innere Freiheit kann – im besten Fall – glücklich machen.

Die Frage nach dem Glück haben wir auch Dr. Ernst Fritz-Schubert, Direktor des Fritz-Schubert-Instituts, gestellt. Als Leiter einer Heidelberger Schule führte er im Jahr 2007 erstmals in Deutschland das Schulfach Glück ein. Und mit der geplanten Einführung der Gymnasialen Oberstufe im Bildungshaus Karlsruhe zum Schuljahr 23/24 wird es den Seminarkurs Glück künftig auch für element-i Schüler*innen geben.

Herr Dr. Fritz-Schubert, was ist Glück?

Es gibt drei Arten von Glück: Zufallsglück, Glücksmoment und Lebensglück/Lebenssinn.

Glück fällt nicht nur als Zufall vom Himmel, wir dürfen ihm auch auf die Sprünge helfen. Vielleicht fordert die Natur sogar von uns Menschen, dass wir unser eigenes Glück schmieden und danach streben. Glücksmomente entstehen nämlich auch als Belohnung unseres Tuns. Was wäre aus uns ohne die kleinen und großen Glücksmomente unserer Vorfahren geworden? Nur das Streben nach Glück hat die Menschen dazu bewegt, Werkzeuge zu entwickeln und sich mit Speeren auf die gemeinsame Jagd nach dem Säbelzahntiger zu machen und sich weiterzuentwickeln.

Es gibt ein Sprichwort, das besagt und Sie sagen es ja auch: „Jeder ist seines Glückes Schmied…“ – oder kann es eben sein! Was benötigt man denn zum Glücklichsein? Wie spielen externe Faktoren, auf die ich keinen Einfluss habe, eine Rolle? Können Sie in einfachen Worten sagen, wie ich Glücklichsein lernen kann?

Zum Leben gehören natürlich auch negative Gefühle. Durch sie lernen wir, dass nicht alles im Leben auf Erfolg ausgerichtet sein kann und nicht alles gelingt. Die Fülle des Lebens bleibt daher unberechenbar mit Gegensätzen und Widersprüchen, mit Gelingen und Misslingen und das ist gut so.

Doch woher kommt dieses Talent – das Streben nach Lebensglück – oder „schlechter“ formuliert, die sogenannte Glückskompetenz? Manche Forscher behaupten 50 % sind ererbt, 10 % sind äußere Bedingungen. Sicherlich sind manche Menschen lebenslustiger, von Natur aus offener, zugewandter, verträglicher und gewissenhafter als andere. Und manchmal kommt es auf die äußeren Umstände an. Aber vergessen wir nicht, dass neben den vorgegebenen 60 % noch 40 % übrigbleiben, um sich weiterzuentwickeln, verantwortungsvoll sich selbst und andere zu lieben, Sinn im Leben zu finden und dadurch Lebensfreude zu spüren.

Sie sind der Erfinder des „Schulfachs Glück“, das demnächst auch Teil des Lehrplans der gymnasialen Oberstufe in der weiterführenden element-i Schule in Karlsruhe werden soll. Hätten Sie selbst gern „Glück“ in der Schule gehabt?

Ja, natürlich (lacht). Doch damals war Schule „nur“ eine Einrichtung der Wissensvermittlung, der Sozialisation und Selektion. Die Schule des 21. Jahrhunderts ist mehr. Durch die Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation ist sie zugleich auch Anwalt der Heranwachsenden zur Sicherung deren körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens. Sie ist als Institution der Gesellschaft verpflichtet, dafür zu sorgen, dass aus unerfahrenen Kindern und Jugendlichen lebenstüchtige, engagierte selbstbestimmte und demokratisch denkende und handelnde Erwachsene werden. Außerdem hat die Schule des 21. Jahrhunderts laut Kultusministerkonferenz einen auf Persönlichkeitsentwicklung und Weltorientierung abzielenden Bildungsauftrag, der in besonderer Weise die Potenzialentwicklung von Einzelnen und Gruppen unterstützen soll.

Und Lernen und Potenzialentwicklung passt eben nur zusammen, wenn das Lernen ganz bewusst mit einem Gefühl der Lust als eine tief befriedigende und den eigenen Horizont erweiternde Tätigkeit erlebt werden kann.

Wenn man sich heute bei den Kindern und Jugendlichen so umschaut, wirkt es dank Smartphones, Selfies, Instagram und Co. vielmals so, als seien alle sehr auf sich fokussiert, teilweise isoliert. Welche Rolle spielen das Ich und die Gruppe beim Glücklichsein? Wie kann es gelingen, die Gruppe als Kraftquelle zum eigenen Glück zu erkennen?

Es wirkt zwar so, als seien die Kinder und Jugendlichen auf sich fokussiert, aber in Wirklichkeit geht es mehr um ihre Außenwirkung, die durch digitale Möglichkeiten scheinbar besser gelingen. Wir beobachten insbesondere drei Trends, die uns eine Antwort auf die Frage geben:

  1. Wir erkennen eine zunehmende Selbstverwertung durch die eigene Darstellung im Netz. Alles, was die Außendarstellung, das Fremdbild verbessern könnte, wird „gepostet“. Das kann auf die Dauer sehr anstrengend sein. Außerdem kann der Vergleich mit anderen im Fall der Unterlegenheit sehr unglücklich machen.
  2. Es entsteht eine zunehmende Fragmentierung, d.h., dass die Kinder und Jugendlichen in unterschiedlichen sozialen Netzwerken unterschiedliche Positionen bzw. Haltungen verkünden müssen, um dazuzugehören. Das schränkt die Identitätsfindung ein. Die jungen Menschen wissen am Ende dann nicht mehr, wer sie sind, was sie brauche, was sie können und was sie wollen.
  3. Es ist eine zunehmende Algorithmisierung zu beobachten. Wenn alles digitalen Algorithmen folgt, dann schränkt das die Freiheit der Entscheidung ein. Mangelnde Selbstbestimmung und der Verlust der eigenen Wirksamkeitserwartung kann zu einer Erdulder- oder Opferrolle führen, die die Lebensgestaltung und das Lebensglück verhindern kann. Um das Gegenüber oder die Gruppe als Kraftquelle zu erkennen, bedarf es entsprechend Erfahrung durch gute Erlebnisse. Dazu gehören zum Beispiel die wahrgenommene Hilfe, die Wertschätzung oder die Möglichkeit zur Weiterentwicklung.
Die Philosophie hinter der element-i Pädagogik und Ihr Wunsch, die Persönlichkeit und das ganzheitliche Wohlbefinden zu stärken, harmonieren sehr gut miteinander. Schon immer lernen unsere Schüler*innen mehr als der staatliche Bildungsplan vorgibt. Wie kann „Glück“ sie auf ihrem Lebensweg zusätzlich unterstützen?

Das Schulfach Glück kann durch die vielfältigen Übungen und Methoden einen wichtigen Beitrag leisten und auf dem Lebensweg unterstützen. Die Sinnsuche, das Gefühl von Freiheit und das Gefühl von Geborgenheit gehören zu den Grundbedürfnissen von uns Menschen. Bleiben einzelne Bedürfnisse unerfüllt, verdüstern sich unsere Emotionen z.B. durch Wut, Angst oder Trauer. Umgekehrt können wir wahre Glückgefühle erleben, wenn wir das tun, was uns wichtig und wertvoll ist, selbstbestimmt handeln oder in der Gruppe Sicherheit und Geborgenheit erleben.

Menschen sind individuelle und soziale Wesen, die frei sein wollen. Zugleich streben sie aber auch nach Verbundenheit, Wertschätzung und Anerkennung. Die element-i Philosophie bringt die beiden Aspekte zusammen und sagt zugleich: Freiheit ist, dass man tut, was man will, weil man darüber nachgedacht hat, was das in der Folge bedeuten könnte. Und für diese Konsequenzen auch die Verantwortung übernimmt. Im Grunde bedeutet Freiheit, dass wir auch bejahen, was aufgrund unseres Handelns passieren wird. Wie würden Sie (innere) „Freiheit“ definieren? Hat Freiheit etwas mit Glück zu tun?

Das Gefühl von innerer Freiheit, also seine zur Verfügung stehenden persönlichen Fähigkeiten ohne Zwang oder Druck zu nutzen, hat, wie gesagt, sehr viel mit Glück und Zufriedenheit zu tun. Menschen, die nur von unreflektierten Impulsen getrieben werden oder auf Grund von Manipulation oder als Mitläufer eines allgemeinen Trends handeln, können sehr schnell das Gefühl von Sinnlosigkeit des Daseins verspüren, das zu depressiven Stimmungen bis hin zu psychischen Erkrankungen führen kann. Die Fähigkeit, seine eigenen Fähigkeiten zu nutzen und einzusetzen und selbstbestimmt handeln zu können, wird durch den ressourcenorientierten und logotherapeutischen Ansatz im Glücksunterricht gefördert.

Wir von element-i danken Herrn Dr. Fritz-Schubert herzlichst für das inspirierende und sehr interessante Gespräch!

Bildquelle Uwe Anspach/DPA

Der ganz normale Wahnsinn: Homeoffice mit Kind(ern)

Im Homeoffice arbeiten und gleichzeitig ein Kind betreuen – eine Unmöglichkeit! Finde ich zumindest. Da helfen auch die vielen gut gemeinten Ratschläge im Internet nichts. Bei mir hat‘s erst geklappt, als unser Sohn in die Schule ging und sich gut selbst beschäftigen konnte.

„Homeoffice ist doch super!”, denken viele. „Die ideale Lösung, um Beruf und Familie zu vereinbaren.“ In so mancher Beziehung haben sie recht: Nervige Arbeitswege entfallen. Es kommt meist nicht darauf an, ob ich morgens früher oder später am Schreibtisch sitze. Und es sind keine großen organisatorischen Klimmzüge nötig, wenn ich mein Kind mal früher aus der Kita holen muss.

Homeoffice plus

Doch oft heißt Homeoffice nicht nur Homeoffice, sondern Homeoffice plus Kind. Immer dann nämlich, wenn Husten, Schnupfen, Fieber oder Magen-Darm zuschlagen, wenn das Kita-Team auf Fortbildung ist oder streikt, an Tagen, an denen die Personaldecke so dünn ist, dass die Einrichtung früher schließen muss oder die Eltern gebeten werden, ihr Kind nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen. Sind die Kinder im Schulalter, stellen die langen Ferienzeiten, die die eigenen Urlaubstage in der Regel deutlich übersteigen, die Eltern vor Herausforderungen. Denn an all diesen Tagen sollen sie beides bewältigen: Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung. Zuletzt setzte die Corona-Pandemie noch einen drauf: Während des Lockdowns waren Schulkind-Eltern zusätzlich als Lehrkräfte gefragt.

Multitasking ist eine Illusion

Meine Erfahrung ist: Homeoffice mit Kleinkind? Das funktioniert nicht! Zumindest bei mir klappt es nicht, zwei oder drei Dinge gleichzeitig zu tun. Es geht nur eins nach dem anderen. Ich glaube, den meisten geht das genauso. Fotos, die lächelnde Mütter oder Väter bei der Arbeit am Schreibtisch zeigen, während ein Kleinkind im Hintergrund hingebungsvoll spielt oder ein Bild malt, haben mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Kinder unter einem Jahr können sich zwischen fünf und zehn Minuten alleine beschäftigen, Zwei- bis Dreijährige halten vielleicht mal 20 Minuten durch. Ich kann mich da am Schreibtisch gerade in meine Aufgabe reindenken, und dann ist die Arbeitszeit auch schon wieder vorbei. Also: Vergessen Sie’s! Meine Homeoffice-Erfahrung mit Kleinkind ist zwar schon 20 Jahre alt – aber das ist ein Naturgesetz.

Arbeiten ging nur, wenn das Kleinkind schlief

Die freie Journalistin Imke Weiter schildert in einem Beitrag für das Magazin emotion ihre Homeoffice-Erfahrungen mit Kleinkind während des Corona-Lockdowns 2020. Sie schreibt: „Seit meine Tochter keinen Mittagschlaf mehr macht, fällt auch die Möglichkeit, mittags zu arbeiten weg. Sie soll außerdem ein vernünftiges Mittagessen bekommen, muss gewickelt werden, sie will singen, tanzen, Laufrad fahren, mit Fingerfarben malen, und muss dabei meistens betreut werden.“ Die Mutter schiebt ihre Arbeitszeiten daher auf den frühen Morgen und den Abend, wenn die Tochter noch oder wieder schläft. Zeit für sich hat die Journalistin dadurch kaum noch.

Er spielte gerne alleine

Doch es gibt Licht am Horizont: Mit zunehmendem Alter der Kinder verändert sich die Situation. Unser Sohn spielte ab dem Grundschulalter gerne stundenlang für sich alleine. Aus der vormittäglichen Betreuung kam er oft sehr überreizt zurück und genoss es dann, sich nach dem gemeinsamen Mittagessen in sein Zimmer zurückzuziehen. Für mich gab es so zusätzliche Zeit zu arbeiten. Das ist sicherlich nicht übertragbar, denn Kinder sind sehr unterschiedlich und andere fordern mehr Gemeinschaft und Austausch ein.

Haltung des Elternteils wichtig

Ich habe jedoch auch den Eindruck, dass es etwas mit der Haltung des Elternteils zu tun hat, ob das ungestörte Arbeiten im Homeoffice gelingt, auch wenn das (ältere) Kind zu Hause ist. Lange Zeit war ich im Verband berufstätiger Mütter (VBM) aktiv und habe mich viel mit anderen Müttern ausgetauscht. Sie bestätigten meine Einschätzung, dass Kinder sehr genau spüren, wie ernst es den Eltern mit ihrer Arbeit ist. Sind Mutter oder Vater unsicher, ob sie ihre Zeit nicht doch lieber ihrem Kind widmen sollen, und haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie arbeiten, scheinen die Kinder sie eher dabei zu stören. Auch wenn’s nicht nachgewiesen ist – der Gedanke scheint mir schlüssig.

Eltern als Hilfslehrkräfte?

Da die Halbtagsbetreuung in der Schule meine Arbeitszeiten nicht abdeckte, musste unser Sohn ohne Hausaufgabenbetreuung von mir auskommen. Nach gelegentlichen misslungenen Ausflügen in die Hilfslehrerinnentätigkeit hatte ich dazu – auch aus erzieherischen Gründen – eine klare Haltung: Eltern sind als Aushilfspädagog*innen ungeeignet. Zumindest kann ich das von mir behaupten. Meine Geduld im Erklären zum Beispiel von Matheaufgaben erwies sich als äußerst begrenzt. Ich führe das darauf zurück, dass ich als Mutter emotional zu stark beteiligt war. Kapierte unser Sohn etwas nicht, schrillten gleich Alarmglocken in meinem Kopf – so sehr ich mich auch bemühte, gelassen zu bleiben. Ich glaube, das ging nicht nur mir so. Schließlich berichten viele Eltern, dass es bei Schulthemen regelmäßig zu Streit in der Familie kommt. Daher halte ich es für eine denkbar schlechte Idee, wenn Schulen Eltern Lehrtätigkeiten übertragen – und sei es nur die Kontrolle der Hausaufgaben. Aber das ist ein eigenes Thema.

Vereinbarkeits-Tipps aus dem Internet

Homeoffice mit Kind: Dazu gibt es im Internet viele Artikel mit Tipps und guten Ratschlägen. Sie lauten zum Beispiel so: Machen Sie einen Zeitplan und schaffen Sie klare Tagesstrukturen. Bauen Sie feste Spiel- und Kreativangebote in den Vormittag ein. Bereiten Sie etwas zu Essen (z.B. Obst) und zu Trinken für die Kinder vor, damit sie sich selbst bedienen können. Solche Ideen klingen nett, hören sich aber ganz so an, als müsste man ein Orga-Genie sein, um sie umzusetzen. (Mein Ding ist das nicht!) Außerdem lösen sie aus meiner Sicht das Problem nicht. Wenn ich eine Stunde konzentriert an einem Artikel schreiben will, möchte ich nicht alle zehn Minuten eine Pause machen, um etwas zu spielen oder vorzulesen. Und an den elterlichen Zeitplan wird sich das Kind schon gar nicht halten. Heißt: Ich sitze am Schreibtisch und bin sekündlich darauf gefasst, gestört zu werden. Der Konzentration ist das nicht zuträglich. Letztlich hilft nur folgender Tipp: Beauftragen Sie eine andere Person mit der Betreuung Ihres Kindes! Wenn Sie denn jemanden finden können. Vielleicht hilft eine Elterninitiative. Ich hätte mich damals gerne mit anderen Müttern bei der Nachmittagsbetreuung abgewechselt. Leider konnte ich in meiner Nachbarschaft niemanden finden, der daran Interesse hatte. Ich hoffe, Ihnen geht es heute anders!

Und denken Sie daran, wenn Sie mitten in der Homeoffice-mit-Kind-Phase stecken: Anderen geht es genauso. Keiner meistert das perfekt. Die meisten haben das Gefühl, weder dem Beruf noch der Familie gerecht zu werden. Meinem früheren Ich würde ich daher am liebsten zurufen: Nicht verrücktmachen! Was mir damals half, war übrigens der Austausch mit anderen Müttern im VBM.

Mehr von Eike Ostendorf-Servissoglou

Links:

„Home Office mit Kleinkind – wieso das so schwierig ist“, Beitrag auf emotion.de vom 8.4.2020:

https://www.emotion.de/leben-arbeit/gesellschaft/home-office-mit-kleinkind-schwierigkeiten

Verband berufstätiger Mütter e.V. (VBM), Website

https://vbm-online.de