„Wir“: Ein Selbstporträt-Impuls im Kinderhaus Reinsburg

Bekanntes neu sehen: Im Kinderhaus Reinsburg schauen sich einige Kinder im Spiegel an und zeichnen Selbstporträts – mit spannendem Ergebnis. Plötzlich sind Details auf den Bildern zu sehen, die die Kinder vorher nie wahrgenommen hatten. Autor: Orkan Tan

Ich bin Künstler und als Quereinsteiger im element-i Kinderhaus Reinsburg in Stuttgart tätig. Ich liebe die Arbeit als Erzieher: Die Kinder sind ehrlich und direkt. Sie hinterfragen, was wir Erwachsenen als selbstverständlich ansehen und bringen uns auf ganz neue Weise zum Nachdenken. Neulich wollte ein Junge wissen, warum ich so viele Haare unten am Gesicht aber keine auf dem Kopf hätte. Diese Frage löst eine Diskussion aus, an der sich einige Kinder beteiligen. Wir sprechen über Haare und Bärte sowie darüber, wie unterschiedlich Menschen aussehen.

In den Spiegel schauen

Das Interesse der Kinder habe ich anschließend aufgegriffen. Alle, die mitmachen wollten, sind mit mir ins Atelier gegangen, und wir haben uns selbst gemalt. Doch wie soll das gehen? Ein Junge schlägt vor, dass wir uns einfach gegenseitig fotografieren. Ein Mädchen kommt auf die Idee, einen Spiegel zu holen. Und genau das tun wird dann auch.

Wer bin ich?

Als wir uns im Spiegel betrachten, fallen den Kindern zunächst Augen und Mund, dann Nase und Ohren auf. Doch was ist das? Wir haben ja Wimpern und Augenbrauen! Diese Details hatten die Kinder bislang völlig übersehen. Dass sich die Farbe ihrer Haut, ihrer Haare und ihrer Augen voneinander unterscheidet, ist für sie ebenfalls neu und spannend.

Kopf ohne Körper?

Interessiert beobachte ich, wie sie sich anschließend selbst malen. Ich hatte vorgeschlagen, dass wir klassische Selbstporträts anfertigen, auf denen nur Kopf und Oberkörper zu sehen sind. Nicht allen Kindern behagt das. Ein Mädchen vervollständigt ihr Bild, indem sie an den großen Kopf noch einen vergleichsweise kleinen Körper anfügt. Andere beginnen nach dem Porträt-Kopf direkt ein weiteres Bild, das ihren Körper komplett zeigt.

Neue Details in den Bildern

Auffällig ist, wie detailliert die meisten Kinder ihr Gesicht zeichnen. Auf einigen der Bilder entdecke ich Wimpern, Augenbrauen und sogar Augenlieder. Auch die Hautfarben variieren von Rosa bis Dunkelbraun: Die Kinder haben genau geschaut, welche Farbe ihrer eigenen Haut am besten entspricht. Das ist ebenfalls neu!

Eine Chance auch für Erwachsene

Wenn wir uns zusammen mit Kindern auf Entdeckungsreise begeben, erfahren auch wir Erwachsenen viel Neues, denn es geht uns genauso wie den Kindern: Wir haben Sehgewohnheiten entwickelt und nehmen nur das wahr, was wir immer wahrnehmen. Einmal neu und unvoreingenommen auf scheinbar Bekanntes zu schauen, kann auch für uns eine Offenbarung sein. Daher wirkt die Zusammenarbeit mit den Kindern bei mir auch stark auf meine Kunst zurück.

„Wir“ heißt unsere Ausstellung

Mit unseren Bildern machen wir anschließend noch eine kleine Ausstellung. Sie hat sogar einen Titel bekommen. „Wir“, meinen die Kinder, sei ein guter Name. Er gefällt mir sehr, denn mir kommt es darauf an, nicht nur die Unterschiede zu betonen. Daher frage ich „Was haben wir denn alle gemeinsam?“. Die Kinder wissen direkt, worauf ich hinauswill und antworten: „Wir sind alle Menschen“.

Ein positives Selbstbild fördern

Jedes Kind soll in der Kita erleben, dass es dazugehört und ein wichtiger Teil der Gruppe ist. „Wir sind ein Team!“ ist daher unser Motto. In meiner Kindheit habe ich ein solches Zusammengehörigkeitsgefühl vermisst. Ich fühlte mich oft als Außenseiter und nicht gesehen. Meine Vision ist eine Gesellschaft, die Vielfalt wertschätzt, alle einschließt und trotz aller Unterschiede – die ja manchmal auch das gegenseitige Verständnis erschweren – Gemeinschaft lebt.

Orkan Tan

Orkan Tan

Weitere Informationen:

Die Kita-Fachzeitschrift „Betrifft Kinder“ berichtete in Heft 9-10/2023 ebenfalls über den Selbstporträt-Impuls. Auf der Konzept-e Website gibt es den Beitrag zum Herunterladen. Welche Erfahrungen Orkan Tan sonst noch in seinem Quereinstieg sammeln konnte, lesen Sie in diesem Interview im FDFP-Magazin.

Rückblick: Ein Herbst-Impuls des Kinderhauses Knax-Garten

Im späten Oktober bat ich alle größeren Kinder in den Bewegungsraum. Nahezu 20 Kindergartenkinder versammelten sich in einem Kreis und waren gespannt, was heute passieren würde. „Heute ist keine Kiko?“, fragten sie und warteten neugierig auf meine Antworten. In der Mitte des Kreises hatte ich Symbole für die heutige Großgruppen-Aktivität ausgelegt: Rechen, Besen und Schaufeln verschiedener Größe fanden sich in der Mitte des Kreises. Die Kinder hörten gespannt zu, was ich ihnen über den Herbst erzählte. Und eines wussten sie bereits: Dass im Herbst die Blätter von den Bäumen fallen und sich am Boden häufen.

Das Angebot meinerseits lag nahe: „Heute möchte ich mit euch die Blätter in unserem Garten zusammenkehren und aufsammeln. Ohne eure Hilfe schaffe ich das nicht.“ Und weiter ging´s mit den Bedingungen für die Gartenarbeit. Denn nicht für alle Kinder stünde ein Rechen oder einen Besen zur Verfügung. Und so beratschlagte ich mit den Kindern, wie sie sich untereinander absprechen und die Geräte tauschen könnten. Alle Kinder waren begeistert dabei und gingen motiviert ans Werk. Nachdem sie sich angezogen hatten, stürmten die Kinder in den Garten und arbeiteten los.

Mehr als eine Stunde waren alle Kinder zusammen im Garten aktiv. Für mich als Pädagogin war es schön zu sehen, wie sie sich gegenseitig halfen, die Besen und Rechen tauschten und aktiv den Garten vom Laub befreiten. Auch die sonst eher ruhigen Kinder kamen mit den anderen Kindern ins Gespräch. Denn jeder wollte mal einen der Rechen oder Besen haben.

Auch fürs Forschen & Entdecken blieb Zeit: Die Kinder fanden bei ihrer Arbeit Regenwürmer, die sehr genau beobachtet werden mussten und in Sicherheit gebracht wurden. Zum Schluss haben die Kinder die Blätter in großen Säcken gepackt und entsorgt. Während die Kinder draußen im Garten eine herrliche Zeit in der großen Gemeinschaft verbrachten, konnten sich die Pädagog*innen, die heute im Haus waren, für ihre Vorbereitungszeit zurückziehen. Eine Win-Win-Situation für alle. 

Kerstin Sigloch, Teamleitung element-i Kinderhaus Knax-Garten 

Die Zeit im Griff – den Arbeitsalltag
effektiv gestalten

Fühlen Sie sich an manchen Tagen wie im Hamsterrad? Der Berg an Aufgaben will nicht kleiner werden. Ständig kommt Neues hinzu, und Sie wissen gar nicht mehr, was Sie zuerst anpacken sollen. An anderen Tagen kommen Sie mit ihrer Zeit gut zurecht. Wie kommt das? Wie können Sie Ihren Arbeitsalltag effektiv gestalten?

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die meisten Menschen etwa 10% ihrer Arbeitszeit für falsche Priorisierung verschwenden. Es mangelt oft nicht an Zeit, wir Menschen teilen sie falsch ein. Es gibt Methoden, die entscheidend weiterhelfen und geeignet sind, dem Hamsterrad zu entkommen. Wer im Arbeitsalltag gelassen bleibt, weil er alle Aufgaben im Blick behält, wird dies an seiner Arbeitsmotivation spüren und wesentlich entspannter durch den Tag kommen. Darüber hinaus freut sich jeder Mensch, wenn er Zeit gewinnt. Wer sein Arbeitspensum zügig erledigt, ist zufrieden und schöpft neue Kraft. Motivation für Neues kann entstehen.

Mit wenigen, kleinen Veränderungen können Sie die Zeit für Ihre beruflichen Aufgaben besser einteilen. Und somit entsteht Freiraum für echte Pausen, gesundheitsfördernde Aktivitäten, Fortbildung usw. Mit diesen Vorschlägen lässt sich der Tag klarer strukturieren:

Den Tag beginnen

Richten Sie ihren Arbeitsplatz mit allen benötigten Materialien ein. Stellen Sie sich Getränke bereit und aktualisieren Ihre To-do-Liste. Erst dann beginnen Sie mit ihrer Arbeit. Wenn Sie mit einer beliebigen Aufgabe anfangen, besteht eine größere Wahrscheinlichkeit, dass Sie sich durch den Alltag jagen lassen. Sie wissen nämlich nicht genau, was noch auf Sie wartet. Sie stecken im Hamsterrad, sind getrieben, anstatt zu steuern.

Aufgaben auf einer To-do-Liste mit der ABC-Methode (nach H. Ford Dickie) festhalten

Mit dieser Methode können Sie Ihr Gehirn entlasten. Denn alles, was Sie sich nicht merken müssen, kostet weniger Energie und reduziert das Gefühl, die Arbeit nicht im Griff zu haben. Wenn Sie auf einer Liste Ihren Arbeitsalltag etwa 10 Minuten vorbereiten und anschließend konsequent abarbeiten, können Sie täglich bis zu einer Stunde für das Wesentliche gewinnen. Mit der ABC-Methode, die auf dem Pareto-Prinzip basiert (siehe Kasten), kann die To-do-Liste effektiv erstellt werden. Die Buchstaben stehen für bestimmte Kategorien. Unter A finden sich Aufgaben, die wichtig und dringend zugleich sind. Zu B gehören Aufgaben, die wichtig, aber nicht dringend sind. Unter C jene, welche dringend, aber nicht wichtig sind. Eine Priorisierung sollten Sie auch für Ihre Zeiteinteilung durchführen: rund 65 % der Zeit für die Aufgaben der Kategorie A, 20 % sollten den Aufgaben der Kategorie B vorbehalten sein. Die restlichen 15 % reichen für Routine-Aufgaben aus, die möglicherweise an andere delegiert werden können.

Ungeliebtes zuerst

Erledigen Sie unliebsame Aufgaben möglichst zuerst – z.B. eine lästige Dokumentation, ein unangenehmes Telefonat. Identifizieren Sie diese „Jobs“ auf ihrer To-do-Liste und nehmen Sie sich Ihrer an. Es handelt sich beispielsweise um Aufgaben, die ein ungutes Gefühl verursachen, aber wenig Zeit benötigen. Oder es handelt sich um unklare Aufgaben, bei denen Recherchen nötig sind und die Sie deshalb vor sich herschieben. Sie werden bemerken, wie gut sie sich nach der Erledigung dieser Aufgaben fühlen.

Wichtig vor dringlich

Lassen Sie sich nicht von anderen unnötig antreiben. Nur weil andere eine Aufgabe dringlich machen, ist sie es noch lange nicht. Klären Sie, was bis wann erledigt werden muss und ob es überhaupt auf ihre To-do-Liste gehört. Es lohnt sich, sich hier Klarheit zu verschaffen. Denn wenn eine Aufgabe nicht in Ihren Verantwortungsbereich gehört, geben Sie sie zurück. Man spricht hierbei auch vom so genannten monkey-business oder no monkey business. Lassen Sie sich nicht die Affen anderer auf Ihre Schulter setzen.

Rituale einführen

Nehmen Sie sich am Ende eines (Arbeits)-Tages einige Minuten Zeit, um ein Fazit zu ziehen. Streichen Sie alle erledigten Aufgaben aus ihrer To-do-Liste und würdigen Sie Ihre Leistung. Sie können sich auch sprichwörtlich für all das auf die Schulter klopfen, was sie abgeschlossen oder vorangetrieben haben.

Ungeteilte Aufmerksamkeit

Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin belegen, dass Arbeitnehmer sehr oft am Tag in ihrer augenblicklichen Arbeit unterbrochen werden. Immer wenn dies geschieht, benötigen Sie nach der Unterbrechung etwa zwei Minuten, um wieder in die Aufgabe hineinzufinden. Das ist nicht effizient. Bleiben Sie bei einer Sache. Die Bearbeitungszeit verkürzt sich dadurch erheblich. Sie selbst kennen Ihren Tag am besten und können sich Zeiten blocken, in denen Sie konzentriert sein müssen, wollen und auch können. Störenfriede verweisen Sie bitte freundlich in ihre Schranken. Auch das Mobiltelefon darf aus dem Sichtfeld verschwinden und kann Sie nicht vom Wesentlichen abhalten. Sie werden überrascht sein, wie viel mehr Sie schaffen.

So funktioniert die Umsetzung

Suchen Sie sich ein bis zwei Tipps heraus, deren Umsetzung Ihnen einfach erscheinen und setzen diese über einen längeren Zeitraum um. Es dauert ein bis zwei Monate, bevor etwas neu Erlerntes zur Gewohnheit wird. Haben Sie den ersten Erfolg verbucht, können Sie sich weitere Veränderungen vornehmen. Verschwenden Sie keine weitere Zeit mit Unnötigem oder Belastendem. Ihre Gesundheit wird es Ihnen danken.

Das Pareto Prinzip, auch bekannt unter „Pareto-Effekt“ oder „80/20-Regel“, ist nach Vilfredo Pareto (1848–1923) benannt. Dieses Prinzip besagt, dass mit 20% des Gesamtaufwandes 80% der Ergebnisse erreicht werden. Die verbleibenden 80% werden für 20% eines Ergebnisses aufgewendet. Der Nutzen des Pareto-Prinzips besteht darin, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, die den größten Einfluss haben. Hierdurch können Produktivität und Effizienz gesteigert werden. So lassen sich mit 20% der richtig und sinnvoll eingesetzten Zeit 80% der Aufgaben erledigen.

Mehr von Barbara Schmieder

Literatur

Clear, James (2020): Die 1%-Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung: Mit kleinen Gewohnheiten jedes Ziel erreichen. Goldmann: München

Seiwert, Lothar J.; Tracy, Brian (2001): Life-Leadership. So bekommen Sie Ihr Leben in Balance. Gabal: Offenbach
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2019): Arbeitsunterbrechungen und Multitasking täglich meistern. Abrufbar unter: https://www.baua.de/DE/Angebote/Publikationen/Praxis/A78.html
(zuletzt aufgerufen am 02.06.2022)

Mai, Jochen (2020): Pareto Prinzip: So einfach funktioniert die 80-20-Regel.
Abrufbar unter: https://karrierebibel.de/pareto-prinzip/ (zuletzt aufgerufen am 02.06.2022)

Herzliche Einladung: Erzieher*innen-Brunch bei den Tüftlern

Am Samstag, den 10. Dezember, laden „Die Tüftler“ ab 10.30 Uhr zum Erzieher*innen-Brunch ins Kinderhaus in die Gerhard-Kindler-Straße 3 in Reutlingen ein.

In netter Atmosphäre und bei gutem Essen (selbstverständlich auch vegan und alles kostenfrei) können sich interessierte Erzieher*innen mit den element-i Erzieher*innen vor Ort austauschen und das Kinderhaus kennenlernen.

Wer Interesse hat, sein Wirkungsfeld zu verändern oder einfach mal etwas mehr zur element-i Pädagogik erfahren möchte, ist herzlich eingeladen.

Hier geht’s direkt zur Anmeldung.

Sag doch mal was! Ab wann Kinder sprechen und wie Sie sie unterstützen können

Sprache ist der Schlüssel zur Welt. Sie ermöglicht Kommunikation und eröffnet uns den Zugang zum Reich des Wissens. Doch damit Kinder sprechen lernen, benötigen sie Menschen, die mit ihnen reden. Wir geben Einblicke in die Sprachentwicklung und Tipps, wie Sie als Eltern Ihrem Kind beim Erwerb von Sprache helfen können.

„Es hat ‚Ball‘ gesagt!“ Aus dem Gebrabbel Ihres Babys sind erste verständliche Worte geworden. Als Eltern sind Sie zu Recht begeistert von dieser Leistung.

In den meisten Fällen sprechen Kinder ihre ersten Worte im Alter zwischen zwölf und 18 Monaten. Manche starten bereits mit neun Monaten. Andere lassen sich Zeit bis ins dritte Lebensjahr. Wie alle menschlichen Entwicklungsschritte ist auch der Spracherwerb sehr individuell. Daher gilt: Vertrauen Sie Ihrem Kind! Setzen Sie es mit Ihren Erwartungen nicht unter Druck („Sag doch mal …!“). Es findet seinen Weg und seine Zeit.

Kinder sammeln einen Wortschatz 

Kinder bauen ihr Wörterwissen dann fortlaufend aus. Ihr aktiver Wortschatz umfasst mit 20 Monaten in der Regel zwischen 50 und 200 Worte. Außerdem beinhaltet ihre Schatzkiste viele weitere Wörter, die sie verstehen, aber (noch) nicht selbst nutzen.

Die Sprachexplosion

Mit ungefähr zwei Jahren beginnen viele Kinder Wörter zu kombinieren. Sie sagen zum Beispiel „Ball haben“. Es entstehen erste Sätze. Im Anschluss an diesen Entwicklungsschritt passiert etwas Unglaubliches: Ihr Kind lernt jeden Tag ungefähr acht neue Worte dazu. Fachleute sprechen von einer Sprachexplosion. Gleichzeitig erwirbt es die grammatikalischen Regeln der Sprache. Bis es vier Jahre alt ist, gelingt es ihm wahrscheinlich, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden. Um das dritte Lebensjahr herum beginnen Kinder zumeist auch damit, Nebensätze zu konstruieren, und sagen zum Beispiel: „Weil ich das haben will.“

Handlungen nacherzählen 

Auch die Erzählfähigkeit, also die Fähigkeit, eine Handlung in logischer Abfolge wiederzugeben, entwickelt sich schrittweise. Zunächst wirken kindliche Erzählungen unzusammenhängend. Mit etwa fünf Jahren können Kindern dann logisch nachvollziehbare Geschichten erzählen. Abgeschlossen ist die Sprachentwicklung damit nicht. Die wesentlichen Strukturen haben Menschen in der Regel mit etwa sechs Jahren erworben. Doch bis ins Erwachsenenalter verfeinern wir unsere Ausdrucksfähigkeit und erweitern unseren Wortschatz.

Sie können helfen!

Wie gut und schnell Kinder ihre Muttersprache erwerben, hat nicht nur etwas mit ihrer Persönlichkeit und Veranlagung zu tun. Es kommt dabei maßgeblich auf ein sprachanregendes Umfeld an. Das heißt: Sie können Ihr Kind beim Spracherwerb unterstützen.

Sprachvorbild sein 

Ihr Kind erwirbt seine Sprechfähigkeit, indem es Sie nachahmt. Daher ist es wichtig, dass Sie viel mit ihm sprechen und sich ihm dabei zuwenden. Nur so kann es sehen, wie sich Ihr Mund bewegt, wenn Sie Laute bilden, und dies nachmachen.

Erwachsene, die mit Babys reden, verfallen fast unwillkürlich in eine sogenannte Ammensprache. Sie sprechen langsam, machen Pausen, betonen die einzelnen Wörter besonders, wiederholen sie oft und erhöhen die Tonlage. Damit erleichtern sie dem Kind das Verständnis. Zunächst konzentrieren sie sich auf die kindlichen Laute und ahmen diese nach. Dadurch entsteht eine Art vorsprachlicher Kommunikation zwischen Eltern und Kind. Ohne das bewusst zu steuern, passen die erwachsenen Bezugspersonen ihre Sprache Schritt für Schritt der kindlichen Entwicklung an. Sprich: Eltern sind quasi von Natur aus darauf geeicht, ihre Kinder beim Erwerb der Sprache zu unterstützen.

Den Alltag sprachlich begleiten 

Es hilft jedoch, wenn sich Mütter und Väter das bewusst machen und wissen, wie wichtig es für ihr Kind ist, dass sie mit ihm „ins Gespräch“ kommen. Dazu bedarf es keines besonderen Anlasses. Alle Alltagssituationen eignen sich, um mit dem Kind zu reden. Wer sein Kind wickelt, kann ihm dabei erklären, was gerade geschieht und zum Beispiel die Körperteile benennen. Beim gemeinsamen Essen können Sie darauf achten, dass das Kind erfährt, wie die Lebensmittel heißen und wie sich unterschiedliche Geschmacksrichtungen bezeichnen lassen. So erweitert Ihr Kind nach und nach seinen Wortschatz.

Gespräche führen

Sprache dient dem Austausch der Menschen untereinander. Damit Ihr Kind das erleben kann, sollten Sie es als Gesprächspartner ernst nehmen. Lassen Sie ihm Zeit, das zu sagen, was es auf dem Herzen hat – auch wenn es etwas länger dauert. Greifen Sie seine Äußerungen auf und gehen Sie darauf ein. Zunächst wollen Ihrem Kind die Worte noch nicht recht über die Lippen kommen. Vieles können zunächst oft nur Sie als Eltern verstehen. Sie helfen Ihrem Kind, die Wörter richtig sprechen zu lernen, indem Sie sie korrekt in einem kompletten Satz wiederholen. Sagt Ihr Kind zum Beispiel: „Lone haben“. Sagen Sie: „Du möchtest die Melone haben.“

Reime und Lieder nutzen 

Reime, Fingerspiele und Lieder unterstützen Ihr Kind dabei, seine Aussprache zu trainieren und sein Sprachverständnis zu verbessern. Nicht nur Fingerspiele auch Reime und Lieder lassen sich mit Bewegungen kombinieren, die die Bedeutung der Worte unterstreichen. Den meisten Kindern macht es viel Spaß mitzumachen, und die Worte bleiben ihnen dadurch besonders gut im Gedächtnis.

Bücher vorlesen und Geschichten erzählen

Haben Sie selbst als Kind erlebt, dass Eltern oder Großeltern Ihnen vorlasen oder Geschichten erzählten? Dann wissen Sie sicherlich noch, dass das besondere Momente waren: Zeiten, in denen Sie in eine Geschichte eintauchen konnten, Zeiten des kuscheligen Beisammenseins und des geteilten Interesses. Gönnen Sie sich und Ihrem Kind ebenfalls diese Freude. Dazu müssen Sie keine Meisterin oder kein Meister im Vorlesen sein. Ihr Kind wird Ihr Engagement auf jeden Fall schätzen. Manche Eltern erzählen auch einfach Geschichten, die sie in ihrer Kindheit gehört oder gelesen haben, oder denken sich selbst welche aus.

Eisenbahngeschichten

Ich erinnere mich zum Beispiel sehr gerne daran, wie mein Vater früher meinem Bruder und mir davon erzählte, wie die erste Eisenbahn von Nürnberg nach Fürth fuhr. Als ich selbst einen Sohn hatte, war ich fürs Vorlesen zuständig. Mein Mann erzählte ihm Geschichten – zum Beispiel von Bruder Heinz, einer Figur, die seiner Fantasie entsprungen war, und die als Heizer auf einer Dampflok anheuerte. Vielleicht haben Sie ebenfalls Lust Ihre Fantasie spielen zu lassen und eigene Geschichten zu kreieren. Wenn Ihnen die Ideen ausgehen, spinnt Ihr Kind die Handlung sicherlich gerne zusammen mit Ihnen weiter.

Mehr von Eike Ostendorf-Servissoglou

Von Nudeln und Werkstätten –
Alltagsmotorik im Fokus

Durch die Kita zieht der appetitliche Geruch frisch gekochter Tomatensoße. Auf dem gedeckten Tisch dampfen Soße und Nudeln. Alle hungrigen Kinder finden sich auf dem Marktplatz des Kinderhauses ein. Die Mahlzeit kann beginnen. Wenn da nicht eine Frage offen wäre: Wie kommen eigentlich Nudeln auf den Teller, dann auf die Gabel und schließlich in den Mund?

Der Vormittag im Kinderhaus hat begonnen, die Kinderkonferenz ist beendet. Unter anderem findet ein spannendes Projekt in der Werkstatt des Kinderhauses statt. Viele Kinder haben sich dafür entschieden, ins obere Stockwerk in die Werkstatt zu gehen. Doch auch hier ist die Frage: Wie kommt ein Kind hinauf zur Werkstatt und vor allem wie hinein?

Alltagsmotorik: Passiert das alles von selbst?

Einfache Fragen zu alltäglichen Situationen, die jede*r kennt und regelmäßig selbst erlebt. Doch wer hat sich schon einmal damit beschäftigt, wie solch alltägliche Fragen beantwortet werden können?

Hinter der Begrifflichkeit Alltagsmotorik verbergen sich nahezu alle Antworten auf die obenstehenden alltäglichen Fragen. Während sich die inhaltliche Ausgestaltung der pädagogischen Arbeit oftmals mit der Entwicklung der Sportmotorik beschäftigt, fristet der Begriff der Alltagsmotorik oftmals ein Schattendasein. Deswegen werden die Scheinwerfer nun bewusst auf die Alltagsmotorik gerichtet.

Als Alltagsmotorik wird die Gesamtheit aller nötigen Bewegungen bezeichnet, die der Mensch täglich verrichten soll oder muss, um seinen Alltag bewältigen zu können – somit auch das Aufrollen von leckeren Spagetti auf eine Gabel. Alltagsmotorik kann daher als Grundlage für alle weiteren Entwicklungsschritte des Menschen angesehen werden, beispielsweise die oben angesprochene Sportmotorik.

Alltagmotorische Fähigkeiten entwickelt der Mensch im Tun und den individuell anstehenden nächsten Entwicklungsschritten entsprechend. Dabei sind zwei Aspekte von Relevanz:

  1. Die Entwicklung der Alltagsmotorik trifft eine Aussage zum Reife- und Entwicklungsstand eines Menschen.
  2. Die Qualität der genutzten Alltagsmotorik trifft außerdem Aussagen über die individuelle Bewegungsfreude sowie den Entwicklungsgrad des Bewegungsapparats eines Menschen.

Förderung: Kindern einen Rahmen geben

Welche Förderung braucht nun der Mensch zur Entwicklung alltagsmotorischer Fähigkeiten – wenn doch, wie oben beschrieben, eine allmähliche und selbstständige Entwicklung in diesem Bereich stattfindet? Kommt also die Spagetti – mehr oder weniger – von allein in den Mund? Gelangt der Mensch von selbst ins obere Stockwerk in den spannenden Funktionsraum?

Grundsätzlich benötigen Kinder einen begleitenden und unterstützenden Rahmen zur Entwicklung aller motorischen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Je vielfältiger die Materialauswahl, je vielfältiger die Nutzung der räumlichen Möglichkeiten ist, desto mehr Raum bekommt auch die nahezu selbstständig ablaufende Entwicklung der alltagsmotorischen Fähigkeiten. Dabei gilt es den Entwicklungsstand der jeweiligen Kinder im Blick zu behalten. Der Weg führt also vom nicht angeleiteten impliziten Rahmen hin zu komplexeren Bewegungsabläufen.

Die Begleitung der alltagsmotorischen Entwicklung von Kindern setzt also kein didaktisches, wissenschaftliches Wissen voraus, sondern gründet vor allen Dingen auf der Beobachtungsgabe der beteiligten pädagogischen Fachkräfte. Wenn ich Kindern einen impliziten Rahmen gebe, um Auge-Hand-Koordination oder die Feinmotorik der eigenen Hände zu entwickeln, wird auch das Mittagessen mit den schmackhaftesten Nudeln zu einem ebenso sinnlichen wie motorischen Erlebnis für alle Kinder in unseren Kinderhäusern. Diese Beobachtung wiederum schließt alle Wege der Nudel in den Mund ein. So macht auch die Nudel eine Entwicklung durch, die sich gut beobachten lässt. Von den geschnittenen Spagetti, die vielleicht mit der Hand auf den Löffel geschoben werden, hin zu aufgerollten Spagetti, die in Spindelform und mit Soße getränkt den Weg in den Mund finden.

Diese Abläufe spielerisch zu begleiten und im Alltag zu verorten, das war auch die Idee zur Entwicklung der Dibbla-Bewegungskarten durch den VSK. Sie können vielfältig im Alltag eingesetzt werden und geben Kindern die Möglichkeit, auch in Übergängen spannende Bewegungsanreize zu erhalten. Damit kann auch der Weg der Spagetti in den Mund oder der Weg hin in die Werkstatt bereits zu einem Lernraum für Kinder werden, der intuitiv am einzelnen Kind ansetzt.

Mehr von Jacob Hesselschwerdt 

Kreative Energiebündel

Kunst einmal ganz anders erleben – das konnten die Kinder des element-i Kinderhauses Energiebündel bei einem Workshop mit dem Performancekünstler und Bildhauer Thomas Putze in den Wagenhallen in Stuttgart. Ausgangspunkt war ein Kunstprojekt in der Kita zum Thema Mensch, bei dem die Kinder auf unterschiedlichen kreativen Wegen Kunstwerke wie Selbstporträts und Figuren erstellen durften. Um die Möglichkeiten der Kinder zu erweitern und neue Impulse zu setzen, entstand bei Quereinsteiger Uwe Trentsch die Idee, mit den Kindern das Atelier eines Künstlers zu besuchen. Insgesamt konnten sich zwei Gruppen von jeweils etwa acht Kindern, begleitet von Pädagog*innen und Eltern, an unterschiedlichen Tagen auf das große Abenteuer “Kunst” begeben.

Mit der U-Bahn fuhren die Gruppen zu den Stuttgarter Wagenhallen. Dort befindet sich das Atelier von Thomas Putze. Die Kinder waren bereits vom Außenbereich des Ateliers beeindruckt, wo es eine riesige Ansammlung von Material gab, die auf den ersten Blick ein bisschen wie eine Anhäufung von Sperrmüll wirkte. Dem ein oder anderen Erwachsenen kam dabei vielleicht der Buchtitel „Ist das Kunst oder kann das weg?“ von Steen T. Kittl und Christian Saehrendt in den Sinn. Stellt sich doch eine wichtige Frage: Wie nehmen wir Kunst wahr und wie kann man sich künstlerisch ausdrücken? Welche Grenzen setzen wir uns als Erwachsene vielleicht selbst, aber auch den Kindern unbewusst?

Im Atelier hatte Thomas Putze bereits eine grobe Holzskulptur auf Kinderhöhe vorbereitet, an der sie sich nun nach Herzenslust kreativ austoben durften. Nach was sieht die Figur aus, ist das hier eine Hand und hier der Kopf? Die Kinder bedienten sich am Sammelsurium an Materialien des Künstlers und bestückten damit die Skulptur. Dabei setzten sie sich unter anderem damit auseinander, Materialien auszuwählen und diese entsprechend zu platzieren. Eine greifbare Erfahrung von Kunst durch Bauen und Konstruieren.

„Es war sehr schön, die Entwicklung der Kinder in dieser kurzen Zeit zu beobachten. Da waren ganz unterschiedliche Charaktere dabei, teilweise sehr zurückhaltend und ängstlich, andere wiederum gleich mit voller Energie sich auf alles stürzend, was sie finden konnten”, berichtet Uwe Trentsch, einer der Projektbegleiter fasziniert. „Wann können die Kinder denn Kunst wirklich einmal leben und erleben. Nun haben sie die Möglichkeit, sich über die Grenzen der eigenen Welt zu bewegen und sich nicht um Formen oder Farben bemühen zu müssen, auch nicht um akkurate Linien oder das Ausmalen innerhalb vorgegebener Begrenzungen.“

Im Anschluss konnten beide Gruppen jeweils auf Entdeckungsreise in den Wagenhallen gehen und ein leckeres Mittagessen genießen. Im Anschluss wurde noch gemeinsam nach einem Namen für die entstandenen Skulpturen gegrübelt.

Die so getauften Holzskulpturen „Karl-Lea“ und „Jamie-Bond“ sowie die anderen im Kinderhaus gestalteten Kunstwerke wurden dann beim Kinderfest der EnBW am 10. September ausgestellt.

       

    

Quereinstieg bei element-i: Arbeitswelt-Portal Interview

Auf der Website Arbeitswelt-Portal gibt ein spannendes Interview zum Thema Quereinstieg mit Konzept-e Geschäftsführer Clemens M. Weegmann und Quereinsteiger Orkan Tan zu lesen.

Clemens M. Weegmann erzählt dem Portal, weshalb man sich innerhalb des Trägers für Quereinsteigende entschieden hat, wie die Integration in den neuen Berufsalltag aussieht und welchen Herausforderungen sowie Chancen man dabei entgegen blickt.

Vertieft wird das Thema von unserem Quereinsteiger Orkan Tan, über den wir auch bereits im FDFP Magazin berichtet hatten. Er erzählt von seinen eigenen Beweggründen und Erfahrungen und dem Tagesablauf in der Kita.

Das ganze Interview gibt es hier zu lesen: https://www.arbeitswelt-portal.de/fachkraeftesicherung/artikel/quereinsteiger-bringen-spezialkenntnisse-und-stabilitaet-ein

Was ist Hochsensibilität?

Der Begriff „high sensitive person“ (kurz: HSP) wurde in den 1990er Jahren von der amerikanischen Psychologin Elaine N. Aron geprägt. Sie beschrieb Grundstrukturen der Hochsensibilität, die heute (in den USA) als eigenständiges Persönlichkeitsmerkmal wissenschaftlich anerkannt sind. Sie fand heraus, dass die Wahrnehmungen der HSP detailreicher sind als die anderer Personen und eine tiefere Verarbeitung der Eindrücke stattfindet. Auch der natürliche Wahrnehmungsfilter ist – laut Aron – bei hochsensiblen Personen weniger ausgeprägt.

Hochsensibilität ist eine Veranlagung, die etwa 20% der Bevölkerung betrifft. Sie ist nach heutigem Wissensstand überwiegend angeboren, wird meist vererbt oder kann laut Persönlichkeitspsychologie durch traumatische Erlebnisse erworben werden. Hochsensibilität äußert sich von Geburt an und kann nicht willentlich geändert werden. Eine allgemeingültige Definition der Hochsensibilität gibt es zurzeit nicht. Sicher ist nur, dass es sich nicht um eine Krankheit, sondern um eine Wahrnehmungsbegabung handelt.

Die Tendenz zur Überstimulation mit unterschiedlichen körperlichen und psychologischen Symptomen (z.B. Überreiztheit, Nervosität oder erhöhter Puls) kann als die allgemeingültigste Gemeinsamkeit aller HSP benannt werden. Neben Elaine N. Aron erforschten auch andere Wissenschaftler die Hochsensibilität: der Psychoanalytiker C. G. Jung (1875–1961), der Neurologe und Physiologe Ivan Pawlow (1849–1936) sowie der Psychologe Jerome Kagan (1929–2021).

Merkmale hochsensibler Menschen

Hochsensible Menschen können eine Auswahl der untenstehenden Merkmale auf sich vereinen, die nicht alle gleichermaßen auftreten müssen. Dabei ist die folgende Liste an sich nicht vollständig: 

  • sehr feine, detaillierte Wahrnehmung (z.B. Geräusche, Luftqualität, optische Eindrücke) 
  • lebhafte Vorstellungskraft 
  • das Streben nach Vollkommenheit 
  • erhöhte körperliche Empfindlichkeit
  • subtile Wahrnehmung der inneren Welt (eigene und der der anderen), manchmal außersinnliche Wahrnehmungen
  • Lernfähigkeit bis ins hohe Alter
  • gute Fähigkeit zum Zuhören
  • Empfindlichkeit bei Druck, Hitze, Kälte
  • verstärkte Reaktion auf Substanzen wie Medikamente und Alkohol
  • ausgeprägte Intuition
  • enorme Gewissenhaftigkeit
  • ausgeprägter Ethik- und Gerechtigkeitssinn
  • Reflexion der eigenen Gedanken (Sie denken über das Denken nach)

Typologie hochsensibler Personen

Hochsensibilität ist nur ein Oberbegriff über die zu differenzierende Typologie der HSP, denn nicht alle HSP sind gleich. Es gibt Unterscheidungen der Charaktere sowohl in den Vorlieben als auch in den Stärken, im Arbeitsstil und in der Stressverarbeitung. Die Charakter-Typologie geht auf den Psychologen C. G. Jung zurück. Jung war der Ansicht, menschliches Verhalten sei nichts Zufälliges und ist somit klassifizierbar. Unterschiedliches Verhalten resultiere aus verschiedenen Präferenzen der Menschen, die schon früh im Leben festgelegt werden bzw. teilweise angeboren sind. Sie bilden die Grundlage unserer Persönlichkeit. Nach Jung gibt es acht Präferenzmodelle, d. h. acht verschiedene psychologische Typen, deren Kombination den Charakter des Menschen prägt und über wissenschaftlich fundierte Persönlichkeitstests ermittelbar ist.

Hochsensibilität im sozialen Umfeld

Jeder Mensch ist anders, aber wir gehen sehr oft davon aus, dass alle anderen auf die gleiche Weise empfinden und wahrnehmen wie wir selbst. Wir wundern uns darüber, dass die Mitmenschen dann doch ganz anders „ticken“. HSP stoßen oft auf Unverständnis – für ihr Handeln und ihr „So-Sein“ – und stellen ihre Wesensart sehr häufig infrage. Aussagen wie: „Stell´ dich nicht so an!“, „Sei nicht so empfindlich!“ oder „Was du wieder hast!“ sind ihnen äußerst vertraut. Nicht-HSP haben dafür hingegen wenig Anlass, sich in Frage zu stellen, weil sie sich als konform mit der Mehrheit der Menschen empfinden. Demzufolge halten sie sich für normal. Im Umkehrschluss wird die HSP häufig als „unnormal“ wahrgenommen. Doch Hochsensibilität ist nicht gleichzusetzen mit introvertiert, ängstlich oder wenig sozialisiert zu sein.  

Es gibt unterschiedliche Ausprägungen der Hochsensibilität. Z.B. gibt es die High Sensation Seeker (HSS), die hochsensiblen Abenteurer. Sie suchen Herausforderungen und kommen kaum zur Ruhe. Sie zeigen wenig Angst, sind unternehmungslustig und aufgeschlossen gegenüber Neuem. Ihr extrovertiertes, aktives Verhalten lässt sie schnell die eigenen Grenzen überschreiten. Sie werden müde und spüren eher spät oder zu spät, dass sie sich in Gefahr bringen können, weil sie erschöpft sind. Die Folge kann sein, dass sie sich unverstanden fühlen, jedoch nicht mit Rückzug reagieren. Sie sind auf der Suche nach dem nächsten Kick und wollen alles Neue unbedingt ausprobieren.

Hochsensibel im Beruf

Auch HSP haben die gleiche Arbeitsumgebung wie ihre Nicht-HSP-Kollegen. Sie erleben diese nur mit erheblich mehr Reizen. HSP gehen perfektionistisch an ihre Aufgaben heran und stellen an sich selbst sehr hohe oder überhöhte Ansprüche. Sie wollen die (vermeintlichen) Erwartungen anderer unbedingt erfüllen, tun sich schwer mit Nein-Sagen und Sich-Abgrenzen und wollen unbedingt mit anderen Schritt halten. Dabei nehmen sie Eindrücke intensiver wahr und verarbeiten diese länger. Während des Noch-Verarbeitens nehmen sie neue Eindrücke auf, die wiederum verarbeitet werden müssen. Dadurch geraten HSP früher in einen Ermüdungszustand, was häufig am Übergang von Kurzzeit- zu Langzeitstress sowie an den entsprechenden hormonellen Reaktionen (Adrenalin, Cortisol) liegt. Hochsensible Menschen sollten unbedingt auf sich Acht geben und auf ihr sensibles Wesen Rücksicht nehmen. Das heißt jedoch nicht, dass sie Herausforderungen vermeiden sollten, denn ihr Talent ist wertvoll.

Was bedeutet Hochsensibilität in der pädagogischen Arbeit?

Hochsensible Kinder (HSK) kämpfen im Alltag häufig mit besonderen Herausforderungen. Das Erkennen von Signalen und Verhalten, wie z.B. die Empfindlichkeit auf bestimmte Textilien oder Geräusche, kann der erzieherischen Person helfen, dem Kind eine passende Umgebung zu ermöglichen. HSK benötigen meist mehr Zeit für die Verarbeitung ihrer Lernimpulse. Rückzugsorte, in denen auch Ruhephasen möglich sind, wirken einer Überstimulation entgegen. Die größten Stärken von HSK sind ihr Mitgefühl, ihre hohe Intuition und das Erkennen von Stimmungen. Aufgrund ihrer Empathie haben sie eine Abneigung gegen Gewalt und setzen sich oft für Schwächere ein.  

Nicht nur Laien verwechseln Hochsensibilität leider häufig mit den Krankheitsbildern AD(H)S oder dem Asperger-Syndrom. Eine HSP kann Emotionen fühlen, tiefe Gefühle entwickeln und eine starke Empathie zeigen. Eine Person mit der Diagnose AD(H)S besitzt ein intensives, impulsives Gefühlsleben, fühlt sich schnell verletzt, ungerecht behandelt und erträgt keine Langeweile. Personen mit dem Asperger-Syndrom besitzen eine mangelnde Empathie, sind emotional verletzbarer und wirken eher rational. Wer Hochsensibilität erkennt, kann seinem Gegenüber eine gewinnbringende Unterstützung in der Entwicklung und im Alltag sein.

Mehr von Barbara Schmieder

Literatur 

Aron, Elaine N. (2019): Das hochsensible Kind – Wie Sie auf die besonderen Schwächen und Bedürfnisse Ihres Kindes eingehen. 9. Auflage. mvg: München 

Aron, Elaine N. (2021): Sind Sie hochsensibel? Wie Sie Ihre Empfindsamkeit erkennen, verstehen und nutzen. 15. Auflage. mvg: München

Den Kinderrechten auf der Spur

Kinder haben Rechte. Schon seit über 30 Jahren. Wussten Sie nicht? Viele Menschen in Deutschland wissen das leider auch (noch) nicht. Aber: Kinderrechte sind Menschenrechte. Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes gehört zu den internationalen Menschenrechtsverträgen der Vereinten Nationen (UN). Die Kinderrechtskonvention wurde am 20. November 1989 von der Generalversammlung der UN verabschiedet.

Und weil viele es nicht wissen, ist es der element-i Bildungsstiftung eine Herzensangelegenheit, die Kinderrechte bekannter zu machen und deren Einhaltung zu fördern. Wir sind der Meinung, dass demokratisch handeln eben auch heißt, Kinder – wo immer es möglich und ihrer Entwicklung angemessen ist – teilhaben zu lassen. Als Erwachsene müssen wir anerkennen, dass Kinder in alle Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, einbezogen werden sollten. Wir müssen aber noch mehr tun, als Kindern ihre Rechte zuzugestehen – wir müssen diese auch wahren und dafür einstehen.

Für element-i Pädagog*innen gehört es bereits seit vielen Jahren zum Selbstverständnis, für Kinderrechte einzustehen. Und da Kinder viel Zeit in pädagogischen Einrichtungen wie Kita, Schule oder Hort verbringen, möchten wir auch Einrichtungen außerhalb unseres Trägernetzwerks und deren Fachkräfte dabei unterstützen, die Kinderrechte im Alltag umzusetzen und dafür einzustehen.

Mitmach-Aktion: Den Kinderrechten auf der Spur

Gemeinsam mit unserem Kooperationspartner „Kinderpartizipation Württemberg“ haben wir ein Projekt angestoßen, in welchem Sie als pädagogische Fachkraft die Chance haben, sich gemeinsam mit den Kindern den Kinderrechten zuzuwenden und darüber auszutauschen.

Schlüpfen Sie mit den Kindern in die Rolle von Detektiv*innen und sammeln Sie dort „Spuren“, wo ein Kinderrecht besonders gut gewahrt wird oder wo es vielleicht Aufholbedarf gibt. Das kann innerhalb der eigenen Einrichtung passieren oder auch im sozialen Umfeld der Kinder sein. Worum es genau in dem Projekt „Der Kinderrechte-Check: Kinderrechten auf der Spur“ geht und was Sie damit tun können, erklären wir Ihnen auf unserer Webseite.

Mit Kindern über ihre Rechte sprechen

In Begleitung zur Aktion, aber auch zum späteren, dauerhaften Einsatz, haben wir das Reflexionspapier „Kinder haben Rechte – lasst uns darüber reden!“ entwickelt. Es enthält neben kindgerechten Erklärungen zu den zehn wichtigsten Kinderrechten eine Sammlung von Fragen, über die Sie mit den Kindern – sowie untereinander – ins Gespräch kommen können.

Wir sind uns sicher, wenn wir Kinder im Bewusstsein auf ihre Rechte auf ihrem Bildungs- und Entwicklungsweg begleiten, können sie ihre Potenziale voll ausschöpfen und zu starken, ausdauernden, kreativen und liebevollen Persönlichkeiten heranwachsen, die sich und die Welt reflektieren und Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.

Hier geht’s zum Kinderrechte-Check!

 

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