Die Garderobe – ein Ort zwischen zwei Welten 

Die Garderobe ist einer der wesentlichen Orte, an dem die Lebenswelten der Kinder bzw. ihrer Familien und die der Kita für kurze Zeit zusammenfließen. Hier befindet sich das Kind mit seinen Eltern, als Verkörperung der Familie, in der Umgebung der Kita; Eltern wie Kind nehmen einen ersten Kontakt mit der Einrichtung und im besten Fall einer Pädagog*in auf. Wie gelingt es, diesen täglichen Übergang in zwei Richtungen gut zu gestalten? Welche Rolle nehmen die Pädagog*innen dabei ein? Inwiefern unterstützt eine gute Gestaltung der Garderobe diesen Übergang? 

Der erste wesentliche Schritt ist es, sich diesen täglichen Übergang für die Kinder bewusst zu machen und zu berücksichtigen, welche enorme Anpassungsleistung die Kinder zweimal täglich (beim Bringen und Abholen) machen und diese Leistung zu schätzen. Hinzu kommt, dass der Übergang nicht nur vom Kind bewältigt wird, sondern auch von den Eltern. Sie geben morgens ihr Kind in die Hände von zwar vertrauten, aber doch fremden Personen und holen es nach einem Tag voller Erlebnisse und Eindrücke wieder ab. Und auch die Eltern erleben einen Übergang: raus aus den Familien und hinein in die Arbeitswelt und wieder zurück. Begrenzte Zeitressourcen, Stress und Hektik mit eingedacht.  

Nimmt man die verschiedenen Perspektiven ein, kommt der pädagogischen Fachkraft, die das Kind empfängt, und der Garderobe als erster und letzter Eindruck des Kindergarten-Tages eine bedeutende Rolle zu. Im Folgenden sind Gedanken aus den unterschiedlichen Perspektiven gesammelt, die für den Übergang und dessen Gestaltung und Begleitung essenziell sein können.  

Kind

  • Finde ich mich im Garderoben-Raum zurecht? Weiß ich, wo mein Platz ist und wo ich meine Sachen finde? Oder muss ich alles erst suchen? 
  • Hat die Erzieher*in mich gesehen und angesprochen? Möchte die Erzieher*in, dass ich in die Kita komme?  
  • Wo finde ich meine Freund*innen? Wohin kann ich gehen? Ist meine Lieblings-Erzieher*in schon da? 
  • Ob Mama mich noch ein Stück begleitet oder Papa? Oder muss ich mich hier schon verabschieden? 
  • Ich brauche noch ein wenig körperliche Wärme, vielleicht darf ich auf einen Schoß? 

Eltern

  • Habe ich mir genug Zeit eingeplant, um den Übergang mit meinem Kind gemeinsam zu gehen? 
  • Bin ich fokussiert und konzentriert, um mein Kind bei dem Übergang zu begleiten? Plane ich gedanklich schon den nächsten Termin und warte auf einen wichtigen Anruf? 
  • Welche Anforderungen kann ich an mein Kind in dieser Transition stellen? Ist es den Anforderungen in dieser Situation gewachsen? Oder birgt es Konfliktpotential für uns beide? 
  • Kann ich Kontakt zu anderen Eltern hier aufnehmen und mit ihnen ins Gespräch kommen?  
  • Kann ich (beim Abholen) in der Garderobe mit meinem Kind ins Gespräch über den anstehenden Tag gehen oder mir berichten lassen, was es den Tag über erlebt hat? 
  • Wen spreche ich an, um Informationen über mein Kind weiterzugeben? Kann ich mir sicher sein, dass sie weiter kommuniziert werden? 
  • Woher erhalte ich Information über den Tag meines Kindes? Wie geht es mir damit, wenn die anwesende Fachkraft mir keine ausreichenden Informationen geben kann? Kann ich bis zum nächsten Tag auf die Information warten? 
  • Wie geht die Fachkraft mit den Kindern um? Ist sie so (freundlich, zugewandt, kühl o.ä.) auch zu meinem Kind? 

Mitarbeiter*in

  • In welcher Verfassung kommen Kind und Elternteil in die Einrichtung? Was hat sich vorher zu Hause ereignet? Was steht am Nachmittag noch auf dem Programm? 
  • Gelingt mir eine der Stimmung entsprechende und gleichzeitig positiv wirkende Ansprache von Eltern und Kind? Wer begrüßt wen? 
  • Gelingt es mir alle Eltern und alle Kinder individuell anzusprechen und damit wahrzunehmen? Welche Augenhöhe brauchen Kind und Elternteil?  
  • Habe ich die organisatorischen Themen im Blick: Telefon, Anwesenheitslisten u. ä. 
  • Wie geht es mir in Stoßzeiten, in denen viele Eltern-Kind-Paare kommen und ggf. noch organisatorische Themen zu regeln sind?  
  • Wer informiert wen? Welche Informationen kann ich nachmittags über das Kind weitergeben? Habe ich die wichtigen Infos zu den einzelnen Kindern im Blick? Wie gehe ich damit um, wenn ich von den Erlebnissen des Kindes nur wenig berichten kann? 
  • Welchen Blick habe ich auf die Eltern im Rahmen einer Erziehungspartnerschaft? Strahle ich die Wertschätzung der Eltern als Expert*innen ihrer Kinder aus? Gelingt es mir, auf „Randinformationen“ professionell einzugehen? Gelingt es mir, echtes Interesse an den Belangen und Bedürfnissen der Eltern zu zeigen? 
  • Wie gehe ich mit Konflikten in den Übergangssituationen zwischen Elternteil und mir um? Kann ich mir ggf. die Zeit nehmen, mich direkt mit dem Elternteil zusammenzusetzen? Wann ist es sinnvoller, auf ein anderes Gesprächs-Setting verbindlich zu verweisen? 
  • Darf ich das Kind bei einer schwierigen Trennung aktiv dem Elternteil abnehmen? Vermittle ich dem Elternteil genug Sicherheit, dass das Kind bei uns gut aufgehoben ist und wir seine Bedürfnisse sehen und ihnen nachkommen?  
  • Welche Hilfestellung kann und darf ich Eltern gerade in Konfliktsituationen mit ihrem Kind geben?  
  • Wie ist mein und unser Blick auf die Bring- und Abholphasen? Ist das eher eine Durchlaufstation oder die Möglichkeit einer gelingenden Erziehungspartnerschaft und einer Beziehung zum Kind? 
  • Wie ist die personelle Dichte in den Bring- und Abholzeiten? Welche Schritte im Tagesablauf stehen an? Sind nachmittags schon die Stühle hochgestellt? Welche anderen Aktivitäten finden in diesen Phasen statt? 
  • Wie geht es mir damit, wenn Eltern sich auf einen Schwatz mit einem anderen Elternteil einlassen? Fühle ich mich unter Beobachtung?  
  • Wie dienen Tür- und Angel-Gespräche einem wachsenden Verständnis der Eltern für unsere pädagogische Arbeit und für das Lernen ihres Kindes? 
  • Habe ich die Eltern im Blick, die sonst versuchen Gesprächen mit uns als Fachkräften auszuweichen? Gelingt es mir, diese in ein Gespräch einzubinden und ihnen ein Gefühl des Willkommen-Seins zu vermitteln? 
  • Woran erkennen Eltern, dass ich mich ihnen zuwende, Interesse habe und den Übergang für ihr Kind und sie gemeinsam mit ihnen gestalten möchte? 

Raum

  • Welche Elemente schaffen ein Willkommens-Gefühl für Eltern und Kinder? 
  • Wirkt der Raum sortiert und strukturiert? Oder ist der Raum eher so, dass selbst die Mitarbeiter*innen sich nicht zurechtfinden? Wie soll das im letzteren Fall den Kindern und Eltern gelingen? 
  • Ist genug Platz für die Dinge, die das Kind alltäglich braucht und die die Eltern nicht jeden Tag aufs Neue in die Kita mitbringen wollen (Matschhose, Gummistiefel etc.)? 
  • Bietet die Garderobe bzw. der Eingangsbereich alle relevanten Informationen (Team, Träger-Infos, Ansprechpartner*innen, Informationen von Eltern für Eltern und aus dem Stadtteil, evtl. Speiseplan) für die Eltern übersichtlich auf einen Blick? Welche Informationen sind so wichtig, dass sie mündlich weitergegeben werden sollten? Wo gelingt eine gute Kommunikation miteinander? 
  • Erhalten die Eltern hier bereits einen Einblick in den Kita-Alltag (durch Bilder, Dokumentationen etc.) oder sogar detailliert in den Tagesablauf? Bedenken Sie, dass die Eltern auch sonst nur die Abholsituationen im Kita-Alltag miterleben und mehr Einblick sinnvoll sein kann. Welchen Überblick erhalten die Kinder hier, was gerade in der Einrichtung los ist, wohin sie gehen können? 
  • Gibt die Gestaltung der Garderobe den Eltern die Möglichkeit, miteinander ins Gespräch zu kommen? 
  • Finden sich in der Gestaltung der Garderobe die Familien wieder? Sprechen wir alle Familien an? 
  • Wie „leicht“ kommen Eltern in die Kita? Ist der Eingang gut zu finden und der Eintritt zugänglich? 
  • Wie ist der Eindruck der Eltern vom Eingangsbereich und der Garderobe? 

Bei genauer Betrachtung der Perspektiven wird deutlich, dass die große Stellschraube bei der Gestaltung und Begleitung des Übergangs bei den Fachkräften liegt. Zum einen sind sie für die räumliche Gestaltung der Garderobe zuständig und können damit gleich bei Betreten der Einrichtung für Wohlbefinden und Ankommen sorgen. Zum anderen ist das Zugehen der Fachkraft auf Eltern und Kind ausschlaggebend für das Gelingen des Übergangs. Die oben aufgeführten Fragen helfen dabei, die Perspektive zu wechseln und Verständnis für den jeweils anderen zu entwickeln. Die Fragen können auch und vor allem für die eigene Reflexion und die Reflexion mit den Kolleg*innen und /oder dem Team dienen.  

Dieser Übergang findet jeden Tag statt und ist an jedem Tag ein bedeutender Übergang. Eine ungünstig gestaltete Begrüßung am Morgen wirkt sich nicht selten ungünstig auf den Tagesverlauf des Kindes aus. Daher ist ein regelmäßiger Abgleich der unterschiedlichen Perspektiven unerlässlich. Neben den genannten Reflexionsfragen ist es ratsam, sich den Aufgaben der einzelnen Akteure in diesen Übergängen zu widmen. Sicherlich findet man Aspekte, die sich optimieren lassen.  

Ein Perspektivwechsel eignet sich zudem als Thema für Elternabende. Das Team erlangt Erkenntnisse über das Denken, Wahrnehmen und die Bedürfnisse der Eltern und Kinder.  

Mehr von Anja Burger

„Kinder brauchen Zeug zum Spielen“

Plüschtiere, Puppen, Autos, Schiffe …: Die meisten Kinderzimmer sind voll mit buntem Spielzeug. Kitas sehen dagegen oft vergleichsweise spartanisch aus. Denn hier hat Zeug zum Spielen Vorrang vor klassischem Spielzeug. Anja Burger aus dem pädagogischen Leitungskreis des Konzept-e Netzwerks erklärt, was es damit auf sich hat und gilt Tipps für die Kinderzimmerausstattung.

Aus Stühlen und Decken Höhlen bauen, das Fach mit den Plastikdosen ausräumen, Knöpfe nach Farben sortieren – fast alle Menschen kennen solche oder ähnliche Spielerfahrungen aus ihrer Kindheit und sind begeistert, wenn sie daran denken. Die geschilderten Situationen haben eines gemeinsam: Die Kinder gebrauchen kein fertiges Spielzeug, sondern bedienen sich anderen Zeugs, das sie für ihre Zwecke umfunktionieren. Spielzeug ist also nicht gleich Spielzeug. Fachleute aus der Pädagogik unterscheiden daher zwischen Spielmaterial, Spieldingen und Spielzeug.

Spielmaterial

Unter Spielmaterial sind zum Beispiel Dinge aus der Natur zu verstehen, die Kinder gerne zum Spielen verwenden. Sie nutzen Äste, Stöcke, Steine, Blätter, Sand und Erde. Im Spiel werden daraus Menschen, Autos, Nahrungsmittel… alles, was man sich vorstellen kann. Auch (Verbrauchs)-Materialien wie Papier, Pappe, Röhren, Kreppband, Becher oder Holzklötze fallen in die Kategorie „Spielmaterial“.

Spieldinge

Spieldinge sind Alltagsgegenständen, die Kinder zum Spielen nutzen – also die besagten Plastikdosen, die Knöpfe oder Decken. Manche dieser Gegenstände sind sehr vielfältig einsetzbar und lassen sich je nach Spielidee umdeuten. Andere Gegenstände, zum Beispiel ein ausrangiertes Telefon, alt Hüte oder Schuhe, sind weniger offen für Interpretationen. Kinder nutzen sie jedoch gerne, um in Rollenspielen die Erwachsenenwelt nachzunahmen.

Spielzeug

Unter Spielzeug verstehen Fachleute nur die Dinge, die zum Zweck des Spielens hergestellt wurden, zum Beispiel Puppen, Spieltiere oder -autos. Im Gegensatz zu Spielmaterial und Spieldingen sind diese Sachen sehr festgelegt. Sie lassen wenig Raum für Fantasie und Interpretation. Es ist daher oft zu beobachten, dass Kinder eines Spielzeugs schnell überdrüssig werden.

In Kitas gilt: Vorrang für Spielmaterialien und -dinge

Kindertagesstätten achten darauf, den Schwerpunkt auf Spielmaterial und Spieldinge zu legen und Spielzeug nur in begrenztem Umfang anzubieten. „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass dies die Kinder stärker zum kreativen Spielen auffordert“, sagt  Anja Burger, die im pädagogischen Leitungskreis des Konzept-e Netzwerks für die Themenfelder Räume & Material zuständig ist. „Uns ist es wichtig, dass Materialien möglichst vielfältig einsetzbar sind. Ein Beispiel: Ein Autoteppich, auf dem Straßen, Häuser und Parkplätze zu sehen sind, lässt kaum Freiraum für eigenen Gestaltung. Besitzt ein Raum einen einfarbigen Teppich, auf dem Kinder mit Kreppband eigene Straßen markieren können, ist dagegen ihre Fantasie und Kreativität gefragt. Sie können ihre Straßen auch immer wieder umgestalten, und das Spiel bleibt interessant.“ Ein weiteres Beispiel: Statt eines fertigen Spiel-Parkhauses, das wenig Spielvarianten zulässt, bieten Kitas zuweilen Pappröhren an, durch die Autos flitzen können. Damit können die Kinder ganz unterschiedliche Szenarien aufbauen und erproben. Die Röhren lassen sich zum Beispiel auch zu Murmelbahnen oder zu Türmen zusammensetzen oder beim Piratenspiel als Fernrohre nutzen. „Bei solchen Bau-Materialien ist es uns wichtig, dass genug davon vorhanden ist, damit die Kinder aus dem Vollen schöpfen und ihre Visionen realisieren können,“ erklärt die Pädagogin.

Das geht auch im Kinderzimmer

Für das Kinderzimmer zu Hause können sich Eltern gut an diesem Vorbild orientieren. Auch dort gilt: Vielfältig einsetzbare Materialien sollten die erste Wahl sein. Sie besitzen einen höheren Spielwert und haben einen weiteren Vorteil: Sie wachsen quasi mit. Während Kinder aus klassischem Spielzeug schnell „herauswachsen“, können sie Materialien und Dinge, die weniger festgelegt sind, einfach neu interpretieren, so dass sie zu ihrem Entwicklungsstand und den aktuellen Interessen passen.

„Weniger ist mehr“ …

… lautet ein weiterer Tipp der Pädagogin. Zu viel Zeug lenke die Kinder ab. Es falle ihnen schwerer, sich auf ein Spiel einzulassen. Anja Burger rät Eltern daher, Spielzeug, das aktuell uninteressant ist, einfach eine Zeit lang wegräumen. So schaffen sie mehr Luft und Klarheit im Kinderzimmer. Änderten sich die Interessen des Nachwuchses könnten die Eltern die angebotenen Dinge einfach austauschen.

Ordnung tut gut

Wenn’s in ihrem Zimmer aussieht, als habe eine Bombe eingeschlagen, machen sich auch Kinder lieber dünne. Ordnung und Struktur helfen ihnen, Spielmöglichkeiten zu erfassen, eine Wahl zu treffen und auch dabei zu bleiben. „Das heißt nicht nur, dass der Boden zum Spielen frei sein sollte“, sagt Anja Burger. „Es ist auch vorteilhaft, wenn Materialien und Spielzeuge so verstaut sind, dass das Kind sie unkompliziert finden und nutzen kann. Einfach allen Puppenkram in eine große Box zu werfen, macht es zum Beispiel oft bereits schwer, bestimmte Dinge schnell wiederzufinden.“

Auch hier zeigt sich also: Weniger ist mehr. Und fehlt der Puppe die passende Kleidung, lassen sich Kinder etwas einfallen. „Ich habe mir früher aus Papiertaschentüchern Anziehsachen für meine Barbiepuppe gebastelt. Das hat viel mehr Spaß gemacht, als wenn ich einfach ein fertiges Röckchen aus der Schublade gezogen hätte“, erinnert sich Anja Burger.

Pädagogischer Fachtext zum Weiterlesen:

Anja Burger, „Räume und Material: Zur Bedeutung einer guten Gestaltung“

https://www.element-i.de/magazin/raeume-und-material-zur-bedeutung-einer-guten-gestaltung/

Mehr von Eike Ostendorf-Servissoglou

Tiere mit der Wildkamera beobachten

Im element-i Kinderhaus Spatzennest haben sich die Kinder mit dem Thema „Spuren von Tieren“ beschäftigt. Der Impuls kam von einem Jungen, der ein Detektiv sein und die Spuren der Tiere im Garten erforschen möchte. Daraus hat sich ein Projekt entwickelt. Mit großen Lupen und Becherlupen ausgerüstet, machten sich die Kinder auf die Suche nach Spuren in dem Garten. Hinweise auf das Vorhandensein von Tieren und Menschen auf dem Kitagelände wurden überall gefunden, gesammelt und ganz genau untersucht. Gefunden wurden unter anderem: Federn, Schneckenschleim, eine Haarspange, angeknabberte Zapfen, Gewöll, Müll, Spinnennetze, Kreidezeichnungen, ein toter Igel und Tierkot.

Es stellte sich die Frage, von welchen Tieren die vielen Spuren sind. Oft verschwinden die Tiere, wenn die Kinder im Garten spielen und lassen sich deshalb nicht so gut beobachten. Um das uns bisher verborgene Leben der Tiere in unserem Garten besser beobachten zu können, liehen wir uns für zwei Wochen drei Wildkameras von einem Jäger aus.
Bevor wir diese im Garten platzierten, beschäftigen sich die Kinder intensiv mit Tierspuren: Wo finden sich die Spuren? Wie kann man bestimmen, von welchen Tieren diese Spuren stammen? Dazu benutzen die Kinder Bestimmungsbücher und -karten.

Wir testeten die Kameras an verschiedenen Orten im Garten und nutzen die unterschiedlichen Einstellungsfunktionen der Kameras. Jeder Kita-Tag in diesen zwei Wochen startete für uns mit der Sichtung der Speicherkarten am Laptop. Beinahe täglich bekamen wir Aufnahmen von unterschiedlichen Tieren. Wir begleiteten das Projekt mit Impulsen in verschiedenen Bildungsbereichen.
Die Kinder und auch wir pädagogischen Fachkräfte sind weiterhin fasziniert von den Aufnahmen und wie sich der eigene Blick auf die Umgebung und das Thema Spuren verändert. Das absolute Highlight ist die Videoaufnahme von einem Fuchs, der nachts durch den Garten streift. Die Kinder beschäftigten sich intensiv mit dem Fuchs, wovon er sich ernährt und wie er lebt. Die Kinder überlegten sogar, unsere Kita von „Spatzennest“ in „Fuchsbau“ umzubenennen.

Nachdem wir die Kameras an den Jäger zurückgegeben haben, haben wir fürs Kinderhaus eine eigene Wildkamera gekauft und nehmen damit Bilder von verschiedenen Vögeln auf. Aktuell versuchen wir, Waschbären vor die Kamera zu bekommen. Eine Frau aus der Nachbarschaft hat berichtet, dass die Waschbären in den umliegenden Gärten ihr Unwesen treiben.
Bei Interesse kann die Kamera bei uns ausgeliehen werden, Hilfestellung bei der Installation und Bildanalyse inklusive.

Autorin: Kerstin Jung

Literaturtipps

Deutsche Wildtier Stiftung (2017) (Hrsg.): Guck mal, wer lebt im Wald? Naturführer in Bildern. Neunmalklug Verlag: Lahr
Ernsten, Svenja; Henkel, Christine (2018): Welches Tier lief denn hier? Eine spannende Spurensuche. Kosmos Verlag: Stuttgart
Van Saan, Anita (2014): Welche Tierspur ist das? Entdecken, erkennen, erleben. Kosmos Verlag: Stuttgart
Wawra, Ursula; Wawra, Johannes (2014): Wawra´s Naturpostkarten. (Sets mit verschiedenene Tieren). Natur-Verlag Wawra: Aachen

Konzept-e unterzeichnet WIN-Charta 

In der element-i Pädagogik sind wir davon überzeugt, dass jeder Einzelne in unserer Gesellschaft mit seinen Interessen und Fähigkeiten dazu beiträgt, damit die Gemeinschaft funktioniert. Deshalb reflektieren wir unser Handeln konsequent und übernehmen Verantwortung für zukünftige Generationen. Als Trägernetzwerk sind wir uns aber auch bewusst, dass unser pädagogisches Handeln im Einklang mit unserem wirtschaftlichen Handeln stehen muss.

Seit vergangenem Herbst sind wir aktives Mitglied derWIN-Charta und verpflichten uns damit zur Nachhaltigkeit im Unternehmen. Die WIN-Charta ist ein einzigartiges Managementsystem für die nachhaltige Wirtschaftsweise von Unternehmen in Baden-Württemberg. Die Grundlage bilden zwölf Leitsätze, die inhaltlich die drei Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie und Soziales) abdecken. Sie stehen für gemeinsame Grundwerte. 

Als WIN-Charta-Mitglied setzen wir Nachhaltigkeit nicht nur intern um, sondern auch im direkten Unternehmensumfeld – mittels eines lokalen WIN!-Projekts. Unser Modellprojekt „Es kommt auf mich an“ beinhaltet die CO2-Messung und nachhaltige Bildungsarbeit an drei Stuttgarter Kitas in Kooperation mit der EnBW Stuttgart. Zudem wurden wir im September 2021 von den Stadtwerken Stuttgart als Partner der Energiewende ausgezeichnet. Ein toller erster Erfolg!  

Es gibt nichts Schöneres, als Sachensucher zu sein

Kinder machen es uns leicht. Sie begeistern sich von allein für künstlerisch-kreative Prozesse. Sie sind von Natur aus neugierig, Neues zu erfahren, zu entdecken und zu erforschen. Sie begeben sich auf Spurensuche an gewohnten und ungewohnten Orten. Kinder schweifen gerne umher und entdecken das Fremde im Bekannten. Erleben Spannung zwischen offen und eng, fertig und unfertig, inspirierend und anregend. Erahnen einen neuen Sinn, ohne genau zu erkennen, was sich daraus ergeben wird.
Selbstbestimmtes Erkunden und Erkennen, wie sich etwas zeigt, ist beim Reproduzieren von bereits Vorgedachtem kaum möglich. Es lässt die Welt- und Selbstwahrnehmung in kontextbezogenen und individuellen Ausprägungen nicht zu.
Kinder wollen wahrnehmen. Sie haben ein Verlangen nach intensiven sensorischen Eindrücken, die über ein Gespür für Räume und Atmosphären emotional wirken und zum Nachdenken, Verarbeiten und Interpretieren einladen. Dafür benötigen sie eine passende Atmosphäre und eine vorbereitende Umgebung.

Das passende Umfeld schaffen

Wie lässt sich das passende Umfeld in der Kita schaffen? Indem wir mutig, im Jetzt und Hier gemeinsam mit den Kindern Zugänge zu schöpferischen Freiräumen erobern. Uns die Unbefangenheit von Kindern gegenüber Materialien abschauen und zeitgleich unsere Erfahrungen mit gestalterischen Verfahren und Fachwissen sensibel mit Material, Kindern und der Kunst zusammenführen.
Das Schöne ist: Kunst gehört zum Leben und zum Alltag. Angewandte Kunst kann sich überall in der Kita zeigen: Ausstellungen von selbstgefertigten Kunstwerken, Rauminstallationen in und außerhalb der Kita sowie Impulse durch Bildergeschichten, Musik, Kunstfotos, Objekte, die die Kinder ins Gespräch einladen. Kunst kann überall sein. Künstlerisches Schaffen kann überall stattfinden. Bieten wir dem Kind eine sichere, wertschätzende Atmosphäre sowie Beteiligung, dann ist der Ort frei wählbar.
Entdecken, Staunen, Ausprobieren benötigen Zeit und Raum. Als Begleitung ‚unsichtbar‘ im Hintergrund zu bleiben und es geschehen zu lassen sind essenziell dafür, diese subjektiven Erfahrungsräume zu eröffnen. Insbesondere das Warten stellt die Pädagog*innen immer wieder vor eine Herausforderung und ist doch lohnend. Es ermöglicht uns, genau zu beobachten, und verschafft uns über das Interesse des Kindes Klarheit: will das Kind ein Material, eine Technik, eine Bewegung entdecken oder setzt es sich mit seinen Eindrücken auseinander, die einen Ausdruck suchen (Overdiek 2020, S.103)?

Die schönen Künste im Alltag einbinden

Betrachten wir das kindliche Spiel von Finden und Sammeln. Kinder finden täglich Dinge und auch überall: auf dem Spaziergang, im Garten, beim Aufräumen … Kinder sind unfassbare gute Sucher und vor allem auch Finder. Sie begegnen freudig ihrem Fund und sind angeregt weiter zu schauen. In diesem kindlichen Interesse zeigt sich das Interesse an der Wirklichkeit. Kinder betrachten, ertasten, befühlen und beriechen die Objekte, beratschlagen sich über Herkunft, Funktion und Nutzung. Nach eigenen Kriterien werden Funde geordnet und arrangiert.
Die Begegnung und das Begreifen unterschiedlicher Materialien fördert die optische und taktile Wahrnehmung. Raum und Zeit bilden sich fassbar ab und eröffnen dem Kind die Beziehung zur Welt als Gesamtheit.

Fundstücke als künstlerisches Repertoire

Kindliche Fundstücke bieten auf sehr einfache Weise ein unglaublich künstlerisches Repertoire, mit Kindern zu gestalten und darzustellen. Funde können gemeinsam betrachtet, beschrieben und frei dazu assoziiert werden. Sie werden nach eignen Kriterien arrangiert, Zweck und Funktion erahnt, Zusammenhänge hergestellt, Fundorte analysiert, Herstellungsprozesse nachvollzogen oder mit ihnen gespielt. Geschichten vom Herstellungsort über seinen Nutzen bis zum Fundort entwickelt, nachgespielt oder bildnerisch darstellt.
Einzelnen Fundstücke regen an, mehrere Vertreter zu sammeln, um die Vielfältigkeit aufzuzeigen. Daraus entstehen Collagen oder Skulpturen: aus vielen Schlüsseln wird ein großer Schlüssel.
Die Einbindung von dreidimensionalen Fundstücken in bildnerische Gestaltung eröffnet dem Kind eine weitere Möglichkeit, sich mit der Oberfläche, Farbe und Struktur des Gegenstandes im Raum auseinanderzusetzen und zeitgleich die Objekte zu verwandeln, anzupassen und zu verformen. Gegenstände können individuell verändert werden, indem sie größer oder kleiner gezeichnet werden, die passende Umgebung hinzu gemalt oder gestaltet wird. Oder Gegenstände werden übermalt und mit Bildern, anderen Objekten kombiniert und ergänzt.

Berühmte KünstlerInnen als Vorbild

Robert Rauschenberg hat viele Fundstücke gesammelt und eine Tauschbörse gestaltet. Jeder kann ein Fundstück erwerben, wenn er es durch etwas Mitgebrachtes ersetzt und eine Zeichnung oder ein Bild des entnommenen Gegenstandes fertigt (Robert Rauschenberg, Black Market).
Neben der Betrachtung und der bildnerischen Verwandlung bietet sich insbesondere das Präsentieren und Aufbewahren als künstlerische Interaktion an. Georges Braque und Pablo Picasso haben bereits in den frühen 20er Jahren mit Sand, Sägemehl und Farben begonnen, Fundstücke einzuarbeiten. Diese Assemblage-Kompositionen nehmen das Fundstück aus seiner gewohnten Umgebung und verändern dessen Bedeutung und Wertigkeit. Arrangiert auf Holz, Pappe oder Papier, ergänzt durch Bilder werden alltägliche Gegenstände einmalig. Triviale Fundstücke wie ein Bonbonpapier kann vielfältig dargestellt werden: geglättet, zerknäult, gekugelt oder mehrere zerknäult auf einem Haufen. Die Darstellungsformen sind unbegrenzt. Aus zusammengesetzten montierten Fundstücken, verbunden mit Draht, Maschendraht oder Schnüren und Leim, entstehen Unsinns-Maschinen, Plastiken und sogar ganze Rauminstallationen.
Der Künstler Herbert Distel kreierte das Schubladenmuseum. Eine ausgediente Schublade oder eine Schublade in einem Schrank eigenen sich als Aufbewahrungsort für gesammelte Gegenstände. Sie werden mit Pappstreifen oder Holz in Fächer unterteilt, dem Fundstück passend ausgestaltet, bemalt oder mit Material ausgekleidet (Watte, Stoff, Sand, Holz). Ein ganzer Schrank mit zugeordneten Themenwelten kann entstehen. Die Schubladen werden bemalt und gekennzeichnet (Kathke 2019, S. 174 ff).
Stöcke, Blätter, Kronkorken, Becher, geknickte Strohhalme, krumme Nägel, kaputtes Spielzeug, Zettel mit Notizen, Kinotickets, Steine, Stöcke, Kugeln, Draht, Bretter, Resthölzer, Wurzeln – Abgenutztes, Aussortiertes, Kaputtes, Natürliches. Jedes Ding kann unabhängig von seiner ursprünglichen Bestimmung zum Ausgangspunkt der Gestaltung werden.

Wie Pippi Langstrumpf schon sagte: „Was ihr machen wollt, weiß ich nicht. Aber ich selbst werde nicht auf der faulen Haut liegen, ich bin nämlich ein Sachensucher, da hat man niemals eine freie Stunde. Ein Sachensucher ist jemand, der Sachen findet. Was soll es anders sein? Die ganze Welt ist voller Sachen, da ist es doch notwendig, dass jemand sie findet“ (Lindgren 1986, S. 29).

Quellen:
Kathke, Petra (2019): Sinn und Eigensinn des Materials. verlag das netz: Weimar
Overdiek, Aike (2020): Bildnerisches Gestalten im Montessori-Kinderhaus. Herder: Freiburg
Lindgren, Astrid (1986): Pippi Langstrumpf. Oetinger: Hamburg

Anregungen von Künstler*innen

Herbert Distel: Das Schubladenmuseum: www.schubladenmuseum.org (Schubladenausstellung)
Jean Tinguely: www.tinguely.ch
Robert Rauschenberg: www.artsy.net/artwork/robert-rauschenberg-black-market

Mehr von Patricia Sigg

Ein Schrebergarten für die Kita?

Was soll denn das? Drei element-i Kinderhäuser machen gute Erfahrungen mit externen Gärten und berichten in einem kürzlich erschienenen Fachbeitrag im Kita-Magazin TPS von ihren Projekten. Hier fassen wir wichtige Inhalte für Sie zusammen.

Drei element-i Kinderhäuser haben Kleingärten gepachtet: das element-i Kinderhaus Steppkes und das Junge Gemüse in Stuttgart sowie das element-i Kinderhaus Sterngucker in Karlsruhe. Nun verfügen sie neben dem Kita-Außengelände über ein weiteres grünes Refugium. Warum? Welchen Nutzen versprechen sich die Einrichtungen davon? Was bietet ihnen der Schrebergarten, was das Kita-Gelände nicht auch leisten könnte?

Gestalten und verändern

Der wichtigste Unterschied ist wohl, dass ein Garten fortlaufend bearbeitet wird. Er ist Gegenstand der Gestaltung und Veränderung. Lisa Reuß aus dem pädagogischen Leitungskreis beim Träger Konzept-e sagt: „Kinder können hier buddeln und bauen, Dinge dauerhaft in ihrem Sinne verändern. Das Kita-Außengelände gleicht dagegen eher einem Spielplatz: Sandkasten, Schaukeln, Klettergerüste, Fahrzeuge prägen die Fläche, ziehen die Aufmerksamkeit auf sich und geben Aktionsmuster vor.“

Naturbildung im Garten

Ein Garten dagegen sei ein Stück Natur, das die Kinder über einen langen Zeitraum frei gestalteten, begleiteten und beobachteten. „Dadurch ergeben sich quasi automatisch langfristige Projekte zum Wandel der Jahreszeiten, zum Leben von Pflanzen und Tieren, zum Säen, Ernten und Haltbarmachen von Obst und Gemüse, zu den vier Elementen. Das alles ist Bildung für nachhaltige Entwicklung“, erklärt Lisa Reuß.

Viele Menschen können mitmachen

Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass sich ein Schrebergarten – anders als das Kita-Gelände – mit anderen Akteur*innen und Institutionen teilen lässt. Die element-i Gärten kooperieren beispielsweise mit Imker*innen (Sterngucker) oder beziehen Schäfer*innen ein (Steppkes). Im element-i Kinderhaus Junges Gemüse übernehmen Eltern viel Verantwortung im Garten und dürfen ihn auch privat nutzen. Das Sterngucker-Team plant einen Stadtteilgarten, der auch anderen Menschen offenstehen soll. Kooperationen mit einer Einrichtung für Kinder mit Schwerstmehrfachbehinderungen und mit einem Flüchtlingswohnheim bestehen bereits.

Persönlichkeiten prägen die Projekte

Der Beitrag im Kita-Fachmagazin TPS beschreibt, wie unterschiedlich die Gärten der Kitas ausfallen. Verantwortlich dafür sind zum einen die Personen, die mit ihren Ideen die Projekte prägen. Aber auch der Garten selbst definiert Möglichkeiten und Grenzen: Während die Kitas Junges Gemüse und Sterngucker eine 400-Qadratmeter-Fläche innerhalb einer Kleingartenanlage nutzen, steht den Steppkes-Kindern ein mehr als dreimal so großer Garten zur Verfügung. Das steile 1.500-Quadratmeter-Gelände besteht aus vier Hängen, die von Plateaus geteilt werden. Bepflanzt ist es vor allem mit Obstbäumen.

Die Kinder sind begeistert

Eines ist allen Projekten gemeinsam: Die Kinder sind meist Feuer und Flamme. Sie buddeln in der Erde, gießen die Pflanzen, beobachten Tiere, verstecken sich in Hecken, klettern auf Bäume und fragen: „Was gibt es heute zu tun?“ Dann sammeln sie Fallobst auf, graben ein Beet um, ernten Tomaten oder greifen zu Werkzeug, um beim Bau des Gartenhäuschens zu helfen.

Hier gibt es der TPS-Fachbeitrag zum Download:
„Vom kleinen Steppke zum großen Gärtner“, TPS 7/2021
https://www.konzept-e.de/fileadmin/Daten/Fachliteratur/TPS_7_21_040-043_Schrebergaerten.pdf

 

Mehr von Eike Ostendorf

491 neue Bäume durch den Einsatz des Kinderhaus Grünschnabels

Mit gebackenen Plätzchen Bäume pflanzen? Wie passt denn das zusammen? Die Kinder aus dem Kinderhaus Grünschnabel haben es vorgemacht.  

Denn dort haben die Kinder Ende Dezember einen Adventsbasar veranstaltet und den gesamten Erlös an die Organisation Plant-for-the-Planet gespendet, die aus dem erhaltenen Betrag Bäume auf der ganzen Welt pflanzt. Dafür waren die Kinder bereits seit November ganz fleißig am Produzieren: Plätzchen backen, Lebkuchenmänner verschönern, Grußkarten, Baumschmuck und Schlüsselanhänger basteln, Bilderrahmen verzieren, Teelichter aus Salzteig formen oder Armbänder machen. Diese ganzen Werke wurden dann an dem Adventsbasar im Windfang der Kita den Eltern präsentiert und zum Verkauf angeboten. Auch dabei war voller Einsatz gefragt: die Kinder haben alles selbst aufgebaut, gerichtet, dekoriert und übernahmen auch den Verkauf.  

Dort zeigten sie ganz besonders viel Engagement, denn sie wussten: alles was verkauft wird, geht an einen guten Zweck. Letztendlich hat sich ihr Arbeitseifer definitiv gelohnt: Die Kinder haben mit ihrem Basar 491€ eingenommen und damit können nun 491 Bäume auf der ganzen Welt gepflanzt werden. Für diese starke Leistung gab es sogar eine Baumurkunde, die nun für alle gut sichtbar in der Kita voller Stolz aufgehängt wurde. 

element-i_Grünschnabel_Adventsbasar element-i_Grünschnabel-beim-Aufbau element-i_Grünschnabel-Baumurkunde_Fav

Bildung für nachhaltige Entwicklung am Beispiel Biene

Bildung für nachhaltige Entwicklung am Beispiel Biene

„Kennst Du schon meine Freunde? Da unter dem Tisch haben wir es uns gemütlich gemacht. Wir spielen Bauernhof. Ich muss gleich los mit dem Traktor. Pipin und Esra sind gerade dabei, die Kühe zu füttern. Magst du uns helfen? Jemand muss den Stall sauber machen,“ fragt ein vierjähriges Kind und lugt unter dem Maltisch hervor. Die Wachsdecke angehoben und ein Blick auf den Boden zeigt, dass die Bäuerin allein auf dem Teppichboden sitzt. Um sie herum finden sich ein paar Holzwürfel, die an einen Zaun erinnern. Wo aber ist der Bauernhof?

Ob ausgedachte Freund*innen oder sprechende Tiere, Kinder haben häufig eine Fantasie, die vielen Erwachsenen verloren gegangen ist. Als pädagogische Fachkräfte können wir das jeden Tag beobachten und erleben selbst manchmal die Überforderung mit den großen Ideen der Kinder. Neue Ideen aber sind gefragt. Viel Fantasie – die braucht es auch bei aktuellen Fragen. Wie lösen wir die Klimakrise? Wie soll das Artensterben aufgehalten werden? Wie können wir gerechter und inklusiver zusammenleben?

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) ist eines der großen Querschnittsthemen. „Aufgabe der BNE ist es, den Menschen die nötige Kompetenzen und Einstellungen zu vermitteln, damit sie dafür sorgen, dass künftige Generationen eine lebenswerte Welt vorfinden“ (Förderverein NaturGut Ophoven 2015, S. 7). Es ist eine der Herausforderung unserer Zeit. Bei der Breite des Themas ist es verständlich, dass hin und wieder Ratslosigkeit aufkommt, wie BNE in der Praxis aussehen kann. So enthalten etwa die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen 17 verschiedene Dimensionen: von hochwertiger Bildung über Geschlechtergerechtigkeit bis hin zu nachhaltigem Konsum. Riesige Aufgaben also, an denen Kindertagesstätten engagiert mitwirken können.

Wie kann BNE in Kindertagesstätten umgesetzt werden? Entscheidend ist hierbei, dass die Kinder nicht mit den von Erwachsenen verursachten Problemen überfrachtet werden. Es sollen auch nicht zu komplexe Sachverhalte und komplizierte Zusammenhänge vermittelt werden. Bei BNE in Kindertagesstätten geht es darum, einen eigenen Zugang zu wählen, der sich aus der Lebenswelt der Kinder ergibt und deren Motor die alltäglichen neugierigen Fragen der Kinder sind.

Der Ansatz der BNE ist damit praktisch und lebensnah und der Zugang wird über bewusst gewählte Schwerpunkte gesetzt. Beliebt ist zum Beispiel ein Zugang über Eisbären. Diese leben allerdings weit entfernt und können nur über Medien kennengelernt werden. Wäre da nicht ein Tier aus der Nachbarschaft ein mindestens ebenso guter Zugang? Ein kleines Tier, das immer wieder in den Köpfen der Kinder herumschwirrt? Welche Möglichkeiten bieten sich, wenn die Biene im Zusammenhang mit Bildung für nachhaltige Entwicklung gewählt wird?

Ein Finger zeigt auf Bienenwaben, auf denen Bienen arbeiten.
Die fleißigen Bienen lassen sich beim Arbeiten beobachten.

In der Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt und den für sie relevanten Fragen erwerben die Kinder Kompetenzen, die als notwendige Gestaltung- und Zukunftskompetenzen beschrieben sind wie „vorausschauendes Denken; interdisziplinäres Wissen, autonomes Handeln sowie Partizipation an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung) oder in andere Worte gefasst „konkret handeln, Emotionen miteinbeziehen, mit Wissen bewusst umgehen, Visionen entwickeln, reflektieren, kritisch Denken, kommunizieren, partizipieren und kooperieren“ (Tebbich). Wie also können die Pläne und Konzepte im Kitaalltag umgesetzt werden?

Als Kita loslegen

Möchten sich Kinder in einer Kita in nachhaltiger Entwicklung bilden, dann ist es sinnvoll, das gesamte Kitajahr mit seinen vielen Geschichten, Feiern und Draußenzeiten in den Blick zu nehmen. Die Integration eines tierischen Motivs in das gesamte Kitajahr – als „Motto“ oder „Leitidee“ – wird so zur Grundlage für die Verwandlung der Vorstellungswelt von Kindern und Erwachsenen. In der pädagogischen Forschung wird dabei unter anderem vom Konzept der „Alltagsfantasien“ gesprochen. „Das didaktische Konzept […] zielt auf ein vertiefendes Verständnis der individuellen Aneignungs- und Bewertungsprozesse […]. Alltagsfantasien nehmen aufgrund ihrer Bedeutungstiefe […] Einfluss auf Werthaltungen, Interessen- und Verhaltensweisen“ (Combe/Gebhard 2012, S. 104f.). Die Autoren zielen darauf ab, die Lücke zwischen Wissen und Handeln bei Umweltthemen wie der Klimakrise zu schließen. Statt des Eisbären wählen wir also Zugänge, die uns emotional und räumlich näherliegen.

Neben diesem ganzheitlichen Blick auf das Kitajahr und das pädagogische Konzept kann ein Einstieg in BNE mit Bienen auch aus vielen kleinen Aktionen zusammengesetzt werden. Ideen finden sich in der proBiene Methodenbroschüre „Das Bienenjahr mit Kindern gestalten“ (https://probiene.de/bildung/). Wie wäre es mit einem ersten Besuch bei der Imker*in vor Ort oder einem Gartenprojekt im Frühjahr?

Bienenbesuch

Staunende Augen verfolgen, wie der Deckel einer Bienenbeute geöffnet wird. Das ist ein rechteckiger Holzkasten, in dem die Bienen leben. Zum Vorschein kommt ein lebendiges Bienenvolk, man riecht Honig und Wachs. Die Kinder, die sich ganz nah an die Bienenbeute herangetraut haben, können sogar die aus dem Brutraum entweichende Wärme spüren. Die Imkerin erklärt den Kindern und meist etwas nervöseren Fachkräften das Leben der Biene. Am Ende nehmen die Besucher*innen vom Bienenstand eine eindrückliche Begegnung mit den Bienen und ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse der Bienen mit.

Imkerinnen und Imker gibt es in den meisten Städten und Dörfern, häufig ganz unterwartet am Waldrand oder auf einem Dach mitten in der Stadt. Die Chancen, einer Imker*in zu begegnen, sind hoch. Und diese*r freut sich im kommenden Frühjahr oder Sommer über einen Besuch. In manchen Städten können Bienenführungen bei spezialisierten Anbietern gebucht werden, wie in Stuttgart bei proBiene.

Imker und Kinder schauen sich den Bienenstock genauer an.
Imker und Kinder schauen sich den Bienenstock genauer an.

Bienen und Wildbienen erleben

Neben den Honigbienen bieten sich auch die Wildbienen als Thema an. Von der flauschig aussehenden Verwandten, die durch ihren eher hektischen Flug auffällt, gibt es viele unterschiedliche Arten. Die meisten Wildbienen sind ruhig und stechen sehr selten. Sie können durch gezielte Bepflanzung oder ein Nistplatzangebot einfach im Garten angesiedelt werden. Wunderbar lassen sie sich in Projekten mit den Kindern beobachten. Unterschiede zwischen Honigbiene und Wildbiene können gemeinsam erkannt und thematisiert werden. Wie unterscheiden die Bienen sich im Aussehen? Welche Arten können wir in unserem Garten entdecken? Wie transportieren Wildbiene und Honigbiene den Pollen? In welchen Familienverbänden leben die Bienen? – sind dabei nur einige Fragen, sie man sich stellen kann.

Die Fantasie von Kindern beflügeln

Die Biene kann ein Leitmotiv für die Arbeit mit BNE im Kindergarten werden. Im ganzen Jahr kann sich intensiv mit verschieden Thematiken auseinandergesetzt werden, womit die Biene zum langfristigen Projekt wachsen kann. Immer wieder können neue Impuls von den Kindern und für die Kinder gestaltet werden.

Im Naturraum wenden sich Kinder aus intrinsischer Motivation immer wieder selbst der Beobachtung von Insekten und anderen Tieren zu. Sie gehen als aktiv Forschende auf Entdeckungstour. Alles, was krabbelt, fliegt, sich bewegt, wird unter die Lupe genommen. Marienkäfer, Schnecken, Ameisen und auch Bienen faszinieren die Kinder. Wie bewegen sich die Tiere? Wo leben sie? Mit diesen Fragen kommen Kinder während eines Ausflugs in den Naturraum oder bei der Gestaltung eines Gartens auf Sie als pädagogische Fachkraft zu. Kinder mit ihrer Umwelt vertraut zu machen ist eine zentrale Entwicklungsaufgabe.

Auch beim kreativen Gestalten ist die Vielfalt unserer Umwelt nützlich. Oder wenn wir in Geschichten von Menschen und Tieren erzählen. Beim Vorlesen entstehen wortwörtlich Bilder im Kopf, unsere Vorstellungen über Dinge können sich dabei bestätigen oder irritiert werden und sich verändern. Unser Alltag ist von diesen Vorstellungen geprägt. Stellen sich Kinder die Bienen als stechende gefährliche Insekten vor, dann ist eine Angst vor summenden Insekten eine natürliche Folge. Erkennen wir Bienen aus Geschichten und Bildern jedoch als Lebewesen, mit denen Menschen seit Jahrhunderten eng zusammenleben, dann sehen wir auch im Garten die Biene mit anderen Augen.

Das Erlernen von Gestaltungskompetenzen wie die Empathie für die Umwelt oder vorausschauendem Denken benötigt also beides, Naturraum und kreative Orte. Wird die Fantasie von Kindern ganzheitlich angereichert, dann können sie eine Beziehung zu ihrer Umwelt aufbauen, die ihnen erlaubt, die Welt nachhaltig zu gestalten.

Warum sind Bienen bedroht?

Die Bienen sind durch verschiedene Prozesse in ihrem Lebensraum bedroht. Die industrielle Landwirtschaft mit dem Ausbringen von Pestiziden und Monokulturen macht Bienen nicht nur die Futtersuche schwer. Durch einige Pestizide wird sie in ihrer Widerstandskraft gegen „natürliche“ Parasiten, wie die Varroamilbe, geschwächt. Auch der Klimawandel macht Bienen zu schaffen. Im trockenen Hochsommer geht das Angebot an blühenden Pflanzen im Allgemeinen zurück. Bienen, die auf bestimmte Pflanzen spezialisiert sind, sterben aus oder verlagern ihren Lebensraum. Ohne Honigbienen und andere Bestäuber könnte es viele Produkte im Supermarkt nicht mehr geben. Die Gummibärchen mit Wachsüberzug, Obstsorten wie Äpfel oder Erdbeeren, Gemüse wie Gurken oder Kürbisse und selbst einige Kräuter würden ohne Honigbienen deutlich seltener und teurer.

Interview mit Tobias Miltenberger

Bei den Bienen am Bienenstand, was bedeutet das?
Unsere Bienen stehen alle in Freiaufstellung in Stuttgart verteilt. Die Kinder besuchen uns in der Regel im Rohrer Weg, an einem Feldweg in Stuttgart-Möhringen. Der Roher Weg ist direkt in der Nähe der U-Bahn, der gleichnamigen Haltestelle.

Im Sommer sind Sie mit proBiene mit mehr als 100 Kindergruppen bei den Bienen, was macht die Bienen so interessant für Kinder?
Die Bienen faszinieren durch ihr Zusammenleben und die Vorgänge im Bienenvolk. Wenn der Bienenkasten geöffnet wird, kann man die Bienen mit allen Sinnen erleben: riechen, schmecken, sehen usw. Zudem lernen unsere kleinen Besucher*innen den Unterschied zwischen Angst und Respekt. Vor den Bienen muss man keine Angst haben, aber den Respekt, den man mit Ruhe und Sorgfalt vorlebt bei den Bienen, nehmen die Kinder wahr und achten selbst darauf.

Welche besonderen Momente gibt es für Sie mit Kindern am Bienenstand?
Wenn ich eine einzelne Biene auf dem Finger habe, die gerade Honig schleckt, beobachten die Kinder, wie sie mit ihrem Rüssel die Nahrung aufsaugt. Da finden die Kinder eine besondere Ruhe und sehen, dass Bienen schöne Lebewesen sind.

Tobias Miltenberger ist Gründer und Geschäftsführer von proBiene. Als Demeter-Imker ist er am liebsten draußen bei den Bienen. Daneben schreibt er Bücher, gibt Kurse zur ökologischen Bienenhaltung und mischt sich in agrarpolitische Themen ein.

Autoren

Marco Elischer hat Sozialpädagogik und Philosophie studiert. Als Bildungsreferent von proBiene leitet er Bildungsprojekte und entwickelt Materialien zur Bienenpädagogik und für BNE. Kontakt: marco.elischer@probiene.de

Literatur

Bundesministerium für Bildung und Forschung (o.J.) (Hg.): Was ist BNE? Das Ziel von guter Bildung. Online verfügbar unter: https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne (zuletzt geprüft am 15.11.2021).

Combe, Arno; Gebhard, Ulrich (2012) (Hg.): Verstehen im Unterricht. Die Rolle von Phantasie und Erfahrung. Wiesbaden: Springer VS.

Elischer, Marco: Das Bienenjahr mit Kindern gestalten. proBiene. Online verfügbar unter https://probiene.de/bildung/, zuletzt geprüft am 15.11.2021.

Förderverein NaturGut Ophoven (2015) (Hrsg.): Ein Königreich für die Zukunft – Energie erleben durch das Kindergartenjahr! 4. Aufl. Hannover: NZH Verlag.

Tebbich, Heide (o. J.) (Hg.): BNE-Kompetenzen. Das BNE-Modell des Forum Umweltbildung. BAOBAB-Globales Lernen. Online verfügbar unter: https://bildung2030.at/bildung-fuer-nachhaltige-entwicklung/bne-kompetenzen (zuletzt geprüft am 15.11.2021).

Mehr von Lisa Reuß

Adultismus – die erste erlebte Form der Diskriminierung?

Diskriminierung – ein Wort, das leider immer noch mit alltäglichen Beispielen gefüllt werden kann. In den Nachrichten gibt es nach wie vor Berichte über Rassismus, der auf verschiedenste Weisen sichtbar wird. Aber auch die Gleichstellung von Geschlechtern ist zurecht weiterhin oft diskutiertes Thema in unserer Gesellschaft. Die Liste ließe sich ergänzen: Sexismus, Homophobie …

Natürlich betreffen diese Missstände auf eine Weise auch die Lebenswelt von Kindern und damit auch unsere element-i Kinderhäuser, als kleine Abbildungen unserer Gesellschaft. Doch sind nicht alle Kinder von diesen Formen der Diskriminierung direkt betroffen – von Adultismus jedoch schon. Und zwar nahezu tagtäglich (vgl. Richter 2013, S. 3). Den Begriff haben Sie noch nie gehört? Dann ist es höchste Zeit, sich damit tiefergehend auseinanderzusetzen!

Begriffserklärung

Der Terminus Adultismus kommt aus dem Englischen: „adult“ bedeutet erwachsen / Erwachsener und das Suffix -ismus steht hier als Benennung eines gesellschaftlich verwurzelten Machtsystems (Richter 2013, S. 5). „Adultismus beschreibt den Umgang von Erwachsenen mit dem Machtungleichgewicht, das zwischen Kindern bzw. Jugendlichen und Erwachsenen besteht. Der Begriff verweist auf die Einstellung und das Verhalten Erwachsener, die davon ausgehen, dass sie allein aufgrund ihres Alters intelligenter und kompetenter sind als Kinder und Jugendliche – und sich daher über ihre Bedürfnisse, Meinungen und Ansichten hinwegsetzen können“ (Steinke 2019, S. 1). Als gesellschaftliche Diskriminierungs- und Machtstruktur ist Adultismus durch Gesetze, soziale Institutionen und Traditionen gefestigt (vgl. Steinke 2019, S. 1).

Wenn ein respekt- und achtungsvoller Umgang mit den Kindern Ziel der pädagogisch qualitativ hochwertigen Arbeit ist, ist das Bewusstwerden von, die Auseinandersetzung mit dem und die (Selbst-)Reflexion in Bezug auf das Machtverhältnis zwischen Fachkräften und Kindern unumgänglich (vgl. Richter 2013, S. 3). Doch welches Bild von Kindheit dient hierbei als Grundlage?

Soziologie der Kindheit

Wir leben in einer Gesellschaft, in der es dominierende Bilder von Kindheit gibt, welche im Laufe der Zeit Veränderungen unterliegen. Dadurch ändert sich auch der Status von Kindern und der Umgang mit ihnen (vgl. Richter 2013, S. 3). Je nach Kontext und Perspektive unterscheiden sich die Definitionen von Kindheit:

  • Juristisch: Kindheit als Minderjährigkeit = 0 bis 14 Jahre
  • Erwachsenensicht: alles, was selbst von der Geburt bis ins Jugendalter erlebt wurde (eigene biografische Erfahrung)
  • Akteurs- und lebensweltbezogen: Kinder als soziale Akteure
  • Strukturbezogen: Kindheit in generationaler Ordnung und wohlfahrtsstaatlichem Kontext
  • Diskursanalytisch: Kindheit wird in gesellschaftlichen Diskussionen konstruiert

(vgl. Richter 2013, S. 4)

In unserer element-i Konzeption wird das Menschenbild, die Philosophie und die Vision genau beschrieben. Wenn wir diesen Formulierungen folgen, nämlich unsere individuelle Verantwortung zu nehmen, wir uns – jede/r an seiner/ihrer Stelle – aktiv einbringen zur Gestaltung einer gesunden Gemeinschaft und für das Gelingen, dann ist das ein klarer Handlungsauftrag an uns Pädgog*innen (vgl. Kammerlander et al. 2018, S. 4). Und zwar hin zur eigenen Auseinandersetzung mit dem Thema Adultismus, aber auch als Wegbereiter*innen für starke, verantwortungsbewusste Kinder.

Erscheinungsformen und Entstehung

Es gibt unterschiedlichste Situationen, in denen adultistisches Verhalten sichtbar wird. Bereits die Kleinsten erleben es in Form von “kurz mal über die Haare streichen” oder “ein Küsschen aufdrücken”, obwohl das Kind das augenscheinlich in diesem Moment nicht möchte. Diese Formen der Grenzüberschreitung werden teilweise unreflektiert hingenommen und die Abwehrreaktion des Kindes verbucht unter “ist eben ein bisschen schüchtern” oder sogar “stellt sich aber an” (vgl. Richter 2013, S. 6).

Auch im alltäglichen Sprachgebrauch tritt Adultismus auf. Aussagen wie „das ist aber kindisch“, „benimm dich nicht wie ein kleines Kind“ oder „wir sind hier doch nicht im Kindergarten“ zeigen die negative Besetzung des Wortes „Kind“. Auch Abwertungen wie „dafür bist du noch zu jung“ werden nicht selten genutzt (vgl. Richter 2013, S. 7).

Im Alltag einer Familie kann adultistisches Verhalten ebenfalls beobachtet werden: in vielen Bereichen bestimmen Eltern über ihre Kinder. Es wird vorgeschrieben, wann es etwas zu essen gibt, wann die Kinder ins Bett gehen und aufstehen müssen, was sie anziehen sollen, wie die Freizeit der Familie ausgestaltet wird. Teilweise ist die Abnahme von Entscheidungen für Kinder ohne jeden Zweifel sinnvoll. Nämlich immer dann, wenn Erwachsene Kinder vor einer reellen Gefahr schützen oder auch weil das Kind keine ausreichenden Informationen hat, um alle Verknüpfungen überschauen zu können und deshalb schlicht mit einer Entscheidungsfindung überfordert wäre. Wenn die Entschlüsse ohne den Einbezug der Kinder aus Bequemlichkeit der Erwachsenen getroffen werden, keine Sinnhaftigkeit dahinter liegt oder dem Erhalt der eigenen Autorität dienen, sollte sich daran etwas ändern. Denn an diesen Stellen beginnt Diskriminierung. Entscheidend ist die Art und Weise, wie wir mit Kindern kommunizieren, ob wir Freiheits- und Selbstbestimmungseinschränkungen begründen können und letztendlich, ob es uns gelingt, einen gewaltfreien Umgang mit Kindern zu leben (vgl. Richter 2013, S. 7).

Dabei ist es wichtig, eben nicht nur Familien, sondern auch Einrichtungen für Kinder und Jugendliche auf das Umsetzen demokratischer Prinzipien zu prüfen und anzuerkennen: Das Spiel ist die Arbeit des Kindes (vgl. Montessori 1999, S. 196-198). Es stellen sich Fragen wie: Haben Kinder Einfluss auf ihre Lebenswelt? Sind die Räume, das Material, der Tagesablauf und die Inhalte dessen optimal auf Kinder abgestimmt? Ja, in den element-i Kinderhäusern und auch anderen Kindertageseinrichtungen ist vieles auf Kinder ausgerichtet, wie kleine Toiletten oder auch niedrige Waschbecken. Aber wer die Perspektive eines Kindes einnimmt, wird sicherlich Optimierungspotential finden. Ob es nun der nicht erreichbare Lichtschalter oder die zu hohe Türklinke ist (vgl. Richter 2013, S. 7) oder das unreflektierte Unterbrechen des kindlichen Spiels, aufgrund einer von Erwachsenen festgelegten Uhrzeit – schlichtweg alles, was dazu führt, dass die Abhängigkeit von Erwachsenen weiterhin nicht aufgehoben werden kann und die Autonomie von Kindern unrechtmäßig begrenzt wird.

Auswirkungen

Wie eben beschrieben, gibt es eine Vielzahl an Erscheinungsformen von Adultismus. Genauso vielfältig sind auch die Folgen. Zum einen betrifft er Kinder in ihrem Grundbedürfnis nach Beziehung und Responsivität. Denn durch adultistische Verhaltensweisen erleben sie, dass ihre Perspektive keine oder wenig Bedeutung hat und ihre Stimme nicht relevant ist. Da sie diesen Erlebnissen an unterschiedlichen Stellen ausgesetzt sind, werden sie möglicherweise verinnerlicht: Die Kinder fangen an zu glauben, dass Erwachsene über mehr Macht und Wissen verfügen und damit rechtmäßig über sie bestimmen. Das bedeutet wiederum, dass sich Kinder selbst nicht ernst nehmen, resignieren, ihre Meinung nicht äußern oder eben rebellisch, launisch und aggressiv werden. Letzteres folgt daraus, dass sie den erlebten Schmerz der Unterdrückung zurück- oder weitergeben möchten. Beide resultierenden Verhaltensweisen sind letztlich Bewältigungsstrategien (vgl. Richter 2013, S. 8f). „Das Selbstvertrauen der Kinder wird so verletzt, dass sie sich nicht mehr zutrauen, Dinge zu versuchen und es dabei wagen, Fehler zu machen“ (Richter 2013, S. 9).

Weiterhin hat Adultismus Auswirkungen auf Peers. Sie nehmen sich gegenseitig nicht mehr ernst und übernehmen adultistische Verhaltensweisen: Ältere Kinder geben jüngeren Kindern Befehle und bestimmen über sie; in der Annahme dem allgemein normalen Verhaltenskodex zu entsprechen (vgl. Richter 2013, S. 9).

Eine andere, noch gravierendere Folge ist, dass Adultismus die Grundlage für unterschiedlichste andere Formen der Diskriminierung bildet. Denn durch Adultismus lernen Kinder sehr früh, dass das Unterdrücken okay ist, und zwar sogar bei Menschen, die zum engsten Bezugskreis gehören. Dieses Raster wird dann auf andere Gruppen angewandt und übertragen: beispielsweise rassistische Verhaltensweisen. Kinder verstehen dann nicht, warum solch ein Verhalten nicht in Ordnung sein soll. Geht es hier doch ebenfalls darum, dass eine Personengruppe die Macht über eine andere ausübt. Und selbst wenn sie sich für Toleranz einsetzen, kann ihr Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit schnell gebrochen werden. Das Selbstbewusstsein ist ja bereits geschwächt (vgl. Richter 2013, S. 9).

Der Grund für die Auseinandersetzung mit Adultismus als ein wichtiger Aspekt professionellen pädagogischen Handelns sollte hiermit ausreichend geklärt sein. Doch wie können Sie das Thema konkret angehen?

Adultismus begrenzen, Partizipation leben

„Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst, fühl dich zu Hause!“
„Einen Klaps auf den Po hat noch niemandem was genutzt.“
„Wer nicht hören will, möchte verstehen.“
„Aus dir wird ALLES was du willst!“

1. Schritt: (Selbst-)Reflexion – Adultismus erkennen und benennen

Setzen Sie sich damit auseinander, an welchen Stellen Ihnen selbst bisher adultistisches Verhalten begegnet ist und wie Sie sich dabei gefühlt haben. Reflektieren Sie gemeinsam im Team den pädagogischen Alltag in Ihrem element-i Kinderhaus. Wo begegnen Ihnen Machtdemonstrationen von Erwachsenen? Wie fühlen Sie sich bei Begegnungen mit adultistischem Verhalten? Wie geht es den anderen Teammitgliedern? Was sind Kennzeichen der Macht von Erwachsenen?

Dafür können Sie die Methode: Adultismusplakat nutzen. Die genaue Anleitung finden Sie im Artikel von Steinke (2019) unter: https://www.nifbe.de/fachbeitraege/beitraege-von-a-z?view=item&id=952:adultismus.

2. Schritt: Handlungsalternativen entwickeln

Beschreiben Sie die Veränderungsmöglichkeiten und überlegen Sie, wie die Umsetzung gelingen kann.

a) Regeln und Grenzen hinterfragen

Woher kommt diese Regel? Warum gibt es sie? Was möchten wir damit bezwecken? Für wen gilt die Regel? Ist die Regel für alle (auch die Kinder) nachvollziehbar und erklärbar?

b) Vorbild sein und eine positive Fehlerkultur entwickeln

Halten Sie sich selbst an die vorgegebenen Regeln? Wann gelingt es Ihnen, Adultismus zu vermeiden? Wann nicht? Wie gehen Sie mit dem Nicht-Gelingen um? Entschuldigen Sie sich für Ihr Fehlverhalten gegenüber dem Kind?

c) Dialog auf Augenhöhe führen

Halten Sie bei Gesprächen Blickkontakt mit Kindern? Lassen Sie Kinder aussprechen? Fragen Sie Kinder nach ihrer Meinung? Nehmen Sie die Meinung der Kinder und ihre Perspektive auf die Welt ernst? Sehen Sie den Blick von Kindern als Bereicherung? Nehmen Sie sich Zeit für Gespräche mit den Kindern und hören ihnen zu? Welche Worte wählen Sie gegenüber Kindern? Wie gut können Sie sich auch in vermeintlich schwierigen Situationen auf das Kind einlassen (zurechtweisen und kritisieren oder vorher durchatmen und sich einfühlen)? Welche Situationen nutzen Sie für Kritik – schaffen Sie stets eine geschützte Atmosphäre?

d) Partizipation leben

Beziehen Sie die Kinder entwicklungsstandentsprechend bei allen Themen (Raumgestaltung, Materialauswahl, Tagesablauf, Regelfindung, …) ein? Haben die Kinder die Wahl, „Nein“ zu sagen (Beispiel: Waldtag)? Beziehen Sie sie in Ihre Gespräche mit Erwachsenen ein (Beispiel: Tür- und Angelgespräche mit Eltern).

Ein achtsamer Umgang im Kita-Alltag kann so viel Gutes bewirken. Die Sensibilität für Adultismus und Veränderungen im Kleinen können für uns alle, besonders jedoch für die Zukunft der Kinder einen großen Unterschied machen.

Literatur

Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser. Stuttgart

Montessori, Maria (1999): Kinder sind anders. dtv: München

Richter, S. (2013): Adultismus: die erste erlebte Diskriminierungsform? Theoretische Grundlagen und Praxisrelevanz. Verfügbar unter: http://www.kita-fachtexte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen//KiTaFT_richter_2013.pdf (letzter Zugriff am 24.08.2021)

Ritz, M. (2013): Adultismus – (un)bekanntes Phänomen. Erschienen in: Wagner, Petra (Hrsg.): Handbuch Inklusion. Grundlagen vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung. Verfügbar unter: https://situationsansatz.de/wp-content/uploads/2019/08/Ritz2013_Adultismus_Handbuch-Inklusion.pdf (letzter Zugriff am 24.08.2021)

Steinke, A. (2019): Wie können adultistische Strukturen in der Kindertagesbetreuung erkannt und reflektiert werden? Verfügbar unter: https://www.nifbe.de/fachbeitraege/beitraege-von-a-z?view=item&id=952:adultismus (letzter Zugriff am 24.08.2021)

„Kinder sind von Natur aus Lerngenies“

„Unsere Kinder brauchen die 4 Z: Zeit, Zuwendung, Zuneigung und Zutrauen“, sagt der Tübinger Philosoph Marco Wehr. „Alles andere können sie alleine.“ Warum das so ist und welche unglaublichen Leistungen Kinder in den ersten Lebensjahren vollbringen, um sich die motorischen Grundlagen und die Werkzeuge für die Welt des Wissens anzueignen, skizzierte der Buchautor kürzlich in einem Vortrag, den wir hier nachzeichnen.

Neulich hörte ich einen Vortrag, der mich beeindruckte und dessen Inhalte ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Marco Wehr, ein in Tübingen lebender Physiker, Philosoph, Tänzer und Buchautor, referierte im Rahmen des Deutschen Kita-Leitungskongresses in Fellbach bei Stuttgart. Er sprach darüber, wie sich Kinder die „Werkzeuge für die Welt des Wissens“ aneignen.

Der Mensch ist besonders anpassungsfähig

Anders als die meisten Tiere kommt der Mensch hilflos zur Welt und muss grundlegende Fähigkeiten erst erlernen. Wir Menschen sind dadurch allerdings auch in hohem Grad anpassungsfähig. Einen jungen Eisbären in die Tropen zu verfrachten, würde ihn das Leben kosten. Wüchse ein Inuitbaby im Senegal auf, wäre das jedoch kein Problem. Die menschliche Gemeinschaft dort hat eine Kultur entwickelt, die es ihm erlaubt, in dieser speziellen Umwelt zu überleben und gibt sie an den Nachwuchs weiter.

Kultur als Überlebenscode

Der Mensch, so Wehr, sei ein Kulturwesen. Den breit gefächerten Kanon an Wissen und Fertigkeiten, den die Menschen sich aufgebaut haben, bezeichnet er als Kultom. Wie bei einem Genom handele es sich dabei um einen Überlebenscode. Er sei jedoch nicht in den Genen, sondern in den Gehirnen der Menschen gespeichert. Nachfolgende Generationen müssten ihn immer wieder neu lernen. Das gäbe ihnen jedoch auch die Chance, sich an veränderte Lebensräume anzupassen.

Um aber von der Kultur profitieren zu können, müssen Kinder erst die „Werkzeuge für die Welt des Wissens“ erwerben. Die wichtigsten sind:

Das Imitationslernen

Kinder sind wahre Nachahmungskünstler*innen. Wie sehr, das zeigt ein Experiment des amerikanischen Psychologen Winthrop Niles Kellogg aus dem Jahr 1931. Er zog das kleine Affenmädchen Gua gemeinsam mit seinem Sohn Donald auf, um herauszufinden, ob der Unterschied zwischen Menschen und Affen natur- oder kulturbedingt ist. Der kleine Affe erwies sich als überaus gelehrig und übertrumpfte den Jungen anfänglich sogar. Entscheidend war allerdings, dass nicht der Affe die Menschen nachahmte, sondern Donald Gua. Die wenigen Worte, die der Junge zunächst sprach, vergaß er. Er begann zu grunzen und zu schreien, klaubte Essenreste und Exkremente vom Boden auf und steckte sie sich in den Mund. Das Experiment lief aus dem Ruder. Der Vater musste es abbrechen. Der Mensch lernte am Vorbild des Affen und nicht umgekehrt.

Uns sollte daher bewusst sein: Wir sind Vorbilder – ob wir es wollen oder nicht. Kinder ahmen uns in allem nach, was wir tun. Dabei vollbringen sie eine sehr komplexe Leistung: Sie wandeln visuelle und akustische Eindrücke in eigenes Verhalten um.

Gesprochene Sprache

Erwachsene und mit zunehmendem Alter auch andere Kinder ordnen die Phänomene der Welt für die Kinder ein und bewerten sie. Dazu ist Sprache unerlässlich. Unterstützt wird der sprachliche Ausdruck durch den Körper des Menschen, der eine regelrechte „Kommunikationsoberfläche“ sei, wie Marco Wehr sagt. Durch seinen aufrechten Gang konnte der Mensch eine ausdrucksstarke Mimik und Gestik entwickeln. Weiße, gut sichtbare Handflächen sowie die weiß eingefasste Iris des Auges machen Hand- und Augenbewegungen zudem für ein Gegenüber gut sicht- und nachvollziehbar.

Sich daraus ihre Muttersprache zu erschließen, ist eine große Aufgabe, die Menschen aufgrund ihrer Hirnentwicklung nur in einer bestimmten Phase ihres Lebens gelingt. Erfahrungen mit in der Wildnis aufgewachsenen, sogenannten Wolfskindern zeigen, dass Menschen, die in ihrer frühen Kindheit keinen Kontakt mit Sprache hatten, später nicht mehr in der Lage sind, sprechen zu lernen. Für den aufrechten Gang trifft das übrigens ebenfalls zu.

Geteilte Aufmerksamkeit (Intentionalität)

Kleine Kinder und ihre Eltern verständigen sich oft mit Gesten. Das erscheint einfach. Ist es jedoch nicht. Denn damit die Verständigung gelingt, ist ein gemeinsamer semantischer Referenzrahmen nötig. Das bedeutet, dass ein gemeinsames Vorverständnis gegeben sein muss, um welches Thema es geht. Denn erst dadurch wird klar, welche Bedeutung zum Beispiel eine Zeigegeste hat und worauf die zeigende Person damit hinweisen will.

Empathie

In den ersten Jahren ist das Kind ganz auf sich bezogen. Erst nach und nach nimmt es die anderen als eigenständige Personen mit eigenen Bedürfnissen wahr und lernt, sich in sie hineinzuversetzen. Auch dies ist ein wichtiges Werkzeug, um einvernehmlich in einer Gemeinschaft mit anderen leben zu können.

Kinder sind Lerngenies

Marco Wehr sagt, Kinder bräuchten vier Dinge, um sich diese Werkzeuge des Wissens erarbeiten zu können: Zeit, Zuwendung, Zuneigung und Zutrauen. Alles andere brächten sie mit. Sie seien von Natur aus Lerngenies. Denn folgende Fähigkeiten zeichneten sie aus: eine unbändige Neugierde, eine hohe Misslingenskompetenz und eine unglaubliche Ausdauer. Sie wagten sich permanent auf neues, unbekanntes Terrain vor, scheiterten dabei regelmäßig und probierten es einfach immer wieder aufs Neue. Sie wiederholen Dinge immer wieder und stellen so sicher, dass sich Gelerntes festigen und nachhaltig verankern kann. Die Ausdauer die Kinder mitbringen, zeigt eine Geschichte seiner Tochter: Sie habe sich Hörspielkassetten gewünscht. Doch statt sie eine nach der anderen zu hören, habe sie die erste Kassette zwei Monate lang immer und immer wieder gehört. „Was von außen nach ‚immer das gleiche‘ aussieht, war für sie immer wieder anders“, berichtet Marco Wehr. „Denn erst nach und nach konnte sie sich auch zunächst unverständliche Inhalte erschließen.“

Was bedeutet das für Eltern?

Mütter und Väter seien gefragt, ihre Kinder mit Zeit, Zuwendung, Zuneigung und Zutrauen zu begleiten, sie an ihrem Leben teilhaben zu lassen und die Phänomene der Welt für sie und mit ihnen zu erleben und zu bewerten. „Die ersten drei Jahre benötigen die Kinder, um sich die Werkzeuge für die Welt des Wissens anzueignen. Das tun sie jeden Tag, 24 Stunden lang“, sagt Marco Wehr. „Für theoretische Inhalte haben sie keine Zeit. Die sollten später kommen.“ Kinder vor dem Fernseher oder Computer zu setzen, sei ebenfalls nicht zielführend. „Es fehlt die Kommunikation. Und es fehlen Bewegung sowie die unmittelbare Wahrnehmung der Lebensrealität“, sagt der Redner. Fernseh- und Computerkonsum beanspruchen das Sehen und Hören. Alle anderen Sinne kommen zu kurz.

Die größte Herausforderung für viele Eltern heute bestünde jedoch darin, das nötige Zutrauen aufzubringen, um Kinder Erfahrungen sammeln, dabei Risiken eingehen und Niederlagen erleben zu lassen. Marco Wehr bringt ein Beispiel aus eigener Anschauung: „Wenn sich ein Elternteil sein Kind auf den Schoß setzt und gemeinsam mit ihm die Rutsche heruntersaust, tut es sich zwar nicht weh, es lernt aber auch nicht, wie es geht zu rutschen.“

Buchhinweis

Ausführlich nachzulesen sind die Inhalte in Marco Wehrs Buch: Werkzeuge für die Welt des Wissens. Was Kinder lernen müssen, um lernen zu können, GRIN Verlag, 2021

Mehr von Eike Ostendorf-Servissoglou