Die Pandemie und ihre Auswirkungen auf Kinder

In der politischen Debatte dieser Tage werden zu Recht wirtschaftliche Fragen diskutiert und abgewogen, welche Branche in welcher Höhe für fehlende Umsätze entschädigt wird. Eltern rücken in den Fokus, wenn es etwa um zusätzliche Krankentage geht. Und auch wenn die Impfungen greifbar nah sind, so ist es doch noch ein weiter Weg bis hin zu alter Normalität. Doch über eine Gruppe wird nicht oft genug berichtet: über die Kinder. 

Ich stelle mir (nicht erst seit heute) die Frage, wer für die Folgen und eventuellen Schäden aufkommen wird, die die mit der Pandemie verbundenen Einschränkungen für manche Kinder nach sich ziehen. Damit meine ich nicht Schäden durch finanzielle Einbußen und auch nicht die Doppelbelastungen, die Eltern erleben, sondern die Schäden, die manche Kinder erleiden. Welche Schäden das sind, wird in diesem Artikel angesprochen. Ab jetzt wird es etwas unangenehm, seien Sie gewarnt. Denn es geht um weitreichende Folgen. 

Kindeswohlgefährdung und fehlende Stabilität

In einer Studie des DJI (Deutsches Jugendinstitut) äußerten sich 12.000 Eltern zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf ihre Kinder. Ein Drittel der Kinder aus den befragten Familien kam nicht gut mit dem Lockdown zurecht. Den Kindern fehlte der geregelte Alltag, es fehlten die Freunde und Freundinnen, auch verlässliche MahlzeitenFreizeitaktivitäten, etwa in Sportvereinen oder Musikschulen, geben Kindern im Alltag Stabilität und Struktur. Und die Stabilität wurde vermisst. Mehr als die Hälfte der Eltern (53%), in deren Familien das Zusammenleben als eher Konflikt behaftet bewertet wurdeäußerte, dass ihr Kind überhaupt nicht gut mit den Veränderungen zurechtgekommen sei. Jede fünfte Familie (22 Prozent) berichtete, dass bei ihnen häufig oder sehr häufig ein konflikthaltiges beziehungsweise chaotisches Klima herrschte. 

Es mag Familien geben, die vom Lockdown profitieren konnten, deren Familienleben sich verbesserteDie Kinder konnten den Zugewinn an gemeinsamer Zeit genießen. Das ist wunderbar und erfreulich. Jedoch möchte ich Ihren Blick auf die Kinder lenken, die vom Lockdown nicht profitierten. Es geht um die Kinder, die zu Hause Gewalt erleben müssen, sei sie psychisch oder physisch. Es geht um die Kinderderen schulische Leistungen wie auch persönliche Weiterentwicklung stocken, und es geht um die Einsamkeit dieser Kinder und bei manchen Kindern auch schlichtweg um Hunger. 

So nehmen unter anderem die Fälle von Kindesmissbrauch im Internet immer weiter zu. Ja, die schnelle Digitalisierung von, teils noch, Kita wie auch Grundschulkindern bringt Nachteile mit sich, die Eltern, Lehrer*innen, Politiker*innen und anderen Akteur*innen noch nicht mit all ihren Facetten bedacht haben. Kinder werden in Chats angeschrieben bzw. in Video-Calls direkt kontaktiert und zu sexuellen Handlungen an sich aufgefordert, werden genötigt, Bilder zu senden oder anstößige Chats zu führen. Auch meldet Europol einen Anstieg an Suchanfragen, in denen Täter nach Material suchen, welches sexuellen Kindesmissbrauch zeigt.  

Bereits im ersten Lockdown meldeten Sozialarbeiter*innen, Seelsorger*innen und Pastor*innen , wie fatal es für die Kinder aus hochprekären familiären Verhältnissen sein kann, wenn sie nicht in ihre Einrichtungen wie die ARCHE in Berlin, unter der Leitung von Bernd Siggelkow, kommen können (Schoener 2020). Die Jugendämter meldeten eine viel höhere Zahl an Kindeswohlgefährdungen, die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegenDie Pandemie wirkt auf das, was vorher schon schwierig war, wie ein Brandbeschleuniger. In Familien mit finanziell angespannten Situationen wird es durch Corona nicht besser. Schon jetzt ist fast jedes fünfte Kind in Deutschland von Armut bedroht. Wie wird es werden, wenn deren Eltern ihre Arbeit verlieren? Wie soll man mitbekommen, dass das Kind zu Hause Prügel einstecken muss, wenn es nicht in die Kita kommt? Wem sagen die Kinder, dass sie Hunger haben, weil es daheim nicht mehr genug für alle gibt?

Langfristige Folgen der Coronakrise für Kinder

Die Kinder reagieren vermehrt mit Ängsten, wie auch in der Psychologie Heute im November berichtet wurde. In der dort zitierten Studie gaben rund 70% der befragten Kinder und Jugendlichen an, dass sie sich durch die Coronakrise seelisch belastet fühlen. Das Risiko, eine psychische Auffälligkeit zu entwickeln, steigt von 18 auf 31 Prozent! 

Frau Sevecke, die in Hall in Österreich sowie in Innsbruck die Kinder- und Jugendpsychiatrien leitet, berichtet von Kindern, die an seelischer Unruhe leiden, Schlafstörungen und Albträume haben sowie Anzeichen von Depressivität. Die Kinder, die in ihren Einrichtungen vorstellig werden, haben Sauberkeits- und Sicherheitszwänge entwickelt. Diese Krise hat laut Frau Sevecke das fatale Potential, dass sich Trauma-Symptome wie Angst, Stress, Zwang, Depression entwickeln. So wirkt sie entsprechend der Kriterien, die ein Trauma auslösedie Krise trat plötzlich ein, war nicht vorhersehbar und ist alleine nicht zu bewältigen. Dazu kommt noch, dass sie noch viel umfassender wirkt, da diese Krise Arbeitsplätze bedroht, sie schafft familiäre Ausnahmesituationen durch Kita- und Schulschließungen, den Wegfall von Freizeitaktivitäten und so vieles mehr, worauf ich bereits eingangs eingegangen bin.

Kommunikation als Lösungsansatz

Ja, die Aussichten sind für einige Kinder äußerst besorgniserregend. Und daher ist es von unschätzbarem Wert, wenn Sie, wir alle weiterhin an unseren Stellen tun, was wir können, um den Kindern eine Kindheit voller Lernerfahrungen, Spiel, Lachen, Freude und bewältigbarer Herausforderungen zu ermöglichen. So zeigte die Studie des DJI auch: „Alle Kinder und Jugendlichen fühlten sich durch häufige Kontakte zu pädagogischen Fachkräften und Lehrkräften zudem weniger einsam (35 %). Das zeigen die Einschätzungen der Eltern ebenso wie die der Kinder und Jugendlichen selbst. Vom Austausch mit Bezugspersonen aus Kita und Schule profitieren den Analysen nach auch die Eltern: Sie fühlten sich dann mit der Doppelbelastung durch Homeschooling und Erwerbsarbeit weniger überfordert.“ (Langmeyer et al. 2020

Bleiben Sie für die Kinder nahbar und für die Eltern weiter Ansprechpartner*in. Lassen Sie uns gemeinsam durch diese Krise gehen, die Kinder dabei unterstützen, dass sie unbeschadet, wenn nicht sogar gestärkt aus dieser Zeit herausgehen.

Literatur 

Donner, Susanne (2020): Die Covidkrise wirkt komplexer als Tschernobyl. In Psychologie Heute, Ausgabe November 2020, S. 67ff 

Langmeyer, Alexandra; Guglhör-Rudan, Angelika; Naab, Thorsten; Urlen, Marc; Winklhofer, Ursula (2020): Kind sein in Zeiten von Corona. Ergebnisbericht zur Situation von Kindern während des Lockdowns im Frühjahr 2020. https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/bibs2020/Ergebnisbericht_Kindsein_Corona_2020.pdf (zuletzt aufgerufen 05.01.21) 

Schoener, Johanna (2020): Ein Mensch, der bleibt. In: DIE ZEIT, Nr. 54, abrufbar unter: https://www.zeit.de/2020/54/kinderarmut-bernd-siggelkow-die-arche-kinderhilfswerk?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F (zuletzt aufgerufen am 5.1.2021) 

Mehr von Franziska Pranghofer

Auch im Winter ging es im Kita-Kleingarten voran!

Hier berichtet das element-i Kinderhaus Sterngucker aus Karlsruhe über den Verlauf Ihres Projekts Kita-Kleingarten.

Das element-i Kinderhaus Sterngucker und der Kleingartenverein Oberer See, sowie unser Imker starteten bereits im Oktober 2019 eine Kooperation, unter dem Motto:

„Gemeinsam aktiv, nachhaltig handeln für die Zukunft!“

Der Winter sowie die Corona-Bestimmungen haben uns vor einige Herausforderungen in der Umsetzung unseres Kita-Kleingartenprojektes gestellt. Doch trotz dieser Bedingungen konnten wir auch Erfolge in unserem Projekt verzeichnen.

Unsere Hütte hat nun ein Dach, wir haben unser Material für die geplante Pergola erworben, haben den Stromanschluss in Betrieb genommen, jede Menge Kabel verlegt und unsere Hüttenwände gedämmt. Trotz eisiger Temperaturen haben Christian Schneider (1. Vorsitzender des KGV Oberer See) und Ramtin Kashef (Projektleitung des element-i Kinderhaus Sterngucker) das Projekt nicht stocken lassen.

Diese Vorarbeit ermöglicht es nun, dass die Kinder des element-i Kinderhauses Sterngucker auch wieder mit vollem Tatendrang und Forschergeist gemeinsam den Kita-Kleingarten mitgestalten können. Das Frühjahr und die wärmeren Temperaturen ermöglichen es uns nun, länger mit den Kindern im Kita-Kleingarten zu verweilen. Somit möchten wir nun mit der Anzucht unserer Kulturpflanzen beginnen, die Beete vorbereiten, unserer Wege verlegen und wir möchten unser Insektenhotel bauen.

Schließlich sehen wir auch optimistisch in die Zukunft und hoffen, dass wir bald auch mehr Menschen unseres Kooperationsnetzwerkes aktivieren können, um mit uns auf dem Kita-Kleingartengelände gemeinsam aktiv, nachhaltig für die Zukunft zu handeln.

Wir möchten uns auch herzlich für die Unterstützung durch unsere Kooperationspartner*innen bedanken. Besonders bei dem Bezirksverband der Gartenfreunde e.V., den Firmen Stein und Natur, Farbe & Dach, PROBAU Malerbetrieb sowie beim Amt für Umwelt- und Arbeitsschutz der Stadt Karlsruhe.

Naturraumpädagogik im Themenfeld „Menschsein in der Welt“

Jede*r von Ihnen war mit den Kindern der Einrichtung oder den eigenen Kindern schon einmal auf Entdeckungsreise – ob im Wald, auf dem Feldauf dem Gehweg oder im Garten. Überall gibt es Spannendes zu entdecken. Sie machen sich dabei mit den Kindern nicht nur zum gemeinsamen Forschen auf, sondern geben den Kindern die Möglichkeit, sich als Teil eines großen Ganzen, als Teil der Welt zu fühlen, die sie umgibt. Ich möchte Ihnen die Möglichkeit geben, die Welt da draußen gemeinsam mit den Kindern (neu) zu entdecken und nehme sie mit in die Themenwelt von Menschsein in der Welt.  

Auf meinen Wegen durch die Häuser erlebe ich wiederholt Situationen, in denen Kinder eine Spinne, Ameise oder Biene tot oder lebendig aufgefunden haben. Oft wird der Fund gemeinsam mit anderen genaustens untersucht. Es ist spannend zu entdecken, was so ein kleines Lebewesen in seiner Anatomie ausmacht, wie es aussieht oder wie es sich verhält. Und doch bringt so ein Moment noch viel mehr mit sich. Wenn über das Leben des Tieres gesprochen wird oder über sein Ableben, beginnen die Kinder, eine Vorstellung über den Kreislauf des Lebens zu entwickeln. Unter dieser „Menschsein-in-der-Welt-Brille“ die Umgebung zu entdecken, bringt neue Fragen mit sich, berücksichtigt andere Dimensionen vom Menschwerden in dieser Welt. Lassen Sie uns bei der Hinwendung zu Naturraumpädagogik einen Blick durch diese Brille wagen 

Der Naturraum gibt viele Anlässe, die Welt, in der wir leben, zu entdecken. Wenn es unser Ziel ist, Kindern die Möglichkeit zu geben, zu verstehen, wie die Dinge um uns herum funktionieren, dann ist der Naturraum dafür ideal (siehe Kron 2020, S. 5f.). Wenn wir im Naturraum unterwegs sind und suchen, was die Welt ausmacht, dann begegnen uns Themen wie Leben und Tod, wir sehen eine Menge anderer Lebewesen, sehen, wie sie leben, können sie mit anderen vergleichen, in Beziehung setzen und auch selbst ein eigenes Gefühl zu den Dingen, auf die wir treffen, aufbauen. 

An einem einzelnen Tag in der Natur erleben wir, dass sich die Welt um uns herum ändert, es wird heller oder dunkler als vorher, es wird wärmer oder auch kälter als zuvor. Sind wir häufiger da draußen, beobachten wir, wie sich Bäume und deren Blätter verändernWir beobachten, dass auch Tiere sehr verschiedenen Tätigkeiten nachgehen, oder finden sogar ganz andere (saisonale) Tiere.   

Expert*innenCheckHören Sie an dieser Stelle in sich hinein. Was für weitere Themen von Menschsein in der Welt fallen Ihnen einauf die Sie in der Natur treffen? 

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was uns die Natur für Gelegenheiten und gleichzeitig Anknüpfungspunkte bietet und welche Dimensionen für Kinder an dieser Stelle wichtig sind, betrachten wir den Kontext. Beginnen wir im Kleinen:  

element-i Impulse in der Natur werden begleitet oder gerahmt durch den Sonnenstand, von den Lichtverhältnissen, der Temperatur, dem Erscheinungsbild – also dem Zustand, wie es da draußen aussieht. Für Kinder sind das zunächst Sinneseindrücke, losgelöst von einem Gesamtzusammenhangden wir Erwachsene diesem Sinneseindruck zuschreiben; häufig auch losgelöst von einem eigentlichen gesetzten Thema im Rahmen eines Impulses.  

In ihrem Streben, die Welt verinnerlichen zu wollenmüssen die Kinder erst ein System innerer Ordnung herstellen. Grundlegend für den Aufbau dieser Ordnung sind sog. Vorläufererfahrungen: Um zu verstehen, was das Konstrukt Tag ist, brauche ich erst einmal eine Idee von ZeitZeit erlebt schon der Säugling: Zeiten, in denen Berührungen stattfinden, Zeiten, in denen keine Berührungen stattfinden. Zeiten, in denen Bewegung stattfindet, Zeiten, in denen es nicht so ist. Zeiten, in denen Geräusche hörbar sind oder jemand spricht, und Zeiten, in denen es ruhig ist. Nur hat der Säugling dafür noch keine Begriffe und nicht die Zuschreibungen der Erwachsenen. Sicherlich empfindet der Säugling eine Unterscheidung zwischen Wohlsein oder Unwohlsein.  

Durch das Ausdifferenzieren des inneren Systems, also zu verstehen, wie die Dinge um mich herum funktionieren, gelange ich irgendwann an den Punkt, eine Vorstellung davon zu entwickeln, was, um bei dem Beispiel zu bleiben, ein Tag an Zeiträumen mit sich bringt, worin sich diese unterscheiden bzw. dass es einen Tageskreislauf gibt und Tage sich in ihrer Form wiederholen. Dafür langt es nicht einfach, in der Natur zu sein, es langt nicht das „bloße“ Erfahren von Sinneseindrücken. Denn eine innere Ordnung entsteht auf der Grundlage persönlicher Bedeutungsbeimessung. „Die Welt wird erfahren und in einen mit (Bezugs-) Personen abgeglichenen Bedeutungskontext eingebunden“ (Kammerlander et al. 2018, S. 14f.). Es ist also ein Abgleich der Sinneseindrücke über Kommunikation nötig. An dieser Stelle sind Sie nicht nur Gesprächspartner*innen, sondern Impulsgeber*innen. Und für die richtigen Impulse braucht es die richtige Brille.  

Der Naturraum liefert Ihnen dafür unendlich viele Gesprächsanlässe, um mit den Kindern die Welt ganz grundlegend zu erfahren. So können sich die Kinder mit Ihnen zusammen nicht nur auf den Weg machen, zu erfahren, was ein Tag ist, sondern sie können Erfahrungen machen, die dabei helfen, sich erste zaghafte Vorstellungen von Zeit aufzubauenNach und nach entwickelt jedes Kind weitere Vorstellungen darüber, was eine Woche, was ein Monat oder ein Jahr ist. Nach der Kita-Zeit sollte jedes Kind eine Idee von Zeit haben, ohne dass diese völlig ausgereift oder korrekt sein muss. Sie als Pädagoge können genau an dieser Stelle auch die Naturraumpädagogik nutzen. Denn „Natur stellt für Kinder einen maßgeschneiderteEntwicklungsraum dar. Eine Erfahrungswelt, die genau auf die Bedürfnisse von Weltentdeckern zugeschnitten ist. Hier können sie Segel setzen. Hier bläst der Wind, den sie für ihr Gedeihen brauchen. […] Hier können sie an ihrem Fundament bauen. Zeit in der Natur ist Entwicklungszeit! (Renz-Polster und Hüther, 2019, S. 35). 

Viel Spaß da draußen wünscht Ihnen 

Yves Wilhelm 

Literatur 

Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser. Stuttgart. 

Kron, Anna-Lena (2020): Natur(raum) erfahren! Fach-Newsletter des Pädagogischen Leitungskreises, Ausgabe 12, Stuttgart, S. 5-6. 

Renz-Polster, Herbert; Hüther, Gerald (2019): Wie Kinder heute wachsen: Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. Beltz: Weinheim. 

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element-i Kinderhaus Junges Gemüse als „Haus der kleinen Forscher“ zertifiziert

Das element-i Kinderhaus Junges Gemüse wurde für die Förderung naturwissenschaftlicher Themen mit dem Zertifikat „Haus der kleinen Forscher“ ausgezeichnet. In den vergangenen Wochen hatten sich die Kinder mit besonderem Interesse dem Thema Viren gewidmet.

Das „Haus der kleinen Forscher“ ist eine bundesweite Fortbildungsinitiative für pädagogische Fach- und Lehrkräfte. Die Stiftung mit Sitz in Berlin fördert den Entdecker- und Forschergeist in der frühkindlichen Bildung und Erziehung. Dazu gehört der gesamte MINT Bereich: Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

Zur Zertifizierung des Kinderhauses Junges Gemüse tragen zum einen die regelmäßigen Experimente zu den vier Elementen bei. Zum anderen legen die Erzieher*innen den Fokus auf die Verbindung zwischen Forschen & Entdecken und Werte & Verantwortung. Durch viele verschiedene Tiere im Kinderhaus, wie Fische und Schildkröten, entsteht bei den Kindern automatisch ein Gefühl für Verantwortung. Alle Kinder wollen sich um die Tiere kümmern. Daher werden im monatlichen Wechsel jeweils zwei Kinder pro Tierart ausgelost. Diese sind den kompletten Monat für deren Verpflegung verantwortlich.

In der letzten Zeit war außerdem das Thema Virus sehr präsent im Jungen Gemüse. Das aktuellste Projekt hieß „Viren-Monster“. Die Fragestellung zu dem Thema lautete „Warum sollten wir uns die Hände waschen und wann?“. Daraufhin haben die Kinder verschiedene Thesen aufgestellt. Im Anschluss untersuchten sie mit Hilfe einer UV-Lampe ihre Hände nach Viren. Mit dem Ergebnis haben die Kinder auf verschiedene Weisen die Hände gewaschen und nochmals mit der Lampe kontrolliert. Über die verschiedenen „Hygiene-Fortschritte“ wurde sich unterhalten und jedes Kind hat sein eigenes Fantasie-Viren-Monster gestaltet.

Kinderhäuser, die auch ein „Haus der kleinen Forscher“ werden wollen und Fragen dazu haben, können sich an Lisa Reuß wenden!

Wir machen mit! Bitte abstimmen!

Vier element-i Kinderhäuser haben ihre Projektideen beim SpardaImpülsle eingereicht.

Seit vielen Jahren engagiert sich unser Partner, die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, für soziale und bildungsrelevante Themen. Der Wettbewerb SpardaImpülsle richtet sich an alle Kitas in Baden-Württemberg, sich mit ihren Projekten aus einem der drei Themenbereiche Natur, Bewegung oder Kreativität um eine Spende zu bewerben. 150 Kitas werden mit 85.000 Euro gefördert, um ihre eingereichten Projekte umsetzen zu können. Wer vom Fördertöpfchen profitieren wird, hängt von der Anzahl der Stimmen am 25. März 2021 um 16 Uhr ab. Daher: Bitte jetzt mitmachen und für eines unserer Kinderhäuser abstimmen.

Vier element-i Einrichtungen haben tolle Projekte eingereicht:

Das Team des element-i Kinderhauses Finkenburg hat sich überlegt, wie sie für die Finkenburg Kinder den Bildungsbereich Körper und Sinne im Kita-Garten integrieren kann. Dabei ist die Idee entstanden, einen Sinnespfad mit verschiedenen Stationen durch den Garten zu gestalten. Das Projekt soll vor allem dem heutigen Bewegungsmangel und fehlenden körpernahen Sinneserfahrungen entgegenwirken. Zur Abstimmung: element-i Kinderhaus Finkenburg | SpardaImpülsle 2021 (spardaimpuelsle.de)

 

Das Team des element-i Kinderhauses Kinderländle würde gerne mit den Kindern ein großes Insektenhotel bauen, um ihnen so näher zu bringen, dass jedes Lebewesen seinen Platz zum Leben braucht und zum anderen die Artenvielfalt in der Stadt unterstützen. Obwohl oder gerade, weil die Kita mitten in der Stuttgarter Innenstadt liegt, sind die Kinder sehr interessiert an Naturthemen. Sie haben bereits ein Eichhörnchen-Hotel sowie eine Futterstation für Eichhörnchen und Vögel im Garten gebaut. Zur Abstimmung: element-i Kinderhaus Kinderländle | SpardaImpülsle 2021 (spardaimpuelsle.de)

 

Im element-i Kinderhaus Regenbogenhaus steht derzeit das Thema Hühner ganz oben auf der Liste. In einem Brutkasten erleben die Kinder hautnah, wie aus einem Ei ein Küken wird. Für die Hühner benötigt die Kita allerdings noch einen Hühnerstall. Mit diesem Projekt lernen die Kinder langfristig Verantwortung zu übernehmen, sich um ein Lebewesen zu kümmern und welche Aufgaben das Halten eines Tieres mit sich bringt. Viele Kinder wachsen ohne Garten und Tiere auf und verlieren daher den Bezug zu praktischen Tätigkeiten. Zur Abstimmung: element-i Kita Regenbogenhaus | SpardaImpülsle 2021 (spardaimpuelsle.de)

 

Das element-i Kinderhaus Steppkes verfügt über einen schönen Schrebergarten. Dort können die Kinder, klettern, rennen, toben, verstecken und sind eins mit der Natur. Dieses Jahr wurde der Schrebergarten auf Vordermann gebracht und ein neues Gartenhäuschen angeschafft, das innen allerdings noch leer ist. Um so viel Zeit wie möglich im Schrebergarten verbringen zu können, wünscht sich das Team eine Natur-Toilette und Sitzmöglichkeiten wie z. B. kleine Bänke und Tische sowie Gartenwerkzeug, um bei den Kindern spielerisch und praktisch das Interesse für die biologische Vielfalt zu wecken. Zur Abstimmung: element-i Kinderhaus Steppkes | SpardaImpülsle 2021 (spardaimpuelsle.de)

 

Für das element-i Kinderhaus Spielzeit des Stuttgarter Staatstheaters ist Gesundheit die Grundlage für ein aktives und glückliches Leben bis ins hohe Alter. Um die tägliche Bewegung der Kinder zu fördern, will das Team jedem Kind das liebevoll illustrierte DIBBLA-Bewegungskartenspiel schenken, das bereits Kleinkinder zum Mitmachen animiert. Gerade in der aktuellen Zeit ist es die perfekte Idee, ohne viel Aufwand Bewegung sowohl in den Kitaaltag zu integrieren als auch den Eltern Ideen für zuhause mitzugeben. Zur Abstimmung: element-i Kinderhaus Spielzeit | SpardaImpülsle 2021 (spardaimpuelsle.de)

 

Im element-i Kinderhaus Wirbelwind entstand vor einigen Wochen das Projekt „Ponyville“. Mithilfe von Kartons wurde die klassische Puppenecke in eine Pferdewelt verwandelt. Gemeinsam mit den Erziehern haben die Kinder die Grundrisse von Pferdeboxen, Blumen, Eimern und Heu auf den Karton gemalt, ausgeschnitten und zusammengeklebt. Parallel dazu wurden viele Sachbücher über Pferde gelesen, die Kinder brachten Hörspiele oder Comics zum Thema mit. Mit dem Preisgeld will die Kita das Projekt weiter ausbauen, um die Lebenswelt der Kinder noch zu erweitern. Zur Abstimmung: element-i Kinderhaus Sportkita Wirbelwind | SpardaImpülsle 2021 (spardaimpuelsle.de)

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Weitere Informationen zum Wettbewerb und der Stimmabgabe finden Sie hier.

 

Mahlzeiten in den element-i Kinderhäusern

Im Rückblick auf das Jahr 2020 haben sich verschiedene Bereiche des Alltags in den Kinderhäusern nach und nach verändert. Dies betrifft auch die Mahlzeiten, die ein fester Bestandteil im Tagesablauf unserer Kinderhäuser sind.

In weiter Ferne erscheinen uns die Erinnerungen an Momente, als Kinder aller Altersklassen am Morgen gemeinsam um einen Tisch herum sitzen und frühstücken, während auf einem zugänglichen Tisch ein einladendes Buffet zu sehen ist. Wie aus einer anderen Welt wirken Bilder, in denen die Kinder – aus Sing-, Lese und/oder Erzählkreisen kommend – nach dem Händewaschen in Richtung Markplatz unterwegs waren, wo das gemeinsame Mittagessen stattfindet.

Zurück im November 2020 stehen wir nun vor der Frage, in welchem Rahmen und unter welchen Bedingungen die Mahlzeiten in unseren Kinderhäusern stattfinden können: Welche Ziele verfolgt das element-i Ernährungskonzept? Wie ist es mit den aktuellen Vorgaben zu Hygiene und Gesundheitsschutz in Einklang zu bringen? Was sind die übergeordneten Ziele, die durch die Umsetzung des element-i Ernährungskonzepts transportiert werden? Lassen Sie mich mit den übergeordneten Zielen beginnen und einige Prozessziele, die im Roxtra-Dokument „Prozessbeschreibung Mahlzeiten“ und im Ernährungskonzept enthalten sind, aufgreifen:

  • Alle Kinder haben die Möglichkeit, im element-i Kinderhaus einen bewussten und alles umfassenden Umgang mit dem Thema Ernährung zu erfahren und erleben.
  • Alle Kinder entwickeln ein positives Verhältnis zum Thema Ernährung, Essen und Mahlzeiten.
  • Altersangemessene Ernährungserziehung ist fester Bestandteil des Auftrags der Pädagogischen Fachkräfte in den Kinderhäusern (vgl. Ernährungskonzept für Kinderhäuser 2013, S. 3).

Es stellt sich also die Frage, welche Rahmenbedingungen und Handlungsweisen sich daraus ableiten lassen, um den Kindern den Rahmen zu bieten, der diese Ziele erfüllt – ohne dabei die Vorgaben an Hygiene und Gesundheitsschutz zu unterlaufen. Fakt ist, dass der ursprünglich gewohnte und von allen Beteiligten geschätzte Rahmen nicht mehr 1:1 umgesetzt werden kann. Wie soll also innerhalb des aktuellen Rahmens eine Situation geschaffen werden, um die Ziele des element-i-Ernährungskonzepts gut und gelingend umsetzen zu können? Im Weiteren wird der Fokus auf den beiden Hauptmahlzeiten Frühstück und Mittagessen gerichtet.

Das Frühstück

Die Auswahl der Komponenten des Frühstücks ermöglicht den Kindern einen Start in den Tag, der von einem optimal aufgefüllten Nährstoffvorrat getragen ist. Dieses Ziel kann unabhängig davon erfüllt werden, ob das Frühstück in Buffet-Form angeboten wird oder nicht. Dementsprechend gilt es, eine Atmosphäre zu schaffen, die Kindern innerhalb ihres Gruppenbezugs eine gelingende Frühstückssituation ermöglicht. Die pädagogischen Fachkraft hat in der morgendlichen Situation eine wichtige Bedeutung – vor allem für Kinder, denen die Begleitung der Eltern innerhalb der Frühstückssituation Orientierung gegeben hat, die in der derzeitigen Situation fehlt. Um den Kindern in der frühen Mahlzeit in den Kinderhäusern ein positives Ernährungsverhalten vorzuleben bzw. zu vermitteln, sollte nach Möglichkeit jeden Tag für eine kontinuierliche Begleitung der Frühstückssituation Sorge getragen werden. Dabei ist zu beachten, dass das Frühstück weiterhin offen und flexibel geplant wird. Die Kinder sollen – auch in der Pandemie – zwischen Mahlzeit oder Freispiel wählen können. Das bedeutet, dass die Mahlzeit für alle Kinder nach wie vor nicht gemeinsam beginnt und entsprechend endet. Folgende Impulsfragen können für die Gestaltung des Frühstücks herangezogen werden:

  • Wie geben wir Pädagog*innen den Kindern innerhalb unserer Kohorte die Möglichkeit, die Frühstücksituation als individuell ritualisierten Bestandteil des eigenen Ankommens zu erleben?
  • Gelingt es uns Pädagog*innen, beim Frühstück eine Atmosphäre herzustellen, in der Kinder ankommen und Gespräche über den Tag, die Zukunft oder die Vergangenheit führen können?
  • Welche Bestandteile der angebotenen Speisen können mit den Kindern gemeinsam am Tisch zubereitet werden?
  • Wie können wir Pädagog*innen für eine aktive Beteiligung der Kinder sorgen, dabei stets den individuellen Blick auf jedes Kindes wahren und die Hygienevorgaben beachten?
  • Wie schaffen wir Pädagog*innen einen Rahmen, in welchem alle Kinder der Gruppe die Möglichkeit erhalten, ohne zeitlichen Druck zu frühstücken?

Das Mittagessen

„Beim Mittagessen steht eher der gemeinschaftliche Aspekt des Essens im Mittelpunkt, (…) und stellt somit einen Eck- und Ruhepunkt im Tagesablauf dar“ (element-i Ernährungskonzept für Kinderhäuser 2013, S. 12).

Die Hauptmahlzeit im Tagesablauf der Kinderhäuser findet für die Kinder einer Gruppe zur selben Zeit statt. Ein ritualisierter Ablauf gibt den Kindern Halt und Sicherheit. Der gewohnte Rahmen hat sich für die meisten Kinder im letzten Jahr stark verändert. Aktive Beteiligung an der Zubereitung bzw. der Vorbereitung der Mahlzeit sind aktuell nicht möglich. Die Optionen in Bezug auf die Wahl des Platzes oder des/der Tischnachbarn sind noch – bisweilen begrenzt – vorhanden.

Dennoch bleibt es das Ziel, den Kindern während des Mittagessens einen Rahmen zu geben, der es ihnen ermöglicht, zu Expert*innen der eigenen Ernährung zu werden und sinnliche Erfahrungen mit den Gerichten oder einzelnen Komponenten dieser Gerichte zu erfahren. Die Schaffung einer solchen Situation ist damit die Hauptaufgabe für alle pädagogischen Fachkräfte einer Kindergruppe. Daher sollte auch hier einer kontinuierlichen Begleitung der verschiedenen Tische gewährleistet sein und sich durch eine aktive, kommunikative und aufmerksame sowie vorbildhafte Begleitung auszeichnen. Wie kann der Rahmen für das gemeinsame Mittagessen beschaffen sein?

  • Findet die gemeinsame Zubereitung eines Schautellers statt? Dieses Element der Mahlzeit ist in der Pandemie in den Fokus gerückt, da die aktive Beteiligung an der Zubereitung der Speisen mit dem Koch bzw. in der Küche nicht mehr im gewohnten Rahmen möglich ist.
  • Wie haben Kinder die Möglichkeit, während der Mahlzeit sinnliche Erfahrungen zu machen, denen sie in Bezug auf das eigene Essverhalten oder die angebotenen Speisen Bedeutung beimessen können?
    Während die Kleinsten weiterhin die Möglichkeit erhalten, die Mahlzeit mit allen Sinnen zu spüren, braucht es mit Blick auf die älteren Kinder zum Beispiel eine Gesprächskultur am Tisch, innerhalb derer die Kinder über ihre sinnlichen Erfahrungen nachdenken und sprechen können. Welche Gerüche sprechen die Kinder an und welche nicht? Was bedeuten unterschiedliche Konsistenzen (fest, weich, flüssig), die entweder im Mund oder auch mit dem Besteck spürbar werden? Wie hat den Kindern welche Komponente der Mahlzeit geschmeckt?
  • Mengen abschätzen und Portionsgrößen messen sind elementare Bestandteile der Entwicklung hin zum Kennen(lernen) des eigenen Hungergefühls.
    Wenn die recht jungen Kinder in der Krippe das Schöpfen und Einschenken für sich entdeckt haben, so steht die Tätigkeit an sich im Vordergrund. Nach und nach werden eigenständiges Schöpfen und die gewünschte Menge, die satt macht, miteinander in Verbindung gebracht. Daher ist es zentral, dass pädagogische Fachkräfte mit am Tisch sitzen, die Tätigkeiten – auch sprachlich – begleiten. So können die Kinder ihre Kompetenzen zunehmend erweitern.
  • Falls die Begleitung mit den Hygienevorgaben eingeschränkt ist, sollte bedacht werden, wie Sie „wegfallende“ und für Kinder elementare Aktivitäten wie Schöpfen, Umgießen, Tisch decken und abräumen in die pädagogische Arbeit in den Bildungsbereichen übertragen können.

Mein Fazit

Welches Fazit kann nun mit Blick auf die aktuelle Situation gezogen werden? Die Rolle der pädagogischen Fachkraft in Bezug auf die Mahlzeiten ist ungebrochen essenziell. Der Fokus hat sich im Regelbetrieb unter Pandemiebedingungen jedoch etwas verschoben. Diesen Veränderungen Rechnung zu tragen – gerade im Bereich Hygiene und Gesundheitsschutz – ist unerlässlich. Der beständige Fokus aller Beteiligten sollte jedoch auf der pädagogischen Arbeit liegen – auf inhaltlicher Ausgestaltung und Begleitung der Mahlzeiten.

Lassen Sie mich zum Abschluss einen Bezug zu den fünf Leitlinien der element-i Pädagogik herstellen. Sie sind nämlich in allen Momenten gemeinsamer Mahlzeiten im Kinderhaus wiederzufinden. Mahlzeiten schaffen durch ihren Aufbau und Ablauf eine Verbundenheit und stärken das Gemeinschaftsgefühl in der Kindergruppe. Alle Kinder haben die Möglichkeit, Verantwortung für die Gemeinschaft zu übernehmen, was sich beispielsweise beim gemeinsamen Vorbereiten der Mahlzeiten oder auch der nachfolgenden Auf- und Abräumphase zeigt. Auf der anderen Seite können die Kinder in den Essensituationen im Kinderhaus autonome Erfahrungen sammeln. Von der eigenständigen Portionierung über die Auswahl der Speisen bis hin zum übergeordneten Verständnis, dass jedes Kind essen darf, was es möchte, und sich dafür bewusst entscheiden kann.

Denken Sie an Freude am Lernen. Auch diese Leitlinie ist deutlich erkennbar. Denn die Mahlzeiten und das Erlebnis des gemeinsamen Essens bietet allen Kindern vielfältige Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse weiterzuentwickeln. Dabei gehen wir als Pädagog*innen davon aus, dass Kinder den Rahmen finden, das zu tun, was sie erfreut, erfüllt und zufrieden macht. Innerhalb dieses Rahmens stecken auch Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Neue Kompetenzen machen ein Kind stolz und stärken es, aktiv in der Gesellschaft, in der es sich befindet, mitzuwirken.

So kann jedes Kind und auch jeder Erwachsene an seiner Stelle und mit seinen Kompetenzen Gesellschaft mit gestalten – im besten Falle konstruktiv und gesund. Alle Leitlinien ergänzen sich in ihrem Zusammenspiel während aller Mahlzeiten und Essenssituationen in den Kinderhäusern und ermöglichen so ein gesundes Ganzes.

Stellen Sie sich regelmäßig die nötigen inhaltlichen Fragen zur Ausgestaltung der Mahlzeiten im Kinderhaus und rücken Sie damit die Pädagogik in den Mittelpunkt des Geschehens. So entwickelt sich ein Prozess, der Kindern jeden Tag entspannte und sinnliche Momente ermöglicht, um Esskultur zu erleben, kommunikative Kompetenzen zu erweitern und zur Expert*in der eigenen Ernährung zu werden. Für Rückfragen zum Thema oder Beratung zu den oben gestellten Fragen freue ich mich auf Ihre Rückmeldungen.

Quelle:
Hesselschwerdt, Jacob (o. J.): Prozessbeschreibung Mittagessen. Roxtra – Qualitätshandbuch für element-i-Kinderhäuser.
Kammerlander, C.; Rehn, M. & Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser S.9ff
Konzept-e: Element-i Ernährungskonzept für Kinderhäuser (2013)

Mehr von Jacob Hesselschwerdt

Das Bilderbuch – Ästhetische Erfahrungsmomente

Kunstbetrachtungen berühren Prozesse der Identitätsbildung und Sinnstiftung

Auch bei Kindern rufen Bilder starke Wahrnehmungseindrücke und emphatisches Erleben hervor. Ganzkörperliche und emotionale Reaktionen von Kindern auf ästhetische Phänomene sind bereits im frühkindlichen Alter zu beobachten (vgl. Weiser 1994). Begegnung mit Überraschendem löst bei Kindern den Wunsch nach Verstehen aus und beflügelt ihre Vorstellungskraft. Die Anregungen und Auseinandersetzungen mit Bildern führen Kinder zur Konstruktion von neuen sensorischen, kognitiven, emotionalen und sozialen Wahrnehmungsmustern. Damit Kinder den Zugang zum Bild suchen, mutig in das Bild eintauchen und über das Erlebte erzählen, benötigen sie passende Anlässe.

Das sogenannte „kompetente Sehen“ im Sinne einer bewussten und erkenntnisträchtigen Wahrnehmung bedarf Unterstützung und praktischer Übung. Museen und Ausstellungen sind wunderbare Orte, künstlerische Werke zu betrachten und auf sich wirken zu lassen. Ein anderer, einfach herstellbarer Erfahrungsraum, um künstlerische und bildnerische Erkenntnisse zu erleben, ist das Bilderbuch. Ebenfalls auch ein ästhetischer Gegenstand.

Es bietet Grunderfahrungen, wie Farb-, Form-, Schrift- und Materialgefühl, und lässt auf unerschöpfliche Weise wahrnehmen, analysieren und deuten. Das Kind übt sich darin zu sehen, zu erleben, zu erkennen und zu interpretieren. Es lernt dadurch auch, in der Bilderwelt des eignen Alltags besser zurecht zu kommen und an der kulturellen Vielfalt aktuell und zukünftig aktiv teilzuhaben.

Bilderbücher als Grundstein für die spätere ästhetische Wahrnehmung

Neben Bilderbüchern mit Text und Bild, welche immer eine Einheit bilden, erzählen textfreie Bilderbücher ausschließlich mit Bildern. Meist zeichnen sie sich durch erzähldramaturgische und bild-künstlerische innovative Gestaltungstechniken aus und laden zu künstlerischen und bildnerischen Erfahrungsreisen ein. Bilderbücher ohne Text regen zum Nachdenken und zur kreativen Auseinandersetzung mit den visuellen und thematischen Inhalten an. Sie üben genaues Betrachten der Bilder und fördern eine tiefe Auseinandersetzung mit ihnen. Bilder erzählen oft in einer direkten „Sprache“, können provozieren, Fragen auslösen und irritieren, indem sie nähere Bestimmungen offenlassen. Es ist eine Einladung zum Versinken in eine Geschichte. Eine Geschichte ohne Bewertungen wie richtig oder falsch, offen für Interpretationen und alle Sichtweisen. Entsprechend groß ist die interpretatorische Freiheit des Betrachters: Nicht die Hauptfigur vermittelt die Geschichte, sondern die Betrachter*in, der die Bilder kognitiv verarbeitet, strukturiert und in einen übergeordneten Kontext narrativ miteinander verknüpft.

element-i Magazin Rotkäppchen
Serra, Adolfo: Rotkäppchen, Arcaro Verlag 2012. https://www.aracari.ch/page/de/buecher/detail?id=212

Eine besondere Form der textfreien Kinderbücher ist das Künstlerbuch. Es unterscheidet sich von anderen Bilderbüchern dadurch, dass es oft ein eigenständiges Kunstwerk ist. Das Buch als Kunstwerk bricht die konventionellen Vorgaben eines Bilderbuchs. Es experimentiert mit abstrakten Darstellungsweisen, meist nicht motivisch-figural, sondern häufig mit Formen, Farben, Schatten, Papierschnitten und verschiedenen Materialien. Das Bild zeigt z.B. nicht nur das Ergebnis, sondern den Prozess des Entdeckens und der Spurensuche des Künstlers. Dieser ästhetische Prozess ist stark von Offenheit und Neugierde und der Wahrnehmung von der Stimulanz des Materials geprägt. Kinder können sich mit den spannenden Erfahrungsprozessen auseinandersetzen, statt nur das Endprodukt zu sehen. Teilweise ist die klassische Leseart aufgehoben, und das Buch ist von allen Richtungen zu lesen (Milo Cvachs: Dans tout les sens) oder erlaubt auf jeder beliebigen Seite zu beginnen, um die Unendlichkeit des Lebenskreises hervorzuheben (Enzo und Lela Maris: Bücher ohne Worte). Es entsteht ein offenes sinnliches Erfahrungsfeld, in dem Geschichten auf andere Art entstehen. Bilder erzählen über sich selbst oder von der Arbeit des Künstlers. Die Abstraktion eröffnet ein Spannungsfeld zwischen narrativer Kohärenzbildung und bildnerischer Mehrdeutigkeit. Dadurch eröffnet sich ein enormer Interpretationsspielraum. Diese erlebten und lebendigen Erfahrungen regen die Kinder an, sich selbst auszuprobieren und selbst zu produzieren, sei es bildnerisch, musikalisch, dichterisch oder darstellerisch.

„Ästhetische Erfahrung bezieht sich nicht auf Kunsterfahrung, sondern ist ein Modus, Welt und sich selbst im Verhältnis zur Welt und zur Weltsicht anderer zu erfahren.“ (Gunter Otto, einer der einflussreichsten Kunstpädagogen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts)

Förderung von Kreativität und Dialogfähigkeit

Ein Bilderbuch sinnlich zu erfahren ist ein komplexes elementares Erleben. Diese Bilderschließung benötigt konzentriertes Einlassen und ein dafür passendes Setting. Begeben sich Kind und erfahrene Mitbetrachter*in/ Mitleser*in – ohne planbares Ergebnis – auf eine gemeinsame Bilderreise, können visuelle Gestaltungsinhalte und Sichtweisen frei entdeckt und erforscht werden. Die entstandenen Lesestrategien von abstrakten Formen, Farben und Materialien miteinander zu teilen, eröffnen Kind und Mitbetrachter*in einen unendlichen Erkenntnis- und Schaffensraum.

Das Teilen dieser mannigfaltigen Zugangsmöglichkeiten macht die Bilderbuchbetrachtung so wertvoll: Dem Kind wird deutlich, dass nicht immer alles eindeutig sein muss. Es lernt zu reflektieren, zu hinterfragen und kritisch zu betrachten. Seine eigenen Erkenntnisse dürfen anders sein als die der Mitbetrachter*in und beide dürfen sein. Künstlerische Bilderbücher motivieren Kinder auf experimentelle und kreative Weise, sich Gedanken, Ideen, Wahrnehmungen, Vorstellungen und Improvisationskraft zu erspielen. Sie regen die explorative schöpferische Entfaltungskraft an und das Interesse am Weg statt nur das Interesse an der Lösung. Jean Piaget war bereits in den 1970er Jahren überzeugt: „Kinder können ein viel breiteres Spektrum künstlerischer Gestaltung und Thematik aufnehmen, als das beschränkte und meist verniedlichende Angebot.“

Ich lade Sie ein, sich auf eine künstlerische Erfahrungsreise mit vielfältigen textfreien Bilderbüchern zu begeben. Machen sie sich mit Kindern auf die Suche nach Bilderbüchern, welche sich nicht auf den ersten Blick erschließen. Nehmen Sie Bildbände, Galeriekataloge, Plakate oder fehlerhafte bzw. lückenhafte Bilderbücher und gestalten Sie eigene Kinder-Künstlerbücher. Experimentieren Sie mit Ort, Methode und explorativ künstlerischen Wegen, improvisieren Sie mit Materialien. Und vor allem: berichten Sie mir über die Gestaltungsprozesse und Lösungen. Dokumentieren Sie bildnerischen Prozesse, Reaktionen und die Aktionen der Kinder. Teilen Sie Ihre Erkenntnisse und Erfahrungen mit Ihren Kollegen.

Literatur

Cvach, Miloš (2007): Dans tous les sens, 50 signierte und nummerierte Exemplare, handgefertigt
Kettel, Joachim (2003): Künstlerische Bildung nach Pisa – Neue Wege zwischen Kunst und Bildung. Athena-Verlag: Bielefeld
Krichel, Anne (2019): Textlose Bilderbücher. Waxmann: Münster, New York
Kunst zwischen Deckeln. Künstlerbücher. Book Arts. International. Ein Blog über Künstlerbücher. Abrufbar unter: https://bookarts.hypotheses.org/ (zuletzt aufgerufen am 28.7.2020)
Luhmann, Niklas; Baecker, Dirk; Bunsen, Frederick (1990): Unbeobachtbare Welt. Über Kunst und Architektur. Haux-Verlag: Bielefeld
Mari, Lela und Enzo (2009): Der Apfel und der Schmetterling, Moritz Verlag: Frankfurt am Main
Mari, Lela (2017): Ein Baum geht durch das Jahr, Beltz & Gelberg: Weinheim
Mari, Lela (1970): Die Henne und das Ei, Ellermann Verlag: Hamburg
Thiele, Jens (2000): Das Bilderbuch – Ästhetik, Theorie, Analyse, Didaktik, Rezeption. Verlag Isensee: Oldenburg
Piaget, Jean (1972): Sprechen und Denken des Kindes (= Sprache und Lernen Bd 1). Pädagogischer Verlag Schwann: Düsseldorf
Weiser, Norbert (1994): Laura und die Bilder. In: Selle, Gert (Hrsg.): Betrifft Beuys. Annäherung an die Gegenwartskunst. LKD Verlag: Unna

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Kleinkinder beim Entdecken der Sprache begleiten

Im Orientierungsplan von Baden-Württemberg ist der wunderbare Satz Sprechen lernt man nur durch Sprechen zitiert. Er findet sich nicht nur dort, sondern auch in zahlreichen Fachbüchern zur sprachlichen Bildung und ist so einfach wie wahr. Gleichzeitig kritisieren die Autor*innen, dass mit Kindern nicht genügend gesprochen würde (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport 2015, S. 131) – ein alarmierender Befund. Und wie schaut es bei der Qualität gesprochener Sprache aus? Denn dass allein die Menge an sprachlichem Input durch Erwachsene den Kindern nütze, das glaubt wohl niemand. Zu Recht: Denn viel hilft bekanntlich nicht viel. Es kommt auf geeignete sprachliche Impulse an. Dafür brauchen Pädagog*innen in Krippen und Kitas genügend Wissen zu alltagsintegrierter sprachlicher Bildung und über die Meilensteine der sprachlichen Entwicklung von Kindern, mahnen auch die Autor*innen des Abschlussbericht„Sprach-Kitas“ an (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2015, S. 71). 

Wenden wir uns den Bereichen zu, die Sie als Pädagog*innen in der Praxis mit den Jüngsten gestalten können. Worauf kommt es im Alltag an? Wie schaffen Sie Möglichkeiten zum Sprechen und qualitativ hochwertige dazu? Auch zu diesen Fragen habe ich die Bildungspläne durchgesehen und folgende zentrale Aspekte gefunden, die pädagogische Fachkräfte wenig überraschen: 

Sich dem Kind zuwenden

Als eine oder die zentrale zuständige Bezugsperson bauen Sie den Kontakt zum Kind auf, wenden Sie sich ihm zuso wie das Kind sich auch Ihnen zuwendet. Sie greifen die Themen und Äußerungen des Kindes auf, versprachlichen die Handlungen des noch jungen Kindes, registrieren seine Erfolge und machen diese fürs Kind sichtbar. Sie erweitern oder modellieren die Äußerungen des Kindes – dem Entwicklungsstand des Kindes angemessen. Und Sie lassen dem Kind Zeit zu antworten, Sie hören ihm aktiv zuDamit sind Sie Sprachmodell und Sprachvorbild zugleich (vgl. Bildungsgrundsätze Nordrhein-Westfalen, S. 92) – zu jeder Zeit am Tag und jeden Tag und für jedes Kind.  

Meine Empfehlung: Notieren Sie über einige Tage hinweg, ob Sie für jedes Kind in Ihrer Kohorte oder Gruppe ein passendes Sprachvorbild sindOder fertigen Sie – noch besser – von bestimmten Situationen, die Sie analysieren möchten, ein Video an. Wie sprechen Sie mit dem Kind? Was sind typische Sätze, die genutzt werden? Bauen Sie Blickkontakt zum Kind auf, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen? Halten Sie fest, bei welchen Kindern Sie aktiver sein möchten und wie, bei welchem Kind Sie sich etwas zurücknehmen möchten. Und suchen Sie sich im Team eine Partner*in, die gemeinsam mit Ihnen reflektiert und Ihren Blick auf die Kinder bereichert. Seien Sie ehrlich mit sich und halten Sie auch fest, wenn Verbote und Befehle im sprachlichen Repertoire (zu) sichtbar sind.  

Klare Routinen im Alltag

Bereits die Begrüßung ist jeden Tag die erste Gelegenheit, sich dem Kind zu widmen, es anzulächeln, Blickkontakt herzustellen und mit ihm zu sprechen. Ein freundlicher Austausch mit den Eltern des Kindes zeigt auch dem Kind, dass es und seine Familie willkommen sind. Der Alltag in den element-i-Kinderhäusern hat eine klare Struktur, die allen Kindern Orientierung bietet: Essenszeiten, Freispiel und Impuls, Anspannung und Entspannung, Singkreis und Händewaschen. Prüfen Sie für sich und/oder mit einer Kolleg*in, ob die Jüngsten die einzelnen Stationen des Tages genießen können und davon profitieren. So manche Routine mag sinnvoll sein aus der Sicht von uns Erwachsenen. Aber ist sie es auch aus der Sicht des Kindes? Nutzen Sie beispielsweise die Wickelsituation für Sprachspiele, fürs Benennen der Körperteile, für lebendige Partizipation? Wird eine Mahlzeit genutztum neue Begriffe, Adjektive und Geschmacksrichtungen kennenzulernen? 

Möglichkeiten schaffen…

…dass Kinder mit ihren Lautproduktionen spielen, Klänge erfahren und damit experimentieren. Kinder brauchen zahlreiche Gelegenheiten, mit anderen Kindern in Interaktion zu treten. Dabei können Sie als Pädagog*in mitunter wunderbare Begebenheiten beobachten: junge Kinder, die einem anderen Kind etwas vorlesen bzw. so tun als obKleinstkinder, die miteinander brabbeln und bereits alle Regeln für einen Dialog beherrschen; Kinder, die einander helfen oder sich gekonnt durchsetzen. Erinnern Sie sich täglich an solche wunderbaren Ereignisse und halten Sie sie auf den DIN-A5Beobachtungsbögen fest. Daraus kann ein reicher Schatz fürs Portfolio, den element-i-Bogen, eine Wand-Dokumentation werden. 

Eine sprachanregende Umgebung schaffen

Die element-i-Kinderhäuser haben eine Leseecke, eine Sprachwerkstatt oder einen Raum, der Buchstäbchen oder Li-La-Leseraum heißt. Wie auch immer die Räume oder Bereiche benannt sind, Sprache ist selbstverständlich in allen Räumen bzw. Bildungsbereichen verortet. Die einfachste Methode, die Räume oder Funktionsecken zu überprüfen, ist die: Schauen Sie den Raum aus den Augen der Kinder an. Was würden Sie als Kind attraktiv finden? Gibt es genügend Bücher, die man sich nehmen darf – auch Bücher in den Muttersprachen der Kinder? Finden sich Wanddokumentationen, die das Thema des Raumes ergänzen? Sind Regale so mit Fotos bzw. Schriftzeichen ausgestattet, dass ein Kind die Autos, Legos oder Bücher zurückräumen kann? Wechseln die Materialien von Zeit zu Zeit und spiegeln sie die Themen der Kinder wider? 

Der Satz „Sprechen lernt man nur durch Sprechen“ hat seine Berechtigung. An den Antworten auf die Frage, wie die Erwachsenen die sprachliche Umgebung für die Jüngsten qualitativ hochwertig ausgestalten, muss stetig weiter gearbeitet werden.

Kleine Projekte für die sprachliche Bildung

Frösche, Hühner, Schnecken, Kindergeburtstag, Nikolaus oder Weihnachten. Die Autorin Eva Danner (2013) hat zu jedem der insgesamt 10 Themen in ihrem Buch „Krippenkinder entdecken die Sprache!“ eine Auswahl an Aktivitäten zusammengestellt, die man im Krippen-Alltag leicht einplanen kann. Hat die Kindergruppe beim letzten Spaziergang beispielsweise eine Schnecke entdeckt, so lässt sich aus den Vorschlägen im Buch die eine oder andere Idee – thematisch passend – aufgreifen:  

  • eine Geschichte über die Lebensweise der Schnecke und was sie besonders gern isst, 
  • ein Lied nach einer bekannten und einfachen Melodie, das den Jüngsten neue Wörter rund ums Thema Schnecken näherbringt und draußen gesungen werden kann,  
  • ein rhythmischer Sprechvers, der von der Schnecke Klaus erzählt und die Kinder teilhaben lässt, wann Klaus lieber draußen und wann er lieber drinnen ist. 

Neben Geschichten, Liedern, Versen sind auch Massagegeschichten, Fingerspiele, Kniereiter, Bewegungsspiele im Buch enthalten und Tipps für die altersgerechte Umsetzung mit den Kindern unter drei Jahren.  

Und Sie haben sicherlich in der Krippe weitere Ideen, wie die Schnecke in die Bildungsbereiche kommt. Ob sie aus Knete im Atelier geformt wird oder im Bewegungsraum als Parcours aufgegriffen wird – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Literatur 

Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen; Staatsinstitut für Frühpädagogik (2010): Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in den ersten drei Lebensjahren. Handreichung zum Bayerischen Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. verlag das netz: Weimar, Berlin 

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2015): Abschlussbericht zum Bundesprogramm „Schwerpunkt-Kitas Sprache und Integration“. Abrufbar unter: https://sprach-kitas.fruehe-chancen.de/fileadmin/PDF/Sprach-Kitas/Abschlussbericht_SPK_final.pdf (zuletzt aufgerufen am 20.9.2020) 

Danner, Eva (2013): Krippenkinder entdecken die Sprache! Geschichten, Fingerspiele, Kniereiter und Co. Für das ganze Jahr. Verlag an der Ruhr: Mülheim 

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport (2015): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Bildungseinrichtungen. 2. Auflage. Herder: Freiburg i. Br. 

Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen; Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen (2016): Bildungsgrundsätze für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertagesbetreuung und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen. Herder: Freiburg i. Br.

Mehr von Christina Henning

Gewaltprävention in Kitas

Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung  von Beginn an. Dies ist nicht nur im Bürgerlichen Gesetzbuch so festgehalten, sondern auch im GrundgesetzNach Artikel 1 ist die Menschenwürde unantastbar. Denn Gewaltanwendungen, in welcher Form auch immer, sind ein Angriff auf die Würde des Menschen. Zudem ist die Gewaltfreiheit Basis jeder Demokratie und freien Gesellschaft. Das heißt, dass wir uns im Kontext Kita mit Gewaltprävention beschäftigen, steht außer Frage (vgl. Gugel 2014, S. 10). Die wesentliche Frage ist: Wie kann die Umsetzung in die Praxis aussehen? 

Dazu möchte ich zunächst auf den Gewaltbegriff näher eingehen, sowie die Funktionen, Ursachen und Folgen von Gewalt beleuchten und schließlich den Terminus Prävention, sowie den Handlungsrahmen von Gewaltprävention betrachten. 

Der Gewaltbegriff

Was wird unter Gewalt verstandenJeder deutet den Begriff ein wenig anders und legt ihn demnach subjektiv aus. Es gibt selbstverständlich offizielle Definitionen von Gewalt, welche allerdings nicht gut greifbar und eindeutig sind. Sie sind stets interessengeleitet und kontextgebunden zu betrachten. Sowohl historisch als auch kulturell und geografisch sind immer wieder Unterschiede zu verzeichnen. Deshalb ist die eigene Auseinandersetzung und die Betrachtung der Formenvielfalt wichtig (vgl. Gugel 2014, S. 59). Ich empfehle dazu die Übung „Das Gewaltbarometer“, siehe nebenstehenden Kasten.


Das Gewaltbarometer

Um das individuelle und sehr subjektive Verständnis der unterschiedlichen Teammitglieder des Gewaltbegriffs auf eine gemeinsame Ebene zu bringen und in den Austausch zu kommen, können Sie folgende Methode nutzen:

Benötigtes Material – vorbereitete Karten mit den Begriffen:

Gewalt 

Keine Gewalt

Armut, Nägel kauen, Türe zu knallen, an der Hand wegziehen, schlagen, küssen, Fernsehverbot, kein Geld für Schulausflüge, beengter Wohnraum, in die Ecke setzen, brüllen

Ablauf:

  1. Legen Sie die Begriffe Gewalt und Keine Gewalt mit etwas Abstand auf den Boden. Alternativ können Sie bei einer digitalen Teamsitzung in einem Word Dokument arbeiten (oben Gewalt und unten Keine Gewalt). 
  2. Dann verteilen Sie die Begriffe an die einzelnen Teammitglieder. 
  3. Die Teammitglieder legen die Begriffe mit entsprechender Begründung dann zwischen Gewalt und Keine GewaltBei der digitalen Teamsitzung können Sie die Begriffe willkürlich zwischen Gewalt und Keine Gewalt anordnen und dann gemeinsam in eine für Sie richtige Reihenfolge bringen.
  4. Anschließend gehen die anderen Teammitglieder in den Austausch. Passt die Position der einzelnen Begriffe für sie? Bedarf es aufgrund anderer Schilderungen einer Veränderung? Dadurch ergibt sich nach und nach eine Reihenfolge, die für das Team repräsentativ ist. Es gibt dabei kein richtig und falsch. 

Zudem möchte ich Ihnen drei Perspektiven aufzeigen, wie Sie sich dem Gewaltbegriff von der theoretischen Ebene her nähern können. 

Die WHO definiert den Begriff der Gewalt folgendermaßen: „Der absichtliche Gebrauch von angedrohtem oder tatsächlichem körperlichem Zwang oder physischer Macht gegen die eigene oder eine andere Person, gegen eine Gruppe oder Gemeinschaft, der entweder konkret oder mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Verletzungen, Tod, psychischen Schäden, Fehlentwicklung oder Deprivation führt.“ (Weltgesundheitsorganisation 2003, S. 6) 

Ergänzend dazu gibt es eine Typologie der Gewalt. Durch diese lassen sich einzelne Situationen analysieren und konkrete Ansatzpunkte für Gewaltprävention festlegen. Sie kategorisiert drei Ebenen:  

  • kollektive Gewalt, 
  • interpersonelle Gewalt, 
  • gegen sich selbst gerichtete Gewalt.  

Diese können jeweils noch weiter unterteilt werden. Zum Beispiel zählt zur Ebene interpersonaler Gewalt sowohl die Familie, unterteilt in einzelne Familienmitglieder (Kind, Partner, Alte) als auch die Gemeinschaft (Bekannte, Freunde). Auf diesen unterschiedlichen Ebenen wiederum gibt es Bezüge zu den verschiedenen Formen von Gewalt: physisch, sexuell, psychisch und Vernachlässigung (vgl. Gugel S. 57-58). 

Das Dreieck der Gewalt von Johan Galtung unterscheidet drei Gewalttypen: strukturelle und kulturelle (unsichtbar), aber auch direkte (sichtbare) Gewalt. Dabei ist bei Letzterer (auch personale Gewalt genannt) die Opfer- und Täterrolle nicht immer eindeutig zuzuordnen oder zu identifizieren. Bei der strukturellen Gewalt sind nicht einzelne Personen Täter*innen, sondern Lebensbedingungen oder Strukturen von Gesellschaft und Institutionen. Ideologien, Legitimationssysteme, Überzeugungen und Überlieferungen hingegen zählen zur kulturellen Gewalt, welche wiederum die anderen beiden Typen manifestieren. Diese Betrachtungsweise soll dazu anregen, Gewalt nicht nur als Handlung, sondern eben als komplexes Phänomen wahrzunehmen (vgl. Gugel 2014, S. 56). 

Funktionen von Gewalt

Gewalt wird im Alltag oft unter dem Fokus verletzendes oder destruktives Verhalten gesehen. Dabei sind Gewalt und Aggression vor allem im Zusammenhang mit Kindern oft eine Form der Interaktion und Kommunikation. Dabei kann explorative und reaktive Aggression unterschieden werden (vgl. Gugel 2014, S. 60). 

Zudem muss, um die Funktion von Gewalt und Aggression zu beleuchten, der Kontext genau unter die Lupe genommen werden: Liegt ein Konflikt zugrunde? Welches Ziel soll mit dem Verhalten erreicht werden, und welche Handlungsalternativen haben die Beteiligten? Werden bestimmte Regeln vereinbart und eingehalten, oder werden psychische oder körperliche Grenzen überschritten (vgl. Gugel 2014, S. 60)? 

Motivation und Intention müssen ebenso in den Blick genommen werden. Wurde Gewalt ausgeführt, um das Gegenüber bewusst zu verletzen? Oder war die Gewaltausübung instrumentalisiert – also Mittel zum Zweck? Oder doch nur ein Nebeneffekt des Handelns „in Kauf genommen“ (vgl. Gugel 2014, S. 61)? 

Ursachen von Gewalt – Statistik

Gewalt gegen Kinder hat unterschiedliche Formen und demnach auch Ursachen. Kinder können körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt ausgesetzt sein. Aber auch Vernachlässigung, beobachtete Gewalt (reale Gewalt im häuslichen Bereich / mediale Gewalt) oder indirekt erfahrene Gewalt, wie Armut oder mangelnde Förderung, zählen dazu (vgl. Gugel 2014, S. 82). 

Tatsächlich gibt es kaum verlässliche Aussagen zur Häufigkeit von kindlichen Gewalterfahrungen. Denn es gibt eine große Dunkelziffer, die nicht erfasst wird und außerhalb polizeilicher Kriminalstatistik und gemeldeter, dokumentierter Kindeswohlgefährdung liegt (vgl. Gugel 2014, S. 81). 

Doch schon die Zahlen der aufgedeckten Fälle sind alarmierend: In einer ForsaUmfrage aus dem Jahr 2011 – von der Zeitschrift ELTERN in Auftrag gegeben – gaben 40 Prozent der befragten Eltern an, in den letzten 12 Monaten ihren Kindern mindestens ein bis zwei Mal „einen Klaps auf den Po“ gegeben zu haben – dabei sind „Ohrfeigen“ und „Hintern versohlen“ als Antwort noch nicht miteingerechnet (vgl. Forsa 2011, S. 2). Als Grund für diese Strafmaßnahmen nannten Eltern dafür hauptsächlich, dass ihre Kinder „frech / unverschämt“ (51%) waren, „nicht gehorcht“ (40%) haben oder „ihnen gegenüber aggressiv waren“ (40%) (vgl. Forsa 2012, S. 16). Und sie taten das, obwohl sie wussten, dass es falsch ist: Denn 75 hatten im Anschluss ein schlechtes Gewissen (vgl. Forsa 2011, S. 22). Bei anderen Möglichkeiten, auf unerwünschtes Verhalten von Kindern zu reagieren, geben Eltern zudem an, dass sie oft „laut werden“ (93%) oder „Verbote aussprechen“ (85%) (vgl. Forsa 2011, S. 55). 

Im Jahr 2019 gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik mehr als 4000 Kindesmisshandlungsfälle (vgl. Bundesregierung 2020). Die Befunde zeigen, dass Gewalt gegen Kinder trotz des gesetzlichen Verbots weiterhin noch präsent ist. 

Folgen von Gewalt

Gewalt hat gravierende Folgen. Nicht nur Traumatisierungen und Entwicklungsverzögerungen können Kinder dadurch langfristig begleiten. Gewalt fördert Gewalt. Das bedeutet: Kinder, die Gewalterfahrungen wiederholt erleben, neigen dazu, selbst Gewalt auszuüben und in das eigene Handlungsmuster aufzunehmen oder anderes Risikoverhalten zu zeigen. Dazu zählen Alkoholmissbrauch, aber auch Depression, mangelnde Leistungsfähigkeit, Gedächtnisstörungen und körperliche Auswirkungen stehen im Zusammenhang mit Gewalterfahrungen. Im Kleinkindbereich zeigen sich vor allem im sozial-emotionalen Bereich Verhaltens- und Entwicklungsprobleme (vgl. Gugel 2014, S. 87). 

Prävention – Verhalten vs. Verhältnisse

Prävention bedeutet übersetzt „zuvorkommen“. Das ist auch genau der Fokus der Gewaltprävention: Was braucht man, um der Gewalt zuvor zu kommen? Dazu kann zum einen auf das Verhalten und was dieses beeinflusst geschaut werden und zum anderen – der viel wichtigere Part – auf die Beeinflussung und Einbeziehung des Umfeldes und der Lebenswelt. Denn diese bedingen das Verhalten zumeist mit. Aber auch politische, kulturelle und gesellschaftliche Dimensionen sind in den Blick zu nehmen (vgl. Gugel 2014, S. 16). 

Gewaltprävention im Elementarbereich – der Handlungsrahmen

Die Kindertagesstätten und auch Krippen sind die ersten Erfahrungsbereiche der Kinder außerhalb der Familie. Kinder verbringen dort viel Zeit. Im Sinne der Gewaltprävention hat der vorschulische Bereich eine große Bedeutung. Denn die Qualität der Einrichtungen und Angebote beeinflussen den weiteren Weg und die Entwicklung der Kinder mit (vgl. Gugel 2014, S. 130). Die folgenden sechs Aspekte geben einen Rahmen für die Gewaltprävention im Elementarbereich: 

  1. Orientierung geben: Dazu zählen Grenzen setzen, Regeln etablieren, Etikettierung vermeiden, Sozialklima optimieren, Mit- und Umwelt achten sowie Selbst- und Mitbestimmung einüben (vgl. Gugel 2014, S. 131-133) – feste Bestandteile unserer Bildungsbereiche (v.a. Soziales Miteinander und Menschsein in der Welt), aber auch durch unsere Leitlinien (v.a. verbundene Autonomie und autonome Verbundenheit sowie Resilienz) verankert.
  2. Handeln in schwierigen Situationen: Hierzu zählt das Handeln bei Kindeswohlgefährdung – bei uns im Unternehmen ist Franziska Pranghofer die Expertin für all Ihre Fragen zu diesem ThemaDarüber hinaus gibt es dazu Prozessbeschreibungen in Roxtra. 
    Aber auch richtig mit kindlicher Gewalt und Aggression umzugehen, sowie konstruktive Konfliktbearbeitung gehören zu diesem Unterpunkt (vgl. Gugel 2014, S. 134). Mehr dazu können Sie auch in dem Fachnewsletter-Artikel „Konflikte“ nachlesen (Samuel 2020, 1ff.).
  3. Besondere Herausforderungen: In diesem Zusammenhang gilt es Inklusion zu leben, Transitionen gut zu gestalten, gendersensible Pädagogik zu praktizieren und Kinder mit spezifischem Förderbedarf zu unterstützen (vgl. Gugel 2014, S. 134-135).
  4. Guter Kindergarten: Hierunter fällt alles zum Thema Qualitätsmanagement, Raumgestaltung und Weiterbildungsmöglichkeiten. (vgl. Gugel 2014, S. 137-138)
  5. Umfeld einbeziehen: Hierzu zählt die Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zu den Eltern, aber auch das Arbeiten in Netzwerken (vgl. Gugel 2014, S. 138-139).
    Alle bisher genannten (Querschnitts-)Themen sind bei uns inhaltlich verankert und durch ExpertInnen aus dem pädagogischen Leitungskreis ausgearbeitet.
  6. Programme und Projekte: Ergänzend zu den bereits genannten Möglichkeiten Gewaltprävention in element-i Kinderhäusern zu leben, nämlich pädagogisch gute Arbeit entsprechend der inhaltlichen Ausgestaltung der frühkindlichen Themen, können Programme und Projekte genutzt oder entwickelt werden (vgl. Gugel 2014, S. 141). Dazu muss das jeweilige Kinderhaus allerdings ganzheitlich in den Blick genommen und die Optimierungsbedarfe herausgefunden werden: welche oben genannten Themenbereiche werden schon gut umgesetzund welche noch nicht zufriedenstellend? Anschließend gilt es weitere Schritte zu planen (Projektplan erstellen). 

Wie Sie sehen, sind wir in unserem Netzwerk theoretisch sehr gut aufgestellt, um Gewaltprävention mit all ihren Ebenen in unseren element-i Kinderhäusern zu leben. Und in der Praxis wird schon viel davon umgesetzt. Vielleicht hat Sie dieser Artikel zum Nachdenken angeregt, welchen Bereich Sie sich genauer anschauen wollen und dadurch die pädagogische Qualität in den Häusern weiter optimieren können. 

Literatur: 

Bundesregierung (2020): Kindeswohl hat höchste Priorität. Abrufbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/missbrauchszahlen-1752038 (zuletzt aufgerufen am 21.11.2020) 

Forsa (2011): Gewalt in der Erziehung. Abrufbar unter: https://www.eltern.de/public/mediabrowserplus_root_folder/PDFs/Studie_forsa_Gewalt%20in%20der%20Erziehung_2011.pdf (zuletzt aufgerufen am 7.12.2020) 

Gugel, Günther (2014): Handbuch Gewaltprävention III. Für den Vorschulbereich und die Arbeit mit Kindern. Grundlagen – Lernfelder – Handlungsmöglichkeiten. Berghof Foundation. 

Samuel, Denise (2020): Konflikte. In Fachnewsletter des Pädagogischen Leitungskreises. Ausgabe 14 vom Oktober 2020, S. 1-4 

Weltgesundheitsorganisation (2003): Weltbericht Gewalt und Gesundheit. Zusammenfassung. Abrufbar unter: https://www.gewaltinfo.at/uploads/pdf/WHO_summary_ge.pdf (zuletzt aufgerufen am 15.11.2022)

Mehr von Denise Samuel

Natur(raum) erfahren

»Natur ist kein Ort, der besucht wird, sie ist Heimat.« Gary Snyder  

Reisen wir in unseren Gedanken zurück zu glücklichen Kindheitstagen, zu den schönsten Erinnerungen, zu unserer inneren Heimat, landen wir zwangsläufig in der Natur. Der selbst errichtete Staudamm am Bach, das neue Zuhause für den Tausendfüßler, die selbstgebaute Hütte im Wald Die Natur hat zweifelsohne eine nahezu magische Anziehungskraft auf Kinder. So ist es nicht der neu angelegte Abenteuerspielplatz, sondern der dahinterliegende Wald, der die Kinder zum Spielen einlädt. Doch worin liegt diese Anziehungskraft begründet? Warum zieht es die Kinder in die Natur?  

Die Natur als Entwicklungsraum

Für uns Erwachsene ist die Natur meist ein Ort zum Entspannen, Entschleunigen und Erholen. Für Kinder jedoch ist sie weit mehr, sie ist Entwicklungsraum. Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther beschreiben dies folgendermaßen: „Natur ist für Kinder so essenziell wie gute Ernährung. Sie ist ihr angestammter Entwicklungsraum. Hier stoßen die Kinder auf vier für ihre Entwicklung unverhandelbare Quellen: Freiheit, Unmittelbarkeit, Widerstandsfähigkeit, Bezogenheit“ (Renz-Polster/Hüther 2019, S. 9) 

Den größten Teil der Menschheitsgeschichte verbrachten wir draußen in der Natur. Auch die Kinder machten ihre essenziellen Lebenserfahrungen dort. Und heute? Heute wachsen Kinder nicht mehr in der Natur auf. Vielmehr findet diese kaum noch einen Platz in unserer modernen, strukturierten Welt. Und doch ist sie da, in den Spielen der Kinder – beim Bau von Höhlen und Hütten, beim Sammeln von Kastanien oder auch bei Urmotiven im kindlichen Spiel, wie der Jagd. Auch die vier Elemente sind immer wiederkehrende, beliebte Spielmotive insbesondere Feuer und Wasser haben eine unfassbar starke Wirkung auf Kinder. Man denke nur an ein Kleinkind, welches mit einem Wasserstrahl spielt. Vollkommen vertieft und hochkonzentriert, wieder und wieder versucht es, das Wasser aufzufangen, von seiner Bahn abzulenken, in einen Becher zu füllen (vgl. ebenda, S. 38f). 

Faszination Natur

Worin liegt dieser Reiz begründet? Welche besonderen Entwicklungsmöglichkeiten bieten sich in der Natur? Sie bietet eine besondere Vielfalt an verschiedenen Reizen für das Kind, ohne dass dies jedoch zu einer Reizüberflutung führt. Die Natur bietet durch ihre reiche Auswahl jedem Kind die angemessene Umgebung, um sich seiner jeweiligen Zone der nächsten Entwicklung zu stellen. Dabei müssen sie mit den Unwegsamkeiten der Natur umgehen – diese passt sich nicht den Bedürfnissen der Kinder an, sondern umgekehrt müssen sich die Kinder der Natur anpassen sie werden widerstandsfähig, resilient. Ich denke hier besonders an die Glücksmomente, die Kinder (und auch Erwachsene) empfinden, wenn eine Herausforderung nach zahlreichen Fehlschlägen gelingt und sich das befriedigende und prägende Gefühl der Selbstwirksamkeit einstellt. Im Umgang mit der Natur wird dabei in besonderer Weise ein ganzheitliches Lernen ermöglicht. Hier ist der, besonders für jüngere Kinder bedeutsame, sinnliche Zugang gegeben. Im Zentrum steht die Unmittelbarkeit der Erfahrungen. Ingrid Miklitz fasst dies folgendermaßen zusammen: „Der Naturraum bietet ideale Voraussetzungen für Erfahrungen an realen Objekten, Sinneserfahrungen aus erster Hand. Und diese Objekte verströmen je nach Tages- und Jahreszeit spezifische Düfte und Laute. Sie verändern ihr Aussehen im Tages- und Jahreslauf, erscheinen in wechselnden Lichtqualitäten immer wieder aufregend und anregend anders“ (Miklitz 2019, S. 33). Die Natur und ihre Phänomene regen die Kinder zum Forschen, Entdecken und Nachdenken an. Sie bieten den Kindern einen nicht vorstrukturierten Rahmen. Dadurch haben sie die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, eigene Lernerfahrungen zu machen und somit in besonderer Weise Freiheit, Autonomie, aber auch, wie bereits erwähnt, Selbstwirksamkeit zu erleben. Sie können sich vollständig in ihrem Tun verlieren und mitunter sehr stimmige Situationen erleben. Situationen, die für die Kinder verstehbar, handhabbar und bedeutsam sind – kurz gesagt: kohärent. 

Eine besondere Bedeutung kommt der Kindergruppe selbst zu. Viele Herausforderungen, wie der Bau einer Hütte oder eines Lagers, lassen sich nur gemeinsam meistern. Die Kinder müssen als Gruppe agieren und erleben so Verbundenheit zu anderen Menschen. Dürfen oder sollen Kinder daher nur noch draußen sein? Nein, Außen- wie Innenräume haben ihre Daseinsberechtigung. „Manche Erfahrungen können am besten draußen gemacht werden, manche am besten drinnen. Manche drinnen und draußen. Es gilt also nicht die Welt draußen gegen die Welt drinnen in Stellung zu bringen (Renz-Polster/Hüther 2019, S. 64).  

Überträgt man dies auf die Bildungsbereiche, zeigt sich, dass einige Bildungsbereiche besonders von der Umsetzung „draußen“ profitieren. Wo lässt sich besser forschen und entdecken als in der Natur? Die Kinder stolpern hier nahezu über Naturphänomene, wollen diese ergründen und verstehen. Oder auch Bewegung? Keine noch so durchdachte Bewegungslandschaft kann jemals den Anreiz und die Vielfalt bieten, die die Kinder in der Natur vorfinden. Und auch die großen Fragen des Kreislaufes von Leben und Tod, Werden und Vergehen, stellen sich den Kindern vornehmlich draußen – wenn sie ganz einfach Menschen in der Welt sind. 

Blicken wir auf das Eingangszitat zurück: Bietet die Natur den Kindern eine Heimat? Herbert Renz-Polster und Gerald Hüther beantworten dies mit einem klaren Ja. „Wir haben gesehen, dass Kinder, wenn sie Zugang zu natürlichen Orten haben, daraus tatsächlich so etwas wie Heimat bauen können. Sie gehen Bindungen ein. Und die entstehen oft durch ganz einfache, unmittelbare Erfahrungen – Körpererfahrungen, Gerüche, über elementare Naturerfahrungen. Und das, was sie da spüren, macht es ihnen leichter, die Welt als einen Ort zu erleben, der es gut mit ihnen meint. Wann würden wir das mehr brauchen als heute?“ (Renz-Polster/Hüther 2019, S. 70). 

Quelle
Renz-Polster, Herbert; Hüther, Gerald (2019): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen, Fühlen und Denken. 5. Auflage. Weinheim, Beltz  
Miklitz, Ingrid (2019): Naturraum-Pädagogik in der Kita. Freiburg im Breisgau, Herder  
Anmerkung: Zitat von Gary Snyder, Umweltaktivist und Autor, gefunden bei Hartmut Krinitz. Abrufbar unter: https://www.hartmut-krinitz.de/gedanken-zitate.html (zuletzt aufgerufen am 26.7.2020) 

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