Naturraumpädagogik und Bildung für nachhaltige Entwicklung  

Was ist diese Bildung für nachhaltige Entwicklung? Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) schon in der Elementarpädagogik – ist das notwendig und überhaupt möglich? Was sind die Global Goals und in welchem Zusammenhang stehen sie mit der BNE? Wir können wir die Global Goals erreichen? Und jetzt auch noch Naturraumpädagogik (NRP)? Was bedeutet das eigentlich alles? Was ist der Unterschied und welche Gemeinsamkeiten gibt es?   

Naturraumpädagogik (NRP)

Mit dem Begriff der Naturraumpädagogik wird ein pädagogischer Ansatz formuliert, der sich in Waldkindergärten entwickelte und inzwischen Transferchancen für weitere Bildungseinrichtungen ermöglicht. Mit der Zunahme an pädagogischen Konzepten in der Natur von reinen Waldkindergärten zu Mischformen dieser Ausrichtung gelingt es möglichst vielen Kindern, die Türe nach Draußen zu öffnen(Wolfram 2008). 

Wir haben im pädagogischen Leitungskreis bei element-i entschieden, den Begriff der Naturraumpädagogik (NRP) zu verwenden. Dieser Begriff beschreibt deutlich, wen wir im Zentrum sehen: Das Kind aktiv und selbstbestimmt im Naturraum. Es geht nicht darum, das Kind zu erziehen oder gar zu moralisieren, sondern dem Kind wertfrei und ohne Zieldefinition vielfältige Erfahrungen im Naturraum zu ermöglichen. Es geht ums „Sein“ in und ums „Erleben der Natur. Aus diesem Grund bedeutet NRP nicht per se Naturwissenschaft und auch nicht zugleich BNE, wie sie im weiteren Verlauf des Artikels erkennen werden. NRP bietet vielmehr Anknüpfungspunkte für alle Bildungsbereiche. 

Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

„Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), wie sie auf der UN-Konferenz in Rio de Janeiro 1992 begründet wurde, soll zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigen. BNE als normatives Konzept fußt dabei auf den ethischen Prinzipien ‚Menschenwürde‘, ‚Demokratie‘, Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen‘ und ‚Gerechtigkeit im Zugang zu Ressourcen‘“ (Müller et al. 2019, S. 18)Einfach gesagt: Leben soll gesund, gerecht, friedlich und im Einklang mit der Natur geschehen. 

BNE strebt dabei stets die Erreichung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung an (Englisch: Global Goals oder auch SDG – Sustainable Development Goals)  

Abb. 1: Die 17 Globalen Ziele der UN

BNE ist kein rein wissensbasiert-kognitiver Ansatz, sondern hat eine sehr praktische und lebensweltlich erfahrbare Dimension, weshalb sie auch im frühpädagogischen Bereich ihren Platz gefunden hat. In der Kita ist es das Ziel, Kinder handlungsfähig zu machen. Sie sollen in ihrem Lebensumfeld altersangemessen Verantwortung übernehmen und sich an der Gestaltung des Alltags beteiligen. „Den Mädchen und Jungen darf dabei weder die Verantwortung der Erwachsenen aufgebürdet werden, noch dürfen ihnen Probleme übertragen werden, die die Politik oder Wirtschaftsunternehmen zu lösen haben. Vielmehr sollen Kinder Erfahrungen mit der Welt machen können, Werte und Haltung entwickeln, Zusammenhänge erkennen, unterschiedliche Perspektiven einnehmen, ihre Interessen formulieren und gegebenenfalls Alternativen suchen und finden“ (Rathgeber 2019, S. 84). 

Folgende thematische Schwerpunkte können im Bereich BNE in der Frühpädagogik umgesetzt werden: Partizipation, Umgang mit Ressourcen und Müllvermeidung, Klimaschutz (Erde, Feuer, Wasser, Luft), Arterhaltung (alles rund um Tiere & Pflanzen), Kinderrechte/Menschenrecht fairer Handel, und vieles mehr 

BNE kann im Naturraum sowie in der Kita geschehen. Erfahrungen in der Natur sind hierbei nicht grundsätzlich Voraussetzung zur Entwicklung dieser Haltung. Der Unterschied zum Ansatz zur NRP ist klar, es geht hierbei nicht nur um das Sammeln von Erfahrungen und darum, selbst aktiv zu sein – die Fragen, die das Denken und Handeln leiten, sind entscheidend.  

Am Ende des Artikels habe ich Ihnen Internetseiten zusammengestellt, auf denen Sie weitere Informationen zu BNE und spannende Praxisanregungen finden können. 

Der Regenwurm und die Bildungsbereiche

Stellen Sie sich vor, Sie machen mit den Kindern einen Ausflug in den Wald. Die Kinder buddeln und graben und spielen. Nach einiger Zeit kommen Kinder mit einem Regenwurm zu Ihnen und zeigen stolz ihr Fundstück. Wie gehen Sie auf diesen Fund der Kinder ein? Wie reagieren Sie? Ich hoffe sehr, dass Sie nicht vor Ekel geschüttelt die Kinder auffordern, den Regenwurm unkommentiert schnellstmöglich zurückzusetzen, sondern dass Sie die große Chance und die unendlichen Möglichkeiten erkennen, die dieser kleine, einfache Fund bietet.   

Wissen Sie, wie viele Arten von Regenwürmern es gibt? Wie groß können Regenwürmer werden? Wie leben Regenwürmer? Können wir Regenwürmern in der Kita ein Zuhause bieten? Mit diesen Fragen können Sie sich auf unterschiedlicher Weise dem Thema zuwenden. Welchen Bildungsbereich verantworten Sie selbst in Ihrem Kinderhaus? Welchen Impuls könnten Sie den Kindern in Bezug zu Ihrem Bildungsbereich geben? Gehen Sie kurz alle unsere Bildungsbereiche durch und überlegen Sie. Nicht nur zu Forschen & Entdecken wird Ihnen ein Impuls einfallen. Ich bin mir sicher, dass in jedem anderen Bildungsbereich auf der Grundlage dieses Fundstückes Impulse entwickelt werden können 

Mit bewusst gewähltem Fokus, angeregt durch die begleitende Fachkraft, entstanden durch eine Entdeckung der Kinder, können in der NRP alle Bildungsbereiche angesprochen werden. So betrachtet, sind NRP und BNE Querschnittsthemen über alle Bildungsbereiche hinweg. Und kurzerhand kann aus einem kleinen Regenwurm durch Sie ein umfassendes Projekt in gesamten Kinderhaus entstehen. Es hängt davon ab, wie Sie als Fachkraft auf den Impuls der Kinder reagieren. Welche Fragen Sie sich und den Kindern stellen und selbstverständlich, wie Sie die Kinder sowie das gewählte Thema begleiten. #eskommtaufmichan 

Welche Fragen würden Sie den Kindern im Regenwurmimpuls stellen, um den Gedanken der BNE zu integrieren? Im Schaubild sehen Sie den Zusammenhang zwischen NRP, BNE und unserer element-i Konzeption sowie den Global Goals. 

Abb. 2: Darstellung nach L. Reuß 

Reflexionsfragen zum Weiterdenken:

  • Wo in unserer Konzeption können Sie BNE entdecken?  
  • Beobachten Sie die Kinder im Naturraum. Was begeistert die Kinder?  Mit welchen Themen beschäftigen sich die Kinder? Mit welchen Fragen kommen die Kinder zu Ihnen? 
  • Welches Experiment haben Sie zuletzt mit den Kindern gemacht? Welche Bildungsbereiche könnte dieses Experiment noch ansprechen? Wie können Sie in diesem Impuls den Fokus auf BNE und/oder NRP setzen? 

Weitere Informationen zu BNE:

Kennen Sie Ihren ökologischen Fußabdruck? Ermitteln Sie ihn: www.fussabdruck.de 

Lexikon

Im Rahmen der Recherche für diesen Artikel sind mir weitere Begriffe begegnet, die Ihnen, wenn Sie sich auf den Weg der BNE machen, auch begegnen werden. 

Erneuerbare Energien/ Regenerative Energie: Energiequellen, die unerschöpflich sind und sich selbstständig wiederherstellen (u.a. Windkraft, Wasserkraft, Sonnenstrahlung). Durch ihre Nutzung zerstört der Mensch die Welt nicht. Im Gegensatz dazu gibt es die fossilen Energiequellen, die endlich sind und deren Nutzung zum Klimawandel beitragen. 

Fridays For Future: Globale Jugendbewegung, die sich für den Klimaschutz einsetzt.  

Global Goals ist der englische Begriff für die 17 globalen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. In Abbildung 1 können Sie diese entdecken.  

Globales Lernen ist ein Teilbereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung und betrachtet die Zusammenhänge zwischen der lokalen und globalen Ebene. Es geht hierbei um eine vernetzte Welt und den damit verbundenen Gefahren und den Ungleichheiten. Ziel ist es, globale Gerechtigkeit, kulturelle Vielfalt, Solidarität und Partizipation zu erreichen. 

Klimaschutz: Sammelbegriff für Maßnahmen, die der durch den Menschen verursachten Erderwärmung entgegenwirken und die Folgen der globalen Erwärmung abschwächen oder gar verhindern sollen (Stichwort: ZweiGradGrenze).  

Naturpädagogik/ Naturerziehung: Weitere Begriffe für Naturraumpädagogik, häufig mit moralischer Erwartung gepaart. Wir nutzen diese Begriffe nicht, da für uns die Erfahrung im Naturraum besondere Bedeutung hat und diese Idee mit dem Begriff der Naturraumpädagogik treffender beschrieben wird.  

Tiergestützte Pädagogik: Pädagogikrichtung, in welcher Tiere in der Arbeit mit Kindern eingesetzt werden. Sie nutzt die einmalige positive und besondere Wirkung der Tiere. Die Kinder lernen den richtigen Umgang mit den Tieren, pflegen diese, um ebenso die Natur schätzen und schützen zu lernen. Sie kann auch als Teilbereich der BNE gesehen werden. 

Umweltpädagogik: In den 1970er Jahren stand im Rahmen der Umweltbewegung die damalige Entwicklung der Umwelterziehung unter ganz anderen Vorzeichen. Nicht das Kind und seine Bedürfnisse standen im Mittelpunkt, sondern die bedrohte und schützenswerte Natur. Viele gut gemeinte Ansätze wollten in erster Linie den Kindern Naturerfahrungen vermitteln, damit diese dann später die Natur schützen und erhalten sollten. Hierin liegt eine gefährliche Moralisierung, und die Auswirkungen sind gerade heute im Naturverständnis der Kinder und Jugendlichen spürbar(Brodbeck 2008). Der Begriff wird heute nur noch selten verwendet, da er durch BNE abgelöst und somit der Fokus geändert wurde. 

Waldpädagogik: zunächst vor allem geprägt durch Waldkindergärten, ist die Waldpädagogik mittlerweile ein Bestandteil der Bildung für nachhaltige Entwicklung. Heute wird sie noch häufig im Bereich der Fortwirtschaft und der damit verbundenen Umweltbildung verwendet – nicht mehr ausschließlich an Kitas verknüpft. 

Quellen:
Brodbeck, Erika (2008): Die Bedeutung von Naturerleben für Kinder. Online verfügbar unter https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/bildungsbereiche-erziehungsfelder/naturwissenschaftliche-und-technische-bildung-umweltbildung/1740, zuletzt geprüft am 09.10.2020.
Geisler, Jasmin (2020): Die faire Kita. Nachhaltige Projekte, die Kinder begeistern. Freiburg: Herder.
Müller, Gabriele; Müller, Martina; Guilleaume, Christine von; Fass, Stefan (2019): Leitfaden. Bildung für nachhaltige Enticklung (BNE) in Kindertageseinrichtungen gestalten: ÖkoMedia GmbH.
Rathgeber, Meike (2019): Bildung für nachhaltige Entwicklung in der Kita. In: Stiftung Haus der kleinen Forscher (Hg.): KiTa aktuell spezial. Bildung für nachhaltige Entwicklung. Köln: Wolters Kluwer Deutschland GmbH.
Wolfram, Anke (2008): Naturraumpädagogik. Online verfügbar unter https://www.naturraumpaedagogik.de/#wrap, zuletzt geprüft am 09.10.2020.​

Mehr von Lisa Reuß

Kinderschutz bei element-i und die neuen Herausforderungen während der Pandemie

Der folgende Beitrag bietet Ihnen einen Einblick in die Arbeit der Kinderschutzbeauftragten im TrägernetzwerkDabei wird zunächst das Arbeitsfeld mit Bezug zur element-i Pädagogik beschrieben. Darüber hinaus gilt es, die besonderen Herausforderungen in Pandemiezeiten zu beleuchten. 

Was bedeutet Kinderschutz? 

Kinderschutz ist ein weit gefasster Begriff, unter dem sowohl rechtliche Regularien und Rahmenbedingungen verstanden werden als auch Maßnahmen, die Kinder vor schädigenden Einflüssen oder Handlungen schützen sollen. Dazu gehören ÜbergriffeAusbeutungaltersunangemessene Behandlung, Misshandlung oder Missbrauch, Verwahrlosung, Armut oder auch unzureichender Schutz vor Krankheit. Seit vielen Jahren beschäftigt sich das Konzept-e Trägernetzwerk mit dem Thema Kinderschutz und hat das Arbeitsfeld fachlich eingebunden. Mit der Erarbeitung des pädagogischen Konzepts wurden zum einen schützende Aspekte in Raum- und Einsatzplanung bedacht. Zum anderen wurde die Stelle einer Spezialistin für Kinderschutz geschaffen. Im Jahr 2016 habe ich diese Stelle als Teilzeitkraft übernommen, im Laufe der Zeit wurde eine Vollzeit- und Stabsstelle daraus 

Es ist mir ein Anliegen, über meine Arbeitsgebiete aufzuklären und die Arbeit im Kinderschutz sichtbar zu machen und die pädagogischen Kräfte für ihren Alltag zu stärken. Hauptsächlich schule und berate ich unsere Kita-Teams rund um die Themen Kindeswohlgefährdung, Vorgehen bei dem Verdacht einer Kindeswohlgefährdung und angemessenem Verhalten des pädagogischen Personals. Es erreichen mich jedoch nicht nur interne Anfragen. Mitunter werden auch Anfragen von Eltern an mich herangetragen. Oder es gehen Beschwerden rund um das Thema Kinderschutz ein. Jede Anfrage bzw. Beschwerde wird ernst genommen und geprüft.  

Für mich wie auch für das Trägernetzwerk bedeutet Kinderschutz vor allen Dingen Prävention: Kinder stark zu machen und sich als wertvoll zu erleben, als Menschen, die den gleichen Wert haben wie Erwachsene, die ganz allein über ihren Körper entscheiden dürfen, die ernst zu nehmen und anzuhören sindPrävention bedeutet auch, gemeinsam mit den Kindern nach Lösungen zu suchen, anstatt sie zu übergehen, weil das Erklären eines Zusammenhangs nicht möglich oder zu anstrengend erscheint 

Ein großes Ziel der element-i Pädagogik ist es, mit Kindern gemeinsam ein Zusammenleben zu gestalten, in dem Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft keine Kriterien für den Wert eines Menschen sind; ein Zusammenleben in einer Gesellschaft, in der es auf jeden einzelnen ankommt, egal ob groß oder klein. Wie wir dem Ziel näherkommen wollen und wie wir in Pandemiezeiten mit Prävention und Kinderschutz umgehen, das möchte ich im Folgenden erläutern.  

Kinderschutz in den element-i Einrichtungen 

In der element-i Pädagogik ist Kinderschutz, wie bereits angedeutet, mehr als dem gesetzlichen Auftrag den der §8a im SGB VIII Folge zu leisten. Wir legen – wie im Gesetz formuliert – großen Wert darauf, dass Kinderschutz bedeutet zu beobachten, wie es Kindern im heimischen Umfeld und in den element-i Kitas bzw. Schulen geht, und im Falle von Auffälligkeiten zu reagieren. Wir achten darüber hinaus besonders darauf, wie wir Kinder stark machen können – stark für die Kita und für die Welt außerhalb unserer Kitas und Schulen. 

SGB VIII: Der § 8a aus dem achten Sozialgesetzbuch (SGB) gibt Fachkräften vor, dem Jugendamt bei jedem Anlass zur Sorge, dass das psychische wie auch physische Wohl eines Kindes jetzt oder in Zukunft gefährdet sein könnte, eine Meldung zu erstatten. Ebenso ist eine „insoweit erfahrene Fachkraft“ hinzuziehen. Das Zusammenspiel der unterschiedlichen Fachkräfte trägt dazu bei, alles Erdenkliche dafür zu unternehmendas Wohl des Kindes zu sichern.

Dabei legen wir zum einen im alltäglichen Arbeiten Wert darauf, die Kinder zu Wort kommen zu lassen, zu fragen, ob wir sie wickeln dürfen, also ihre Grenzen zu wahren  nicht nur die physischen Grenzen, sondern auch die emotionalen oder kognitiven Grenzen der Kinder. Kinder zu befähigen, Partizipation zu leben und sich als Teil eines großen Ganzen zu erleben, wo es auf jeden einzelnen ankommt, ist unser oberstes Ziel. Dies fördern wir durch die eigenständige Gestaltung einer Kinderkonferenz, die Entscheidung jedes Kindes darüber, welchen Impuls es besuchen will, Mitsprache bei der Gestaltung von Sing- und Erzählkreisen. In Zeiten wie diesen, in denen die Rechte der Kinder lange nicht im Vordergrund standen, sehen wir es als oberste Priorität, Kindern eine Stimme zu geben und, soweit es uns durch das Infektionsgeschehen möglich ist, alltäglich zu leben. Dass sie sich bilden können an- und miteinander. 

Zum anderen leben wir unseren Bildungsbereich Menschsein in der Welt mit einer (großen) Selbstverständlichkeit. Wir unterstützen Kinder dabei, ein Selbstkonzept zu entwickeln. Dazu gehören Fragen wie „Was kann ich schon?“, „Was kann ich noch nicht?“ und „Wie könnte ich das, was ich noch nicht kann, erreichen?“. Wir sprechen mit den Kindern über die Unterschiede, die das Menschsein ausmachen – und berücksichtigen dabei nicht nur über körperliche Merkmale wie Hautfarbe oder Geschlechtsmerkmale. Wir leben Toleranz, motivieren Kinder, ein klares „Nein“ zu formulieren, wenn sie einer anderen Person eine Grenze aufzeigen möchten. Wir begleiten sie dabei, ebenso das „Nein“ einer anderen Person zu respektieren. Das bedeutet, wir nehmen Kinderihre Themen und individuellen Lebensgeschichten an, ihre Talente und Interessen, aber auch ihre Besonderheiten.  

Wir fördern an zahlreichen kleinen und auch größeren Stellen im Tagesverlauf den Selbstwert der Kinder wie auch die Selbstwirksamkeit, wenn wir die Kinder Dinge ganz alleine tun lassen. Das kann das selbstständige Ankleiden sein – egal wie lange es dauert oder ob das T-Shirt am Ende auf links ist. Das kann die Frage danach sein, ob ein Kind heute lieber Müsli oder Brot isst oder die Mahlzeit auslässt. Das kann die Moderatorenrolle in der Kinderkonferenz sein, wenn das Kind sich diese Aufgabe zutraut. 

Prävention in Pandemiezeiten 

Wir wollen in den element-i Kinderhäusern und Schulen auch neue“ Fragen, Sorgen und Ängste der Kinder ernst nehmen. Durch ein neuartiges Virus war es plötzlich nicht mehr möglich, Oma und Opa zu sehen. Und auch wenn Erwachsene sich bemühen, das Weltgeschehen von Kindern fern zu halten, so geht es doch tief in die kleinen Kinderherzen und muss besprochen und bearbeitet werden. In den Kohorten ergeben sich neue Settings, in denen die pädagogischen Fachkräfte genauso sensibel wie im Offenen Konzept auf die einzelnen Kinder eingehen können und mit ihnen ihre Sorgen und Fragen besprechen.  

Manche Kinder waren über Wochen und Monate ausschließlich im häuslichen Umfeld. Zurück im Kita-Alltag ergeben sich Fragen, die beantwortet werden wollen, Sorgen und Ängste, die eine zugewandte Zuhörer*in brauchen, mit der man sich auf die Suche nach Lösungen machen darf. Es mag Kinder geben, die erfreuliche Entwicklungssprünge in der Zeit zu Hause gemacht haben und die im Kita-Alltag begeistert bemerkt werden. Es mag Kinder geben, die sich wenig entwickelt haben oder bei denen Sprachrückstände beobachtet werden. All diese Themen brauchen ein aufmerksames Team, das mit den Kindern und den Eltern gemeinsam arbeitet.  

Um den Schutzaspekt auf Seiten der pädagogischen Fachkräfte weiter zu gewährleisten, wurden und werden Qualitätswerkstätten in Online-Formaten angeboten: zu Zusammenarbeit im Team, Feedbackkultur, „Was tun bei Auffälligkeiten? u.a.m. Gesteuert werden die Qualitätswerkstätten durch Barbara Schmieder, die besonders den Bereich „Zusammenarbeit im Team“ verantwortet, und mich. Wir unterstützen die Pädagoginnen und Pädagogen bei den Herausforderungen, die durch COVID 19 entstanden und andere sein mögen als vor der Pandemie. 

element-i Kinderhäuser sollen auch weiterhin Orte sein, „an denen Kinder zu ihrem Recht kommen, mit gleichen Chancen für jedes Kind. Dass sie in aller Freiheit spielen können und sie selbst werden. Dass sie begleitet werden, getröstet, wenn das Leben weh tut (aus: Wort zum Tag, Wolf-Dieter Steinmann, 21.07.2020 SWR1). 

Mehr von Franziska Pranghofer

Kinder laufen für Kinder

Die Kinder der element-i Grundschule Karlsruhe haben gemeinsam mit den Pädagog*Innen für das Kinderhilfswerk Dominiño einen Spendenlauf auf die Beine gestellt.

Dominiño ist ein Hilfswerk (Kinderhilfswerk SuTrA e.V.) für benachteiligte Kinder und Jugendliche mit eigener Schule und Kinderhaus am Stadtrand von Santa Domingo (Dominikanische Republik). Dort erhalten die Jungen und Mädchen Bildung, pädagogische Betreuung, medizinische Notversorgung und täglich warme Mahlzeiten.

Eine Pädagogin des element-i Bildungshauses Karlsruhe kennt die Dominiño Initiatorin Tabea Tomaschke. So entstand der Kontakt in die Dominikanische Republik und ein reger Austausch. Während der Organisation des Spendenlaufs, wurde das Interesse der Grundschüler*Innen in Deutschland geweckt. Gemeinsam mit den Pädagog*Innen sprachen sie über die Dominikanische Republik, aber auch über Armut in der Welt. Mit Hilfe der spanisch sprechenden Kinder konnten sie sogar einen Brief von Emilia, einem Mädchen des Projekts, übersetzen.

Am Dienstag, den 13. Oktober fand der Spendenlauf dann statt. Nach der Mittagskonferenz starteten die Läufer*Innen und weitere Kinder, die sie anfeuerten voller Motivation in Richtung Wald. In Kleingruppen mit jeweils einem erfahrenen Läufer/einer erfahrenen Läuferin begannen die Kinder ihre erste Runde. Zuvor hatten sie eigenständig nach Sponsor*Innen im Familienkreis gesucht und den Spendenbetrag pro gelaufenen Kilometer verhandelt. Am Ende hatten die teilnehmenden Schüler*Innen ganze 124 Kilometer zurückgelegt. Damit wurde eine sensationelle Spendensumme von 1.659 € gesammelt.

Das Geld wurde bereits überwiesen und Tabea Thomaschke bedankte sich herzlich bei allen Kindern, Pädagog*Innen und Sponsor*Innen. Alle Teilnehmenden freuen sich auf weiteren Austausch mit den Kindern von Dominiño und auf Updates des Projekts.

Wenn auch Sie dem Kinderhilfswerk Dominiño etwas spenden wollen oder sich näher über das Projekt informieren möchten, können Sie das hier tun: https://www.dominino.de/

Weshalb streiten wir uns? 

Diese Frage haben Sie sich bestimmt auch schon einmal gestellt. Streite ich mich mit jemandem, weil ich die Welt meines Gegenübers nicht kenne und meine Erfahrungswerte mitteilen und verteidigen möchte? Geht es mir darum, dass ich „recht“ bekomme? Möchte ich mein Gegenüber von meinem Standpunkt überzeugen? Was steckt dahinter, wenn wir uns streiten? 

Wirklichkeit vs. Wahrheit

An dieser Stelle ist es mir ein Anliegen, die beiden Begriffe „Wirklichkeit“ und Wahrheit voneinander zu unterscheiden. Denn die Unterscheidung dieser beiden Begriffe kann dabei helfen, ganz neu auf Konflikte zu schauen quasi aus einem anderen Blickwinkel. In der Antike hat bereits Platon ein Bild gefunden, um das, was ein Mensch als wahr erachtet, von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Im so genannten Höhlengleichnis wird die Höhle (und was der Mensch darin als Schatten an einer Wand wahrnehmen kann) den eigenen Sinneswahrnehmungen gleichgesetzt. Das würde ich vereinfacht als die persönliche und vielleicht begrenzte Wahrheit beschreiben, die durchaus trügerisch sein kann. Denn können wir wirklich wissen, ob das, was wir sehen, wahr ist? Hingegen steht die Welt außerhalb der Höhle bei Platon eher für die Gesamtheit all dessen, was existiert. Auch wenn das stark vereinfacht ist, so wäre hiermit die überprüfbare Wirklichkeit näher beschrieben. Die Gedanken von Platon sind wesentlich komplexer, als ich es darstellen kann, und werden weiter zu einer Theorie der Erkenntnis ausgeführt (Höhlengleichnis 2012; Kytzler 2009, S. 183ff.).  

Ich möchte an dieser Stelle ein schlichtes Bild nutzen, um die Unterscheidung der beiden Begriffe für Sie zu verdeutlichen: Stellen Sie sich bitte vor, wir stehen uns gegenüber. Zwischen uns liegt ein Pfeil am Boden, welcher aus meiner Sicht nach links zeigt. Sie sagen, er zeigt nach rechts. Wer hat recht?  

Wenn ich nun an Platon zurückdenke, wird bei dem Beispiel des Pfeils mit dem Begriff „Wirklichkeit“ all das beschrieben, was objektiv überprüfbar ist. Es ist überprüfbar, dass es den Pfeil gibt, seine Spitze zeigt in eine Richtung, die Farbe des Pfeils und seine Länge lassen sich gut beschreiben. Diese Wirklichkeit ist feststehend und unabhängig vom inneren Empfinden der beiden beteiligten Personen. 

Die „Wahrheit“ hingegen beschreibt eine Schnittmenge von Überzeugungen, Meinungen oder Äußerungen, die sich auf jeden möglichen (Wissens)bereich beziehen können. In unserem Beispiel wäre Ihre Wahrheit, dass der Pfeil nach rechts zeigt und so die eine Realität widerspiegelt. Aus Ihrer Sicht ist es wahr, dass der Pfeil nach rechts zeigt. Aus meiner Perspektive stellt sich die Lage anders dar: Der Pfeil zeigt nach links, mit allem, was damit für mich verbunden ist 

Dialogische Haltung

Gehen wir nun miteinander ins Gespräch, könnten wir herausfinden, dass wir beide aus unserer jeweiligen Sicht betrachtet – „recht“ haben. Damit diese erweitere Sicht gelingt, muss ich mir die Mühe machen, mir Ihre Sicht der Dinge anzuhören. Und es gehört zu einem gelungenen Austausch dazu, dass ich bereit bin, Sie und Ihre Perspektive verstehen zu wollen. Genauso machen Sie sich als mein Gegenüber auf den Weg, meine Wahrheit hören zu wollen und eine Bereitschaft aufbringen zu wollen, diese Wahrheit zu verstehen. Es geht an dieser Stelle nicht darum, Sie als mein Gegenüber zu überzeugen, sondern zunächst darum, unsere Sichtweisen nebeneinander zu legen. Diese dialogische Haltung wird in unserer element-i-Konzeption auch zugrunde gelegt (Kammerlander et al. 2018, S. 10).  

Jeder Mensch nimmt seine Umwelt anders wahr, lebt in gewisser Weise in seiner Welt und schafft sich seine Wahrheit. Wenn wir erfolgreich miteinander kommunizieren wollen, ist es mehr als hilfreich, diese Welt oder Realität der Gesprächspartner*in zu erfassen, um ihre Gedanken und Handlungen verstehen zu können und Fehlinterpretationen zu vermeiden. Begeben sich nun beide auf den Weg, die Wahrheit des Gegenübers verstehen zu wollen, kann ein reichhaltigeres Bild entstehen, das vielleicht näher an die so genannte Wirklichkeit rückt. Denn meine Sicht auf die Dinge habe ich durch die Perspektive einer anderen Person erweitert und neue Erkenntnisse gewonnen. Für das Thema, um das ich mit der anderen Person ringe, ergeben sich möglicherweise neue Lösungen – auf jeden Fall jedoch die Grundlage für erfolgreiche Kommunikation. 

Mein Fazit?

Schlüpfen Sie in die Schuhe des Gegenübers und lernen Sie die Welt mit seinen Augen zu sehen. Mein Gegenüber ist nicht nur Kolleg*in, Pädagog*in, Vorgesetzte*r etc., sondern auch Köch*in, Tennisspieler*in, Kinogänger*in … Und häufig steht etwas, das mir völlig „klar“ zu sein scheint, für mein Gegenüber in einem völlig anderen Zusammenhang.  

Nicht selten meint der Mensch, dass das wahr ist, was er oder sie für wahr hält. Und ist derselbe Mensch davon überzeugt, dass seine Sicht die einzig richtige sei, so ist bei einer Begegnung mit einem anderen Menschen, der seine Sicht ebenso als die einzig wahre annimmt, ein Konflikt wahrscheinlich. Durch Fragen, Zuhören und echtes Interesse haben wir die Möglichkeit, unser Gegenüber besser zu verstehen und somit einem Streit entgegen zu wirken. Mit Interesse, Feingefühl und Geduld lerne ich die Welt des Anderen kennen und kann mir überlegen, ob ich die Sicht des Anderen auf die Dinge übernehmen möchte. Reicher bin ich auf jeden Fall geworden, weil ich eine neue Perspektive gewonnen habe. 

Quelle:
Höhlengleichnis (2012). Abrufbar unter: https://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%B6hlengleichnis (zuletzt aufgerufen am 7.12.2020)
Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser. Stuttgart
Kytzler, Berhard (2009) (Hrsg.): Das Höhlengleichnis: Sämtliche Mythen und Gleichnisse. Insel: München

Mehr von Barbara Schmieder

Gewinnspiel: Das neue Bewegungskartenspiel des VSK

Der Verein in Sport und Kultur e.V. hat ein Bewegungskartenspiel mit Namen „DIBBLA“ (schwäbisch für Tippeln) entwickelt. Man kann es alleine oder zu mehreren spielen. Dabei kann es auch mit eigenen Spielregeln gespielt werdem. Drin oder draußen!

Entstanden ist „DIBBLA“, um mit Bewegung die Entwicklung von Kleinkindern zu fördern, aber gespielt werden, kann es von jeder Altersklasse. Der Verein in Sport und Kultur e.V. möchte dazu anregen, Sport in den Alltag zu integrieren – unabhängig von fixen Sportstunden.

Wer noch ein Weihnachstgeschenk sucht, findet mit „DIBBLA“ Unterhaltung für die ganze Familie.

Zur Adventszeit verlost der VSK ein Spiel. Um teilzunehmen, müssen Sie nur eine E-Mail mit dem Lieblingsbewegungsspiel ihres Kindes senden.

Hinweis: Das Gewinnspiel ist mittlerweile beendet.

Mehr Informationen zum Spiel finden Sie unter www.vielfalt-sport-kultur.de/dibbla/

Video: Infoveranstaltung der element-​i Gemeinschaftsschule Karlsruhe im November 2020

Analog zu den Infoveranstaltungen der Grundschulen präsentierte sich auch die element-i Freie Gemeinschaftsschule im Bildungshaus Karlsruhe im November 2020 interessierten Eltern. Clemens Matthias Weegmann, Geschäftsführer bei Konzept-e, sowie Angelika Baus, Teamleiterin in der Grund- und Gemeinschaftsschule im Bildungshaus Karlsruhe, stellten die Gemeinschaftsschule und ihre Besonderheiten vor. Zudem stellten sie sich den Fragen der Eltern und gaben Details zur Anmeldung, zum Tagesablauf und zur Pädagogik.

Haben Sie die Infoveranstaltung verpasst? Schauen Sie sich die Video-Aufzeichnung an und erhalten Sie alle Antworten auf Ihre Fragen.

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Konstant bewusste Kinderernährung: WiKi erhält erneut BeKi-Zertifikat

Für eine vorbildliche Ernährungsbildung und Verpflegung gab es für das element-i Kinderhaus WiKi in Friedrichshafen wieder das BeKi-Zertifikat.

„BeKi“ steht für die Landesinitiative „Bewusste Kinderernährung“. Kindertageseinrichtungen, die sich in besonderer Weise für eine ausgewogene Ernährung einsetzen, können sich hierdurch zertifizieren lassen. Das Zertifikat ist für drei Jahre gültig. Somit ist gewährleistet, dass sich die Einrichtungen konstant dem Thema gesunde Ernährung widmen. Für das element-i Kinderhaus WiKi in Friedrichshafen ist die Ernährungsbildung ein wichtiger Baustein der frühkindlichen Bildung.

Barbara Schmieder, Teamleiterin im WiKi sagt: „Kinder sollen Freude am vielseitigen Essen und Trinken haben und Selbstständigkeit im Umgang mit Lebensmitteln erlangen. Die Köchin ist daher bei uns ein ganz wichtiges Teammitglied. Sie bereitet nicht nur täglich alle Mahlzeiten frisch zu, sondern beteiligt die Kinder auch durch Gespräche über Ernährung und das Kochen.“

Wir gratulieren dem Kinderhaus WiKi zur Re-Zertifizierung und sagen: Guten Appetit!

Video: Infoveranstaltung der element-i Grundschule Karlsruhe Anfang November 2020

Anfang November 2020 fand die Infoveranstaltung der element-i Freie Grundschule im Bildungshaus Karlsruhe statt. Eva Lang, Bereichsleiterin Schulpädagogik, sowie Angelika Baus, Teamleiterin in der Grund- und Gemeinschaftsschule im Bildungshaus Karlsruhe, stellten die Grundschule und ihre Besonderheiten vor. Zudem stellten sie sich den Fragen der Eltern und gaben Details zur Anmeldung, zum Tagesablauf und zur Pädagogik.

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Ich möchte feiern – ich brauch das! Der Wert von Festen, Feiern und Ritualen

Das Leben ist geprägt durch unterschiedliche Rhythmen, wie beispielsweise den Tagesrhythmus, den Wochenrhythmus und den Jahresrhythmus. Diese lassen das Leben „handhabbar“ werden, Phasen der Produktivität (Anspannung) und Phasen der Erholung (Entspannung) lösen einander ab. All diese Rhythmen werden durch markante Punkte, also Zäsuren, unterteilt und strukturiert. So ist der Tagesrhythmus durch den Wechsel von Tag und Nacht, durch Mahlzeiten sowie Schaf- und Wachzeiten natürlich bestimmt. Im Wochenrhythmus schafft das Wochenende für die meisten Menschen den Wechsel zwischen Arbeits- und Privatleben. Das Jahr erfährt seine Gliederung durch Jahreszeiten und Fixpunkte, die wir häufig in Festen, Feiern und Ritualen begehen. Der eigene Geburtstag als Feier, Weihnachten als Fest oder Fasching als Ritual sind nur einige Beispiele hierfür. Diese immer wiederkehrenden Fixpunkte strukturieren den Jahresverlauf und machen ihn so überschaubar und handhabbar.

Diese rhythmisch wiederkehrenden Fixpunkte stellen besondere, eben nicht alltägliche Situationen für die Menschen dar. Und oft haben Menschen eine genaue Vorstellung davon, wie sie ein Fest verbringen wollen, wie dieses gestaltet sein soll, was Teil des Festes sein soll und was nicht. Wir denken nicht jedes Jahr aufs Neue darüber nach, was ein Weihnachtsfest als solches ausmacht. Wir haben Weihnachten mehr oder weniger ritualisiert. Ich weiß bereits heute, dass zu jedem Weihnachtsfest meine Familie zusammenkommen wird, wir Lieder singen und nach dem Abendessen die Bescherung folgt. Daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern.
Für sich klar zu haben, dass es am Ende jeden Jahres dieses Fest gibt und zu wissen, wie die klare Abfolge der Ereignisse sein wird, gibt mir Sicherheit. Denn ich weiß, was in diesem, dem nächsten und übernächsten Jahr auf mich zukommt. Man könnte sagen, darauf bin ich mental vorbereitet. Und ich freue mich jedes Jahr in der Vorweihnachtszeit wieder darauf, dass Weihnachten bald kommt – mit allem was dazu gehört!

Der ritualisierende Charakter von Festen und Feiern kann Menschen eine Struktur geben, und diese Struktur wiederum ist mit einem individuell zugesprochenen Sinn aufgeladen. So kann für die Einen Weihnachten ein Fest der inneren Einkehr, der Besinnlichkeit und Ruhe sein, wo andere im regen Treiben der Großfamilie das Weihnachtsfest zusammen verbringen.
Für uns alle haben diese besonderen Punkte im Jahr eine eigene Bedeutung. Sie bringen uns Struktur und Normalität in der Handhabung des täglichen Lebens und unterstützen dabei, den Alltag zu überschauen und ihn für sich einzuordnen. Umso wichtiger ist es in der aktuellen Situation, sich diese Funktionsweise vor Augen zu führen: Seit Februar 2020 ist Corona ein alltagsprägendes Thema. Feste und Feiern können an dieser Stelle helfen „normal“ weiter zu machen. Sie können als trostspendendes oder einfach stärkendes Ereignis innerhalb eines Jahres Orientierung geben und somit Sicherheit sowohl in unsicheren als auch in normalen Zeiten schenken.

Feste und Feiern im Rahmen kindlicher Entwicklung – Aufbau eines Kulturbegriffs

Wir Menschen sind individuelle und soziale Wesen und wollen in Gemeinschaft leben. Damit dies gelingen kann, braucht es Verabredungen miteinander. Wir brauchen also eine Vorstellung darüber, wie wir miteinander umgehen wollen, welche Werte wir miteinander leben wollen oder auch, wie wir unsere Kräfte gemeinsam ausrichten wollen. Diese grundlegenden ausgehandelten Vorstellungen darüber, wie wir unser Leben in Gemeinschaft leben wollen, beschreiben unsere Kultur.

Kindern stehen nun vor der großen Aufgabe, sich genau eine solche Vorstellung aufzubauen, also zu erfahren, wie wir in unserer Gemeinschaft zusammenleben. Der Aufbau eines Kulturverständnisses erfolgt dadurch, dass das Kind Kulturmomente in Gemeinschaft erlebt. So erfahren Kinder ähnliche Werte und bauen zusammen eine ähnliche Vorstellung unseres Zusammenlebens auf. Dies macht sie gemeinschaftsfähig.

Feste und Feiern bieten an dieser Stelle diese Kulturmomente. Sie bringen den Kindern unsere Lebenswelt näher und machen das, was uns im Zusammenleben ausmacht, erfahrbar. Sie können Kinder also dabei unterstützen, einen eigenen Kulturbegriff auf- und auszubauen, indem sie erfahren können, wie wir zusammenleben und miteinander umgehen.

Erarbeiten der Zeitdimensionen

Unsere Kinder in unseren Kitas wollen deutlich mehr als nur verstehen, wie wir zusammenleben. Sie wollen verstehen, wie das funktioniert, was sie umgibt, verstehen, was Raum und Zeit sind. Daraus ergibt sich eine weitere Entwicklungsaufgabe des Kindes: sich Zeitdimensionen zu erarbeiten. Dies beginnt im Hier und Jetzt und hat zunächst keinen Bezug zu Stunden und Tagen oder zum Vergangenen oder Zukünftigen. Vorstellungen über Zeit erarbeitet sich das Kind durch einen rhythmisierten Tagesablauf oder wiederkehrende strukturierende Elemente im Tag und kann dies nach und nach ausdifferenzieren sowie ins Gestern oder Morgen übertragen. Am Ende seiner Kitazeit hat das Kind durch die erlebten Vorläufererfahrungen eine ganz eigene Vorstellung davon, was ein Jahr sein könnte. Diese dafür nötigen Vorläufererfahrungen können die Kinder unserer Kinderhäuser in stattfindenden Festen und Feiern machen. So haben sie auch ohne eine Vorstellung über einen konkreten Jahresrhythmus grobe Orientierungspunkte und somit, wie bereits gesagt, eine ganz eigene Vorstellung über das Konstrukt Jahr.

Welt ästhetisch wahrnehmen

„Bildung beruht immer auf „ästhetischen Erfahrungen“. Diese sind sinnliche Wahrnehmungen und deren innere (Ein-)Ordnung auf Grundlage persönlicher Bedeutungsbeimessung.“

Wenn Bildung immer auf „ästhetischen Erfahrungen“ beruht, dann schließt sich eine weitere Entwicklungsaufgabe des Kindes an, die es in Bezug auf Feste, Feiern und Rituale in ihrer pädagogischen Arbeit in der Kita zu handhaben gilt. Es ist die Entwicklungsaufgabe, die Welt ästhetisch wahrzunehmen. Dazu zwei weitere Auszüge aus der Konzeption:

„Bildung geschieht also immer nur dann, wenn Menschen beginnen, sich mit den Eindrücken, die sie erreichen, auseinanderzusetzen, weil diese für sie individuell bedeutend sind.“

„Kinder sind in ihrer Bildungsarbeit also angewiesen auf Erfahrungen, die sich ihnen bedeutungsvoll präsentieren bzw. die an bekannte Sachbezüge und den bereits bestehenden Sinnhorizont anknüpfen oder auch neuen Sinn entstehen lassen.“

Kinder nehmen die Welt also sinnlich und durch ihre individuelle Bedeutungsbeimessung wahr, wobei für sie das von Bedeutung ist, was sie „bewegt”. Also all das, was an ihrem Sinnhorizont anknüpft. Anders gesagt all das, was für sie relevant oder sinnstiftend ist.

Feiern, Feste und Rituale ermöglichen es den Kindern, nötige Vorläufererfahrungen zu machen, um eine Vorstellung vom Zusammenleben in Gemeinschaft aufbauen zu können. Gleichwohl werden die Kinder durch Feste und Feiern darin unterstützt, die Rhythmen des Lebens kennenzulernen, sich Zeitdimensionen zu erarbeiten. Feste und Feiern geben somit Orientierung und erzeugen Normalität. Gerade in unseren besonderen Zeiten im Umgang mit Covid-19 braucht es mehr Normalität und Sicherheit, für ein gesundes Leben.

Anhand der erarbeiteten Perspektiven und der angesprochenen anstehenden Entwicklungsaufgaben der Kinder stellt sich mir abschließend die Frage, wie Sie in Ihrer Einrichtung, mit Blick auf kommende Feste gestalten werden? Was sind für sie Schlüsselfaktoren in der Umsetzung?

Ich freue mich auf Ihre Gedanken dazu.

Literatur

Carola Kammerlander, Marcus Rehn, Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser.

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Dialogische Führung: Der Schlüssel zum guten Miteinander?

In Zeiten von Corona sind die Unternehmen mehr denn je auf Mitarbeiter*innen angewiesen, die verantwortungsbewusst, selbstwirksam, innovativ und entscheidungsfreudig agieren. Der Wunsch nach flachen Hierarchien und modernen Strukturen fordert Unternehmen heraus: Verantwortung muss delegiert, Innovation gesehen und Entscheidungsfreude ermöglicht werden. Gehen Struktur und Kultur des Unternehmen und Engagement der Mitarbeiter*innen gut zusammen, so bietet sich Unternehmen die Chance, Mitarbeiter*innen ihren Fähigkeiten gemäß einzusetzen und wertvolle Potenziale zu nutzen (Oenning, 2017). Megatrends wie zum Beispiel die Individualisierung bestärken zudem die Menschen darin, dass sie einzigartige, machtvolle Individuen sind, die sich nach ihren jeweiligen Kompetenzen verwirklichen möchten (Heß, 2008). Entsprechend bedarf es zeitgemäßer Methoden, um die Menschen charismatisch, inspirierend und motivierend zu führen (Boerner & Freier von Streit, 2006).

Fokus auf die individuelle Mitarbeiter*in

Die element-i Pädagogik beschreibt ein Menschenbild, aus welchem sich in Folge auch eine Idee von Führung zwangsläufig ableitet, die Kohärenz bei den „Geführten“ erzeugt. Basierend auf dieser Grundhaltung ist ein Führungsstil folgerichtig, aus dem heraus sich eben diese Kohärenz erzeugen lässt. Im Vergleich zu anderen Führungsstilen wie dem transaktionalen, charismatischen, authentischen oder dem transformationalen Führungsstil verkörpert der dialogische Führungsstil im besten Sinne diese Grundhaltung, und darin spiegelt sich die Haltung der element-i Pädagogik wider.

Im Fokus steht hierbei die individuelle Mitarbeiter*in, die aus einer inneren sowie freien Überzeugung heraus bewusst ihrer Arbeit nachgeht und die element-i Pädagogik “lebt”. Jede einzelne Mitarbeiter*in – egal ob seit gestern oder bereits seit 17 Jahren beschäftigt – entscheidet sich jeden Tag dafür, die element-i Konzeption umzusetzen. An dieser bejahenden Haltung setzt der dialogische Führungsstil an. Alle Menschen werden ernst genommen. Entsprechend entstehen durch unterschiedliche Perspektiven (Pädagogen*innen, Audit-Rückmeldungen, Elterngespräche, Feedback durch Teamleitungen oder Fachberatungen) individuelle Wahrnehmungen in Bezug auf unterschiedlichste Sachverhalte, die einander zur Verfügung gestellt werden.

Verständnis für sein Gegenüber entwickeln

Die Idee der dialogischen Führung ist es, aufrichtig sein Gegenüber verstehen zu wollen. Das können Wahrnehmungen, Handlungen, Gespräche oder die Reflexion eines Impulses sein. Im Dialog werden unterschiedliche Wahrnehmungen aus unterschiedlichen Perspektiven gemeinsam beleuchtet (Dietz, 2008). Dabei geht es primär darum, die Position seines Gegenübers verstehen zu wollen und dessen Wahrnehmungen als solche anzuerkennen. Vielleicht kommt man im Austausch auf einen gemeinsamen Nenner, vielleicht nicht. Es gibt kein Gut, es gibt kein Schlecht. Dies hat zur Folge, dass es im Kern jederzeit um den Inhalt geht und die Hierarchie, die es zweifellos in jedem Unternehmen gibt, in den Hintergrund rückt und tatsächlich flach wird. Entscheidungen werden auf Basis von Verantwortungsbereichen gefällt. Liegt der Fokus einer Teamleitung auf der Prozessqualität, so richtet sich der Blick einer Pädagogischen Leitung auf deren Standort bzw. darin ihre Fachexpertise zu vermitteln (Beobachtung und Dokumentation, Bildungsbereiche, Leitlinien etc.) und somit auf der Strukturqualität. Dies ermöglicht, Themen mehrdimensional zu beleuchten und inhaltlich voneinander zu profitieren. Beim dialogischen Führungsstil sind wir Führungskräfte nicht daran interessiert, dass Inhalte technisch delegiert und umgesetzt werden. Im Dialog werden Entscheidungen getroffen. Das schließt unpopuläre Entscheidungen mit ein, die – wenn wir ehrlich sind – auch hin und wieder getroffen werden müssen. Der Anspruch an dieser Stelle muss es sein, unschöne Inhalte kohärent zu vermitteln.

Es ist schlussendlich nicht nur ein Führungsstil. Die dialogische Haltung trägt das gesamte element-i Menschenbild, weil diese Art von Führung Werte wie Verantwortungsbewusstsein, Empathie, Zielstrebigkeit, Disziplin und Freude am Leben befördert. Werte, für des sich lohnt zu arbeiten. Werte, dir wir gerne leben.

Literatur

Boerner, S., & Freier von Streit, C. (2006). Gruppenstimmung (group mood) als Erfolgsbedingung transformationaler Führung. Göttingen/Stuttgart: Zeitschrift für Arbeits und Organisationspsychologie. Abrufbar unter: https://kops.uni-konstanz.de/bitstream/handle/123456789/3954/gruppenstimmung.pdf?sequence=1&isAllowed=y (zuletzt aufgerufen am 19.10.2020)

Dietz, K. M. (2008). Jeder Mensch ein Unternehmer – Grundzüge einer dialogischen Kultur. Karlsruhe: Universitätsverlag Karlsruhe

Heß, W. (2008). Ein Blick in die Zukunft – acht Megatrends, die Wirtschaft und Gesellschaft verändern. Allianz Dresnder Economic Research. Abrufbar unter: https://www.allianz.com/content/dam/onemarketing/azcom/Allianz_com/migration/media/current/de/images/ein_blick_in_die_zukunft_acht_megatrends.pdf (zuletzt aufgerufen am 19.10.2020)

Oenning, L. (2017). Mit flachen Hierarchien zu glücklichen Mitarbeitern. Düsseldorf: Handelsblatt. Abrufbat unter: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/beruf-und-buero/the_shift/studie-zu-unternehmensstrukturen-mit-flachen-hierarchien-zu-gluecklichen-mitarbeitern/19541516-all.html (zuletzt aufgerufen am 19.10.2020)

Yukl, G. (2013). Leadership in Organizations . München: Pearson

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