Was ist das Kohärenzgefühl?

Der Begriff Kohärenzgefühl oder Kohärenzempfinden geht auf den Mediziner Aaron Antonovsky zurück. Er fasst den sense of coherence als ein tief sitzende Gefühl oder als Lebensorientierung zusammen, die darüber Auskunft gibt, wie man mit dem Leben oder mit Herausforderungen klarkommt – auch wenn es schwierig wird. Je ausgeprägter diese Überzeugungen sind, umso besser kommt ein Mensch mit Aufgaben zurecht.

Das Kohärenzgefühl setzt sich aus drei Komponenten zusammen

  1. Verstehbarkeit meint, dass man sowohl versteht, was mit einem selbst los ist, als auch, was um einen herum vorgeht. Sowohl die Botschaften des eigenen Körpers als auch die eigenen Gedanken und Gefühle sind einem nicht unverständlich, fremd, Angst machend, sondern man kann sie einordnen, erklären und in gewisser Weise auch voraussehen. Ebenso sind die Informationen aus der Umwelt und von anderen Menschen nicht ein sinnloses Rauschen, ein Chaos, sondern man versteht, was um einen herum passiert und kann es sich erklären. Natürlich passieren Dinge, und man kommt in Situationen, in denen man nicht sofort versteht, was los ist. Jedoch gelingt es Menschen mit einem hohen Kohärenzempfinden in solchen zunächst unverständlichen Situationen, sich wieder zu orientieren, Informationen einzuholen, Erklärungen zu finden. Menschen mit einem niedrigen Ausmaß an Verstehbarkeit hingegen haben umso mehr Schwierigkeiten, je weniger strukturiert und ungewohnter eine Situation oder ein Erlebnis aus ihrer Sicht ist.
  1. Handhabbarkeit bedeutet, dass man Mittel und Wege hat, um Aufgaben und Anforderungen zu lösen. Es ist sozusagen der praktische Teil des Kohärenzgefühls: Man weiß, was man tun kann und kennt seine Resso. Und sollte man selbst nicht weiter wissen, so weiß man, wie man sich Unterstützung bei anderen holt. Menschen mit einem hohen Kohärenzempfinden fühlen sich vom Leben und den Ereignissen nicht in eine Opferrolle gedrängt oder ständig benachteiligt. Wenn unangenehme Dinge passieren, sind die Menschen in der Lage, sich darauf einzustellen und neu zu orientieren, statt mit dem Schicksal zu hadern.
  1. Bedeutsamkeit kennzeichnet, dass eine Person das Leben oder ein bestimmtes Thema als sinnvoll empfindet und dass es Menschen, Dinge und Lebensbereiche gibt, die ihr wichtig sind und für die es sich lohnt, sich anzustrengen. Bedeutsamkeit ist der wichtigste Teilaspekt des Kohärenzgefühls, denn wenn es nichts gibt, was einem wichtig ist, nichts und niemanden, für das oder den es sich einzusetzen lohnt, dann ergeben auch Handhabbarkeit und Verstehbarkeit wenig Sinn. Natürlich ist klar, dass man sich nicht für alles in der Welt einsetzen kann. Wichtig ist vielmehr, dass man Schwerpunkte setzt, dass man sich über die eigenen Werte klar wird und dass man Entscheidungen trifft, wofür und für wen man sich engagiert. Dabei ist es auch wichtig, dass man Grenzen setzt, d.h. dass man sich nicht für alles und jeden zuständig fühlt. Dies ist unbedingt notwendig, um Überlastung zu vermeiden.

Wie kann ich nun mein Kohärenzgefühl steigern?

Es ist prinzipiell möglich zu lernen, Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit (also ein Kohärenzgefühl) im Alltag und in belastenden Situationen herzustellen.

Verstehbarkeit erlernt man z.B., wenn eine Person im Umfeld ein gewisses Maß an Regelhaftigkeit erfährt, Beziehungen in sich stimmig und ohne Widersprüche sind; Zusammenhänge bestehen und Widersprüche erkannt werden. Verstehbarkeit stellt sich dann ein, wenn man seinen Alltag so gestaltet, dass Abläufe und Dinge geordnet sind, man sich Routinen schafft, die sich dann wiederholen und zusammenpassen. Es passiert immer wieder, dass unvorhergesehene Dinge geschehen; hier können folgende Fragen helfen:

  • Was möchte ich erreichen? Was ist mein Ziel?
  • Wofür trage ich die Verantwortung?
  • Was tue ich, und welche Konsequenzen wird mein Verhalten haben?

Es ist auch nie falsch, andere um Rat zu fragen.

Für die Handhabbarkeit ist es hilfreich, das eigene Handlungsspektrum zu erweitern und neue Bewältigungsmöglichkeiten für Stresssituationen kennen zu lernen und auszuprobieren. Dazu gehört u.a. wie man seine Interessen in einer selbstsicheren Art ausdrückt, Forderungen stellt oder unberechtigt gestellte Forderungen zurückweist. Verfügt man über unterschiedliche Varianten, um auf belastende Situationen zu reagieren, so fühlt man sich selten überfordert.

Das Gefühl der Handhabbarkeit stellt sich dauerhaft nur ein, wenn man sich den Aufgaben des Lebens gewachsen fühlt. Das schließt nicht aus, dass es immer mal wieder Phasen gibt, in denen man sich überfordert fühlt und einem alles über den Kopf zu wachsen scheint. Wichtig ist, dass es in diesen Phasen zu einer Balance zwischen Anspannung und Entlastung kommt. Um die Bedeutsamkeit im Leben zu stärken ist es zentral, die Bereiche im Leben zu bestimmen, die einem wichtig sind und bei denen man mit ganzem Herzen dabei ist. Diese Fragen können dabei helfen:

  • Was möchte ich erleben? (Legen sie sich eine sog. Löffel-Liste an)
  • Wo kann ich Energie sparen?
  • Wo kommt es auf mich an?
  • Wo erlebe ich Freude?
  • Bei welchen Ereignissen bin ich glücklich?

Es ist wichtig, dass Menschen in den wichtigsten Lebensbereichen (meist sind dies Familie und der Arbeitsplatz) erfahren, dass sie wichtig sind, dass sie teilhaben. Es macht einen Unterschied, ob man da ist oder nicht.

Wir alle erleben aktuell Herausforderungen in dieser besonderen Zeit. Egal, wo unsere Aufgaben gerade liegen – wir lernen alle etwas dazu. So kann auch jeder von uns lernen, ein Kohärenzgefühl für sich herzustellen.

Deine Gedanken und Anregungen kannst du gerne unten kommentieren.

Quelle
Franke, Alexa; Witte, Maibritt (2009): Das HEDE-Training – Manual zur Gesundheitsförderung auf Basis der Salutogenese. Huber: Bern

Mehr von Barbara Schmieder

Sprachliche Bildung? – Alltagsintegriert!

Die alltagsintegrierte sprachliche Bildung gilt vielen Pädagog*innen als die Methode der Wahl. Auch wir in den element-i Häusern bevorzugen sie gegenüber den so genannten Sprachförderprogrammen. In diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, was alltagsintegrierte sprachliche Bildung ausmacht und was sie mit der element-i-Pädagogik zu tun hat.

Sprachförderprogramme sind personenabhängig

Sprachförderprogramme setzen in der Regel auf eine systematische Förderung nach einem festgelegten Ablaufplan und mit vorgegebenem Material (Jungmann et al 2018, 38). Beim Förderprogramm „Hören, lauschen, lernen“ von Küspert und Schneider, eines der bekanntesten Programme, werden den Kindern täglich 10-minütige Einheiten angeboten – über viele Wochen hinweg. Damit wird u.a. die phonologische Bewusstheit trainiert und der Schriftspracherwerb vorbereitet. Dagegen ist nichts einzuwenden, das Programm wird seit Jahren erfolgreich eingesetzt. Eine Dissertation aus dem Jahr 2018 bestätigt erneut seine Erfolge. Allerdings stellte die Forscherin in ihren Stichproben u.a. fest, dass die Wirksamkeit des Programms viel mit der vermittelnden Person zu tun hat: Es kommt auf die Art und Weise an, wie eine Person die Inhalte weitergibt. Je eher der Pädagog*in die Anpassung des Materials an die Gegebenheiten in der jeweiligen Einrichtung gelang und sie damit die Kinder inhaltlich passgenauer erreichte, desto größer war der Nutzen für die Kinder. (vgl. Jäger 2018, 199). Das klingt plausibel. Der Aspekt, an vorhandene Interessen von Kindern und an ihre Ressourcen anzuknüpfen, trägt uns gedanklich etwas weg vom Programmhaften, ebenso vom vorgefertigten Material. Und genau dieser Aspekt mag erklären, warum wir in element-i Häusern weniger auf Sprachförderprogramme setzen, auch wenn sie ihre Berechtigung haben mögen. Nicht Material und Zeitpunkt sollen bestimmen, was Kinder im Tagesverlauf tun, vielmehr geben die Interessen der Kindes wichtige Hinweise, was inhaltlich aufgegriffen und erweitert, für Angebote bzw. Impulse vorbereitet und pädagogisch begleitet wird.

Was ist alltagsintegrierte Sprachförderung?

Rufen wir uns in Erinnerung, was mit dem Begriff alltagsintegrierte Förderung gemeint ist. Der Bundesverband für Logopädie fasst ihn so: „Alltagsintegrierte Sprachförderung bedeutet, dass die frühpädagogischen Fachkräfte sich in allen Situationen gegenüber allen Kindern sprachfördernd verhalten“ (Deutscher Bundesverband für Logopädie). Das klingt einfach, ist jedoch durchaus anspruchsvoll. Die Autorinnen Jungmann et al. (2018, 39) ergänzen diese Definition um wesentliche Aspekte: nämlich die Orientierung an den Interessen der Kinder und die Klassifizierung als ressourcenorientierter Ansatz. Sie heben hervor, dass Förderung nicht punktuell stattfinden und nicht zeitlich begrenzt sein sollte. Vielmehr sehen sie (und andere Befürworter*innen der alltagsintegrierten sprachlichen Bildung) entscheidende Vorteile darin, dass man Interessen der Kinder aufgreift. Kinder, die sich interessiert mit einem Thema befassen, zeigen oftmals Ausdauer, großes Engagement, teilen sich mit und geben nicht so schnell auf – das sind wichtige Lerndispositionen. Die Pädagog*in kann letztlich an jede Station des Tagesablaufs und an den Ressourcen der Kinder anknüpfen. Auch hier ist die Brücke zur element-i-Pädagogik leicht geschlagen: Wir nutzen die Interessen und damit die Stärken eines Kindes, um dem Kind den nächsten Entwicklungsschritt zu ermöglichen. Denn genau unter diesen Voraussetzungen ist Lernen besonders leicht möglich. element-i Pädagogik ist ressourcenorientiert angelegt. Und somit passt alltagsintegrierte Sprachförderung zu element-i wie der Deckel zum Topf.

Freilich erfordert es Kenntnisse der kindlichen Sprachentwicklung und eine vertrauensvolle Beziehung, um ein hilfreicher Dialogpartner*in sein zu können. Jungmann et al. (2018, 40) listen darüber hinaus wichtige Grundprinzipien auf, die es zu beherzigen gilt:

  • dem Kind auf Augenhöhe begegnen,
  • Blickkontakt herstellen,
  • interessiert zuhören,
  • dem Kind Zeit geben, seine Gedanken zu formulieren,
  • Sprechanlässe schaffen,
  • Sprechpausen einräumen, damit ein Kind antworten kann,
  • Freude am Sprechen vermitteln (Jungmann 2018, 40).

Sie kennen diese Prinzipien und wenden sie an – mit Sicherheit. Die Übersicht ist als Erinnerung gedacht und mag Sie anregen, sich selbst und den Kita-Alltag in Ihrem Kinderhaus zu überprüfen: In welchen Situationen gelingt es Ihnen, ein gutes sprachliches Vorbild zu sein, und in welchen weniger? Was können Sie beitragen, um die pädagogische Qualität im Kinderhaus zu steigern? Welcher Schritt wäre Ihr nächster?

Sprachlehrstrategien

Wenden wir uns nun den Sprachlehrstrategien zu. Möglicherweise müssen Sie ein wenig nachdenken, um sich die wesentlichen ins Gedächtnis zu rufen. Es ist mehr als hilfreich, sich von Zeit zu Zeit zu vergegenwärtigen, welch bunter Strauß an förderlichen Strategien Ihnen zur Verfügung steht. Die Kunst besteht darin, für das vor Ihnen stehende Kind bzw. die Kindergruppe das richtige sprachliche Niveau und die richtige Strategie zu wählen und zu entscheiden, ob Ihr sprachlicher Input hilfreich ist oder ob sprachliche Zurückhaltung die Methode der Wahl sein sollte.

Zurück zu den Strategien: Je nach Autoren-Team werden die Strategien ein wenig anders gebündelt und benannt. In der folgenden Übersicht habe ich mich an den Kriterien nach Kappauf (2018) vom Staatsinstitut für Frühpädagogik orientiert.

  • Gespräche führen: Mit Kindern Gespräche zu führen, bei denen es mehrere Turns gibt, gilt als besonders günstig. Es kommt dabei zu einer bedeutsamen Situation zwischen zwei Menschen, die sich austauschen. Achten Sie mal darauf, ob es Ihnen gelingt, mit allen Kindern (je nach Alter entsprechend ausführlich) täglich einen Dialoge mit 4-5 Turns zu führen. Neben den Gesprächen zwischen Erwachsenem und Kind sind auch die Gespräche unter Kindern nicht unwesentlich.
  • Fragen stellen: Dazu gehören geschlossene Fragen, die die Antworten „ja“ und „nein“ zulassen; halboffene Fragen, mit der die Pädagog*in die einen Begriff bzw eine Tätigkeit abfragt: „Was ist das?“ – „Ein Hund.“ Oder: „Was macht der Hund?“ – „Er bellt.“. Schließlich gibt es die offenen Fragen, die das Kind zu einer längeren Antwort einladen: „Warum fährt das Auto weg?“, „Wie könnte man Ida helfen?“ Die offenen Fragen sind geeignet, die Kinder in ihrer Erzählfertigkeit anzuregen. Dabei ist darauf zu achten, ob die sprachlichen Kompetenzen eines Kindes so weit entwickelt sind, dass die Aufforderung gemeistert werden kann.
  • Wiederholen und erweitern: Hierunter werden a. reine Wiederholungen der kindlichen Äußerung gefasst. Das gibt dem Kind die Sicherheit, dass es das Wort richtig verwendet hat. Oft kommt es im Alltag vor, dass Kinder Teilsätze äußern, wie „Blatt fallen“. Hier hat die Pädagog*in b. die Möglichkeit, mit dem sog korrektiven Feedback den Inhalt, den das Kind transportieren möchte, aufzugreifen, jedoch in einem vollständigen Satz: „Genau, das Blatt ist heruntergefallen.“ Oder die Pädagogin erweitert c. den Inhalt um einen Aspekt oder um neue Sachinhalte: „Ja, das Blatt ist heruntergefallen. Im Herbst fallen nach und nach die Blätter von den Bäumen. Dabei verändert sich die Farbe der Blätter.“
  • Anknüpfen: auf Äußerungen der Kindern eingehen oder ihre Fragen beantworten. Beispielsweise benennt das Kind einen Gegenstand: „Auto.“ Als Pädagog*in knüpfen Sie an, z.B. mit: „Was für Fahrzeuge kennst du noch?“
  • Differenzierte Sprache: Hier sind drei Aspekte subsumiert, wie den Wortschatz der Kinder erweitern, einen differenzierten Wortschatz einsetzen oder Äußerungen, mit denen man die eigene Äußerung mit dem Wissen der Kinder verknüpft (Kind: „Da, ein Hund.“ Die Pädagog*in greift die Bemerkung auf und ergänzt: „Ja, das ist ein Hund. Den nennt man Dackel, und ihr habt zu Hause einen Pudel.“)
  • Handlungsbegleitend sprechen: Hiermit sind sprachliche Begleitung eigener Handlungen gemeint sowie sprachliche Begleitung der Handlungen eines Kindes. Wenn Sie Handlungen der Kinder sprachlich begleiten, bekommen Kinder eine Idee davon, wie eine Situation sprachlich ausgestaltet werden könnte. Beispielsweise zeigt das Kind auf ein Tier im Buch; Sie als Pädagog*in begleiten die Geste mit „Ja, du zeigst uns den Schmetterling. Das ist ein Schmetterling.“

All diese genannten Strategien sind gut erforscht und gelten als unbedingt förderlich für die Sprachentwicklung. Es ist faszinierend, dass uns in zahlreichen Situationen Kommunikation mit diesen Techniken gut gelingt, ohne dass wir darüber nachdenken müssten. Aber wissen Sie tatsächlich, welche Stärken Sie besitzen? Eine wunderbare Methode, das eigene Handeln unter die Lupe zu nehmen, gelingt mit der Videografie. Mit kurzen Video-Sequenzen – beispielsweise beim Dialogischen Lesen oder beim Essen oder in der Kiko aufgenommen – könnten Sie sich über die Schulter schauen, sich der eigenen sprachlichen Kompetenzen stärker bewusst werden. Möglicherweise entdecken Sie neben Ihren Stärken Entwicklungspotential bei sich und probieren neue Methoden bzw. Techniken aus. Natürlich können Sie sich im Team gegenseitig regelmäßig Feedback geben, oder Ihre Teamleitung Ihnen. Wie auch immer, eines ist gewiss: Sie, ich, wir alle stehen bei vielen Fragen in unserem professionellen Alltag vor einer Zone der nächsten Entwicklung. Und es lohnt sich, sich auch als Erwachsener auf den Weg dorthin zu machen und sein professionelles Handeln auszubauen.

Quellen:
Deutscher Bundesverband für Logopädie (o.J.): Sprachförderung in der Kita. https://www.dbl-ev.de/logopaedie/foerderung-der-sprachentwicklung/sprachfoerderung-in-der-kita/ (zuletzt aufgerufen am: 5.5.2020)
Jäger, Dana (2018): Zur pädagogischen Legitimation des Würzburger Trainingsprogrammes Hören, lauschen, lernen: Trainingseffekte und Trainereffekte. https://opus.bibliothek.uni-wuerzburg.de/opus4-wuerzburg/frontdoor/deliver/index/docId/17405/file/Jaeger_Dana_Dissertation.pdf (zuletzt aufgerufen am 5.5.2020)
Jungmann, Tanja; Morawiak, Ulrike; Meindl, Marlene (2018): Überall steckt Sprache drin. Alltagsintegrierte Sprach- und Literacy-Förderung für 3- bis 6-jähringe Kinder. Ernst Reinhardt: München/Basel
Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis (2018): element-i – Pädagogische Konzeption der element-i- Kinderhäuser. Stuttgart
Kappauf, Nesiré (2018): Fachlich fit mit Videofeedback. Sprachliches Interaktionsverhalten in der Kita reflektieren (unter Mitarbeit von Sina Fischer und Claudia Wirts). Staatsinstitut für Frühpädagogik: München

Mehr von Christina Henning

Wir haben noch Plätze in der element-i Gemeinschaftsschule (Schuljahr 20/21)

Momentan wird der Alltag aller von Covid19 geprägt und eingeschränkt. Dennoch steht die Zeit nicht still und das Schuljahr 2020/2021 kommt. Unsere Gemeinschaftsschule im neuen element-i Bildungshaus in Karlsruhe hat noch freie Plätze. Vor allem für die Klassenstufen 5 bis 8.

Was ist das element-i Bildungshaus?

Die Gemeinschaftsschule mit geplanter, gymnasialer Oberstufe ist zusammen mit der Kita und Grundschule in einem Haus untergebracht. Gelehrt und betreut wird von der Kita bis zum Abitur mit durchgängiger Pädagogik auf Basis des element-i Konzeptes, welches großen Wert auf die Individualität, Interessen und die Gemeinschaft legt.

Welche Bereiche werden abgedeckt?

Die Schwerpunkte der Gemeinschaftsschule liegen zum einen auf dem MINT Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) und zum anderen auf einem bilingualen Angebot. Doch auch Fächer wie Kunst und Musik werden gelehrt. Jede Schülerin und jeder Schüler wird individuell bei der Entdeckung seiner Interessen und Talente unterstützt. Unsere Schulen sind alle staatlich anerkannt.

Was hat die element-i Gemeinschaftsschule noch zu bieten?

Unsere Schülerinnen und Schüler werden den ganzen Tag von 7:30 bis 18 Uhr betreut. Die Schule schließt nur an 25 Tagen im Jahr. In den meisten Schulferien wird Ferienbetreuung mit einem tollen Programm angeboten. Es gibt eine Vollverpflegung durch hauseigene Köche, welche bevorzugt mit regionalen und frischen Zutaten kochen. Außerdem stehen eine voll ausgestattete Werkstatt, eine stilvolle Schulbibliothek und eine Lehrküche zu Verfügung.

Das element-i Bildungshaus liegt auf einem großen Grundstück am Rand des Technologieparks Karlsruhe (TPK).

Mehr Informationen und Anmeldungsmöglichkeiten finden Sie hier: https://www.element-i.de/schulen/gemeinschaftsschule-im-bildungshaus-karlsruhe/

 

Kleinkinder: Wie zeigen sie Emotionen und welche?

Das Deuten von Emotionen ist im Säuglings- und Kleinkindalter sehr schwierig. Empfindungen werden hier am verlässlichsten über den Gesichtsausdruck beschrieben. Doch welche Facetten gibt es in diesem Ausdruck und im emotionalen Erleben von kleinen Kindern?

Emotionen von Kindern in der Forschung

Die Forschungsbefunde gehen weit auseinander, was die Definition, Entwicklung und den Umfang von Emotionen angeht. Grundlegend geht man mittlerweile davon aus, dass der Mensch mit Vorläuferemotionen auf die Welt kommt, die durch Stimmungsqualitäten geprägt sind und sich im Erregungszustand unterscheiden – entweder hingezogen zu angenehmen Situationen oder Rückzug von unangenehmen Situationen. Lächeln, Schreien, Aufmerksamkeitsfokussierung, Schreckreflex und Naserümpfen bei Ekel gelten als Ausdrucksreaktionen, die angeboren sind. Es findet erst in den frühen Lebensmonaten eine Entwicklung zu deutlichen und gut entwickelten Signalen statt. Dies vollzieht sich in enger Abhängigkeit von der Kommunikation mit den zentralen Bezugspersonen, die möglichst sensibel und passend zur Situation sein sollte. Man geht dabei von drei Grundemotionen aus, die auch eng mit der kognitiven, motorischen, sinnlichen und sprachlichen Entwicklung und damit mit der Entwicklung eines Selbstkonzepts über die ersten drei Jahre hinweg zusammenhängen.

Freude

Diese zeigt sich anfangs durch ein vorsichtiges Lächeln, später durch ausgelassenes Lachen. Oft beobachtet man ein erstes Lächeln im Schlaf schon in den ersten Lebenstagen und -wochen. Dieses endogene Lächeln in der REM-Phase ist meist die wohlige Reaktion auf angenehme Klänge oder Berührungen. Mit ca. 4 Lebenswochen entsteht das erste soziale (exogene) Lächeln bei Erkennen der Bezugsperson, mit 6-8 Wochen das bewusste Zurück-Lächeln. Bis zum vierten Lebensmonat verstärkt sich dieses Lächeln, wenn die Bezugspersonen in den Blick kommen. Gleichzeitig entwickelt sich ein erstes Lachen als Reaktion auf einen neuen Stimulus, was auch auf eine schnellere Informationsverarbeitung schließen lässt. Nach der Hälfte des ersten Lebensjahres lächelt das Kind ziemlich zuverlässig bei der Interaktion mit bekannten Personen. Wie Sie sich sicher erinnern, beginnt nun auch die Bindungsphase, sodass das Lächeln des Kindes Aufforderungscharakter und Spielanreiz für das Gegenüber ist. Mit 8-10 Monaten kann man davon ausgehen, dass das Anlächeln ein bewusstes soziales Signal ist. Gegen Ende des ersten Lebensjahres stehen verschiedene Formen des Lächelns zur Verfügung, die in etwa dem Repertoire eines Erwachsenen entsprechen. Aus dem Wunsch, positive Emotionen zu teilen, entsteht im zweiten Lebensjahr ein erstes Herumalbern des Kindes. Entsprechend ist das Signalisieren von Freude durch Lachen oder Lächeln verbunden mit dem Auslösen von positiven Reaktionen und Interaktionen mit dem Gegenüber.

Ärger/Traurigkeit

Ein Neugeborenes reagiert schon auf unangenehme Erlebnisse wie Hunger, Schmerz oder einen unpassenden Stimulus mit einer Ausdrucksreaktion in Form von Weinen oder auch Schreien. Ab dem zweiten Lebensmonat können die Bezugspersonen zuverlässiger zwischen diesen Dimensionen unterscheiden, die Ausdrucksform bleibt grundlegend aber gleich und unterscheidet sich in Nuancen bzw. Kombination mit anderen Ausdrücken (Gestik, Mimik). Zwischen dem vierten bis sechsten Monat nimmt der Ausdruck von Ärger in Frequenz und Intensität bis zum zweiten Lebensjahr zu. Auch hier sind die zunehmende kognitive und motorische Entwicklung wieder verantwortlich. Gleichzeitig ermöglichen die wachsenden Kompetenzen dem Kind eine zunehmende Unterscheidung der Situationskontexte (ob mir ein Spielzeug weggenommen wird oder ob mir jemand Schmerz zufügt) und das Überwinden von Hindernissen bzw. das Wehren gegen ungewollte Situationen. So hilft beispielsweise eine verärgerte Reaktion dem Kind, da die Bezugsperson in der Regel bereitsteht, den Kummer zu lindern. Ein entsprechend adäquates und auf die Situation angepasstes Verhalten der Bindungspersonen lässt das Kind auch hier sich zunehmend zielgerichtet Verhalten und Konsequenzen im Sinne von Gegenreaktionen seines Verhaltens abschätzen. Trauer ist im Kleinkindalter ein grundlegend eher selteneres Phänomen und wird vor allem in Bezug auf Bindungsverhalten und Trennungsangst beobachtet.

Furcht/Angst

Während des ersten halben Jahres sind kaum konkrete Belege für Angst-Reaktionen des Babys zu erleben. Mit der beginnenden Bindungsentwicklung tritt sie das erste Mal ab ca. sechs Monaten in Verbindung mit Trennungsangst bzw. Fremdenangst auf. Das sogenannte Fremdeln hat ab dem achten Lebensmonat meist Hochkonjunktur, ist aber vom Temperament und vorrangegangenen Erfahrungen und dem Interaktionsstil des Fremden abhängig und gleichzeitig ein Indiz für die zunehmende Bindung zu den Eltern. Das Fremdeln verringert sich, sofern der Erziehungsstil der Eltern für das Kind vorhersehbarer und abschätzbarer wird und es besser zwischen bedrohlichen und harmlosen Menschen bzw. Situationen unterscheiden kann und es weitere Strategien zur Angstbewältigung findet. Im frühen Kindesalter ist weiter noch die Furcht vor Objekten wie neuen Spielzeugen oder auch vor Höhen zu erkennen. Auch diese nimmt im Verlaufe der ersten Jahre tendenziell mit zunehmenden kognitiven Kompetenzen wieder ab.

Im Artikel „Die Entwicklung eines emotionalen Verständnisses“ greifen wir dieses Thema wieder auf und betrachten, wie man die Emotionen des Kleinkindes verstehen und eine Reaktion darauf erfolgen kann.

Literatur:
Berk, L. E. (2005): Entwicklungspsychologie. 3. Auflage. München: Pearson.
Holodynski, M. & Oerter, R. (2008): Motivation, Emotion und Handlungsregulation. In: Oerter, R. & Montada, L. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. 6. Auflage. Weinheim: Beltz PVU.
Janke, B. (2007): Entwicklung von Emotionen. In: Hasselhorn, M. & Schneider, W. (Hrsg.): Handbuch Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe.
Posth, R. (2010): Die Bedeutung der Bindungstheorie in der Frühpädagogik. In: Weegmann, W. & Kammerlander, C. (Hrsg.): Die Jüngsten in der Kita. Stuttgart: Kohlhammer.
Siegler, R. S.; DeLoache, J. & Eisenberg, N. (2005): Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter. München: Elsevier/Spektrum Akademischer Verlag.

Mehr von Anja Burger

Zertifizierung zum „Haus der kleinen Forscher“

Interview zur Zertifizierung zum „Haus der kleinen Forscher“ mit Christoph Lammert (CL) vom „Haus der kleinen Forscher“ in Berlin. Interview wurde geführt durch Lisa Reuß (LR) 

LR: Guten Tag Herr Lammert. Vielen Dank, dass Sie heute bereit sind, für die Kolleg*innen aus den element-i Einrichtungen ein paar Fragen zu beantworten. Wir starten auch gleich mit den Fragen. Was ist das Haus der kleinen Forscher?  

CL: Die gemeinnützige Stiftung „Haus der kleinen Forscher“ engagiert sich seit 2006 bundesweit für gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) – mit dem Ziel, Kinder stark für die Zukunft zu machen und zu selbstbestimmtem und nachhaltigem Handeln zu befähigen.  

Gemeinsam mit ihren über 200 Netzwerkpartnern bietet die Stiftung bundesweit ein Bildungsprogramm an, das pädagogische Fach- und Lehrkräfte fortlaufend dabei unterstützt, Kinder im Kita- und Grundschulalter beim Entdecken, Forschen und Lernen zu begleiten. Die Bildungsinitiative „Haus der kleinen Forscher“ verbessert auf diese Weise Bildungschancen, fördert das Interesse am MINT-Bereich und professionalisiert das pädagogische Personal. Allen Kitas und Grundschulen des Landes soll so die alltägliche Begegnung mit MINT sowie mit Fragen der Nachhaltigkeit ermöglicht werden.  

LR: Was ist Ihre Aufgabe beim Haus der kleine Forscher?  

CL: Als Referent für Zertifizierung unterstütze ich pädagogische Fach- und Lehrkräfte in Kitas, Horten und Grundschulen darin, Selbstevaluationsprozesse in ihren Einrichtungen zu initiieren und durchzuführen.  

LR: Wieviele Häuser sind bisher bundesweit zum Haus der kleinen Forscher zertifiziert worden?  

CL: Schon über 5.500 Einrichtungen sind als „Haus der kleinen Forscher“ zertifiziert. Da wir den Kitas, Horten und Grundschulen alle zwei Jahre eine Folgezertifizierung empfehlen, sind viele von ihnen bereits mehrfach zertifiziert. Insgesamt haben wir seit 2012 mehr als 12.000 erfolgreiche Zertifizierungen begleitet.  

LR: Warum ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, seine Kita zum Haus der kleinen Forscher zu zertifizieren?  

CL: Eine Zertifizierung lohnt sich in vielerlei Hinsicht. Kitas, Horte und Grundschulen können mit der Zertifizierungsplakette nach außen zeigen, dass in ihrer Einrichtung gute frühe Bildung in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik geboten wird und Kinder ihren eigenen Fragen nachgehen können. Das hat häufig den positiven Effekt der Vernetzung mit anderen Bildungspartnern zur Folge. Darüber hinaus leitet das Zertifizierungsverfahren einen Selbstevaluations- und Reflexionsprozess an und trägt somit zur Qualitätsentwicklung der Einrichtungen bei. Da pädagogische Fach- und Lehrkräfte mit ihrer täglichen Bildungsarbeit wichtige Grundlagen in den Bildungsbiografien der Kinder schaffen, soll die Zertifizierung vor allem auch ihre Arbeit hervorheben und wertschätzen. Deshalb steht am Ende des Zertifizierungsprozess in der Regel auch eine Feier. Bei der wird neben der erfolgreichen Zertifizierung auch immer das Engagement des pädagogischen Fachpersonals zelebriert.  

In einem kleinen Film berichten pädagogische Fach- und Lehrkräfte aus zertifizierten Einrichtungen, was sich bei ihnen seit der Zertifizierung verändert hat und warum sich eine Zertifizierung für Kitas, Horte und Grundschulen lohnt.  

LR: Sogar auch in Corona-Zeiten? 

CL: Klar! Eine Zertifizierung ist natürlich auch jetzt, während der Corona-Krise, möglich und sinnvoll. Es gibt bei uns derzeit eine deutliche Zunahme von Anrufen in der Zertifizierungshotline. Trotz oder gerade wegen der bundesweiten Schließung von Kitas und Schulen, scheint das pädagogische Personal Ressourcen für Aufgaben zu haben, die sonst im pädagogischen Alltag häufig nicht da sind. Der Zertifizierungsfragebogen ist ein Online-Instrument und kann so auch ohne persönlichen Kontakt ausgefüllt werden. Und das Projekt, das bei der Zertifizierung beschrieben wird, darf durchaus ein paar Monate in der Vergangenheit liegen. Also kann jetzt sehr gern losgelegt werden. Wir freuen uns über jede Bewerbung. Falls Fragen auftauchen, stehen wir den Pädagog*innen natürlich in der Servicehotline oder per Mail mit Rat und Tat zur Seite.  

LR: Was muss ich grob tun, damit mein Haus zum Haus der kleinen Forscher wird? 

CL: Um als „Haus der kleinen Forscher“ zertifiziert zu werden, muss in jedem Fall der Online-Fragebogen ausgefüllt werden. Dazu ist eine unverbindliche Registrierung auf der Webseite vom „Haus der kleinen Forscher“ notwendig Die Teilnahme am gesamten Zertifizierungsprozess ist für Kitas, Horte und Grundschulen kostenfrei.   

Einrichtungen, die sich zertifizieren lassen möchten, sollten das Entdecken und Forschen in den pädagogischen Alltag integriert haben, (kleine) Projekte durchführen und diese auch dokumentieren. Es muss nicht eigens für die Zertifizierung eine zusätzliche Dokumentation anfertigt werden. Es reicht aus, dass im Rahmen der Bewerbung Fragen zum Thema „Dokumentation“ beantwortet werden. Als Hilfe beim Ausfüllen können pädagogische Fach- und Lehrkräfte gern auf Dokumentationsformen zurückgreifen, die Ihrer Einrichtung bereits verankert sind, wie etwa auf Forschungsmappen, Lerngeschichten, Wandzeitungen, Portfolios, Fotocollagen o. Ä.. 

Darüber hinaus sollte das pädagogische Fachpersonal regelmäßig an Fortbildungen aus dem MINT-Bereich oder der Bildung für nachhaltige Entwicklung teilnehmen. Dabei ist es den pädagogischen Fach- und Lehrkräften selbst überlassen, ob sie sich für eine Präsenzfortbildung, ein Online-Lernangebot oder eine Fachtagung mit Bildungscharakter entscheiden. Auch das ist ein Vorteil während der Epidemie, weil auch Online-Fortbildungen eingebracht und diese von zu Hause besucht werden können. Hier erhalten  Sie eine Übersicht über unsere derzeitig angebotenen Onlineangebote. Generell gilt, dass die Fortbildungen sowohl beim „Haus der kleinen Forscher“ als auch bei anderen Anbietern durchgeführt werden dürfen – solange es dabei um MINT oder BNE geht. Die Anzahl der zu besuchenden Fortbildungen hängt von der Größe der Einrichtung ab. Hat die Einrichtung mehr als 50 Kinder, müssen in den letzten 24 Monaten vier Fortbildungen besucht worden sein. Dabei ist es ist es gleichwertig, ob eine Person vier Fortbildungen oder vier Personen jeweils eine Fortbildung oder zwei Personen jeweils zwei Fortbildungen besucht haben. Wichtig ist, dass in der Summe an mindestens vier Fortbildungen teilgenommen wurde. Bei kleineren Einrichtungen, die von bis zu 50 Kindern besucht werden, sollten insgesamt zwei Fortbildungen besucht worden sein.  

Auf unserer Webseite sind alle Zertifizierungsvoraussetzungen noch einmal ganz genau beschrieben.  

LR: Wie lange dauert es den Online-Fragebogen auszufüllen? 

CL: Abhängig von Erfahrungsstand und den personellen Kapazitäten kann die Bearbeitungsdauer des Fragebogens stark variieren. Insgesamt werden ca. drei bis zwölf Stunden benötigen, um die Fragen zu beantworten und im Team zu besprechen. Der Fragebogen kann selbstverständlich zu jeder Zeit gespeichert und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt werden.  

LR: Wieso ist das Zertifikat nur 2 Jahre gültig?  

CL: Für die langfristige Verankerung der MINT-Bildungsinhalte ist eine Folgezertifizierung alle zwei Jahre möglich und sinnvoll. Auch durch auftretende Personalwechsel wird so sichergestellt, dass die aktuelle Belegschaft am Zertifizierungsprozess beteiligt ist. Sollte die Zertifizierung verspätet oder gar nicht erneuert werden, darf die Plakette weiterhin an der Hauswand der Einrichtung hängen. Allerdings steht das Zertifizierungsdatum auf der Plakette und weist damit auf die Aktualität und Gültigkeit hin. 

LR: Was möchten Sie unseren Mitarbeiter*innen zum Abschluss noch mitgeben? 

CL: Falls bei Ihnen gerade zeitliche Kapazitäten bestehen, ist das der perfekte Zeitpunkt für eine Bewerbung und den Besuch von Online-Fortbildungen. Registrieren Sie sich einfach für die Zertifizierung und wagen Sie einen Blick in den Fragebogen. Das ist unverbindlich, kostenfrei und ermöglicht Ihnen einen guten Einblick in den Zertifizierungsprozess. Eine Zertifizierung ist auf jeden Fall machbar. Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich gern bei uns.  

LR: Und falls ich Fragen habe, an wen kann ich mich wenden? 

CL: Das Team „Zertifizierung“ unterstützt und berät Sie gern rund um Ihre Bewerbung. Ganz gleich, welche Fragen Sie zum Thema haben, melden Sie sich gern jederzeit telefonisch oder per E-Mail. 

LR: Oder melden Sie sich gern natürlich auch bei Ihrer NetzwerkKoordinatorin. Vielen Dank für das interessante Gespräch Herr Lammert. Ich hoffe, dass sich viele element-i Einrichtungen auf den Weg zur Zertifizierung machen.

Sie sind neugierig geworden? Registrieren Sie sich auf der Webseite vom „Haus der kleinen Forscher“.

Mehr von Lisa Reuß

Die Zone der nächsten Entwicklung 

Der Begriff „Zone der nächsten Entwicklung“  (ZNE) geht auf den sowjetischen Psychologen Lew Wygotski¹ zurück. Seine Werke blieben bis in die 1970er Jahre außerhalb der Sowjetunion weitgehend unbekannt. Dass seine Annahmen für Pädagog*innen in der Gegenwart eine große Bedeutung haben, wird niemand bestreiten. Wygotski betrachtete Kinder als soziale Wesen, die durch ihre kulturelle Umgebung geformt werden und die ihrerseits diesen Kontext mitgestalten (vgl. Siegler et al. 2016, 141). Lernen findet nach Wygotski idealerweise statt, wenn ein Mensch eine hinreichend große Herausforderung zu meistern hat, die ihn weder unter- noch überfordert.

Die pädagogische Praxis ist voller Beispiele, die die Zone der nächsten Entwicklung illustrieren: das Kind, das sich an Gegenständen hochzieht und versucht zu stehen und später selbstständig zu gehen; das Kind, das in einem bestimmten Entwicklungsstadium Silben wie „ma“, „pa“, „na“, „ne“ spricht und wenig später imstande ist, diese Silben zu Wörtern wie „nane“ für Banane oder „mama“ und „papa“ zusammen zu setzen. Beide haben die jeweilige Zone der nächsten Entwicklung für sich zu genau dieser Zeit erfolgreich gemeistert.

Die „Zone der nächsten Entwicklung“ am Beispiel Fahrrad fahren

Ich nutze gern ein Beispiel, das ich persönlich in guter Erinnerung habe. Es war der Tag, an dem ich Fahrrad fahren lernte. Als Kind spielte ich oft und gern mit meinen älteren Cousinen. Sie konnten geschickt mit ihren Fahrrädern umgehen und fuhren durch die Straßen der Kleinstadt. „Wie gern würde ich auch so Rad fahren können“, muss ich mehr als einmal gedacht und gesagt haben. Zu meinem Glück befanden sich in der Garage meines Onkels genügend große Fahrräder zum Experimentieren. Die schob ich umher, versuchte aufzusteigen, die Bremse und die Pedale zu betätigen … Abends stellte sich meine größte Freude dieser Tage ein. Mein Onkel erkundigte sich nach meinen Fortschritten, schob mich auf dem Fahrrad umher, unterstützte meine Bemühungen (die noch recht unbeholfen waren) mit einem aufmunternden „Ja, probier` es doch mal so“, ließ mich wieder allein forschen und entdecken, wie das Fahrrad funktionieren mochte. Was soll ich sagen? Eines herrlichen Tages gelang mir das selbstständig, was ich mit der Unterstützung meines Onkels schon vorher vermocht hatte. Ich setzte mich aufs Rad, packte beherzt den Lenker, stemmte mich mit aller Kraft in die Pedale. Und mit einem Mal konnte ich Fahrrad fahren – soweit meine möglicherweise etwas verklärte Erinnerung. Bis ich es geschickt konnte, brauchte es freilich viele Wiederholungen und Übung. An jenem Tag jedoch war ich überglücklich. Ich hatte das Rad fahren – wie ich meinte – selbstständig gelernt.

Ganz selbstständig hatte ich es natürlich nicht gelernt. Die Kombination aus körperlicher Reifung, hoher Motivation, Vorkenntnissen, der passenden Herausforderung (ein Roller wäre eine Unter-, ein Einrad eine Überforderung gewesen), sozialer Stützung und gelenkter Partizipation haben mir diesen Tag zu einem gemacht, den ich in sehr guter Erinnerung behalten werde. Was hat das Beispiel mit Wygotski zu tun?

Die Theorie: Die Annahmen Wygotskis zählen zu den soziokulturellen Theorien. Das sind jene „Ansätze, die den Beitrag anderer Menschen und der umgebenden Kultur zur Kindesentwicklung betonen“ (Siegler et al. 2016, 140). Das Lexikon der Psychologie definiert die ZNE oder auch Zone der proximalen Entwicklung als „… die Differenz zwischen einem aktuellem Entwicklungsstand eines Kindes, bestimmt durch die Fähigkeiten selbstständig Probleme zu lösen, und (einem) potentiellem Entwicklungsstand, der dadurch bestimmt ist, Probleme unter der Anleitung anderer zu lösen“ (Stangl, 2020). Damit sind zwei wichtige Aspekte benannt: einerseits der Einfluss anderer Personen auf das eigene Lernen. Wir Menschen brauchen die Anregung und das fortgeschrittene Wissen anderer, von dem wir alle, Kinder insbesondere, profitieren. Die Definition von Stangl weist auf einen weiteren Aspekt hin: nämlich dass der Korridor, auch der „sweat spot“ genannt, in dem Lernen leicht möglich ist, eingegrenzt ist. Lernen findet nicht statt, wenn die Aufgabe im Rahmen dessen liegt, was die betreffende Person bereits zu leisten imstande ist. Lernen findet ebenso wenig statt, wenn der zu bewältigende nächste Schritt zu schwierig und damit zu groß ist.

Lehrende und Lernende

Welche Annahmen und Prozesse kommen außerdem bei den Annahmen soziokultureller Theorien zusammen? Wir Menschen haben einerseits die Neigung, anderen Mitgliedern unserer Spezies etwas beizubringen, andererseits die Neigung, durch Unterweisung anderer zu lernen. Damit sind wir Lehrende und Lernende – und das von Anfang an. Säuglinge zeigen sich z.B. im Alter von 2-3 Monaten schon interessierter und reagieren lebendiger, wenn die Bezugsperson auf die Aktionen des Säuglings reagiert – im Vergleich zu Aktivitäten, die unabhängig von denen des Säuglings sind (Siegler et al. 2016, 142).

Gelenkte Partizipation, soziale Stützung und Beobachtung als Ausgangspunkt

Für die gelenkte Partizipation braucht es eine Expert*in, die ihren Wissensvorsprung teilen möchte. Im Fahrrad-Beispiel sind es für die Lernende die zentralen Eigenschaften des Fahrrades gewesen, die der Experte, mein Onkel, nahebrachte. Und der mit der Technik sozialer Stützung (scaffolding) möglich machte, dass die Lernende erahnen kann, wie sich Fahrrad-Fahren mit Hilfe anfühlt. Damit wurde die Lernende in die komfortable Situation gebracht, auf einem etwas höheren Niveau zu handeln, als sie es aus eigener Kraft vermocht hätte (vgl. Siegler et al., 143).

Die Beobachtung als Ausgangspunkt: Die weiter fortgeschrittenen Expert*innen – das können andere Kinder, Eltern oder Pädagog*innen sein – haben zentrale Aufgaben; das dürfte an dem Beispiel deutlich geworden sein. Bevor Sie als pädagogische Kraft mit gelenkter Partizipation und sozialer Stützung den Kindern Kulturwerkzeuge oder -techniken nahebringen, werden Sie in Erfahrung bringen, welchen Entwicklungsstand ein Kind hat. Denn nur mit der Kenntnis des nächsten Entwicklungsschritts eines Kindes können Sie die Begleitung, die zwischen (sprachlicher) Unterstützung und selbständigem Forschen durch die Kinder changiert, pädagogisch sinnvoll ausrichten. Beobachtung ist dabei der zentrale Ausgangspunkt.

Der element-i Bogen

In den element-i Häusern werden verschiedene Instrumente für die Beobachtung und Dokumentation genutzt, die ausgewogen miteinander verzahnt sind. Unter den Instrumenten wendet besonders der element-i Bogen den Blick auf das, was für das Kind in seiner individuellen Entwicklung kommen mag – nämlich auf die Zukunft und die Zone seiner nächsten Entwicklung.

Sie als Pädagog*in halten auf dem Bogen die Aktivitäten fest, die ein Kind mit Engagement und Ausdauer verfolgt, bei denen auch Misserfolge es nicht abhalten, weiter am Thema zu bleiben. Der Bogen ist ein zentrales Instrument, mit dem Sie Ihren Bildungsbereich, die darin angebotenen Materialien und Aktivitäten steuern – orientiert an den aktuellen Interessen und Talenten der Kinder, „die in den unterschiedlichen Lerndispositionen sichtbar werden“ (Kammerlander et al. 2018, 16). Dabei nutzen Sie Ihr Fachwissen, die Beller-Tabelle oder andere fundierte fachliche Grundlagen als Ideengeber und schaffen mit den geplanten Aktivitäten „eine gelungene Passung zwischen Kind und Umwelt“. Mit einer guten Passung erlebt „… sich das Kind als kompetent (…). Erfolg und Spaß motivieren die Lernbereitschaft und stärken das Vertrauen des Kindes in sich selbst …“ (Beller 2016, S. 16). So bleibt Freude am Lernen erhalten. Und dafür brauchen die Kinder Sie als Vorbild und – so steht es auch in der element-i-Konzeption „… Möglichkeiten und Anregungen, um ihre eigenen Interessen zu finden, diese zu reflektieren und so das Lernen zu lernen“ (Kammerlander et al. 2016, 8).

1 Andere Schreibweisen wie Vygotski oder Wygotsky finden sich in der Literatur und sind der Transliteration aus dem Kyrillischen geschuldet.

Quellen:
Beller, S. (2016): Kuno Bellers Entwicklungstabelle 0-9. Mit Illustrationen von Amelie Glienke. Berlin: Eigenverlag
Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis (2018): element-i – Pädagogische Konzeption der element-i-Kinderhäuser
Siegler, R.; Eisenberg, N.; DeLoache, J.; Saffran, J. (2016): Entwicklungspsychologie im Kindes- und Jugendalter. Dt. Ausgabe herausgegeben von Sabina Pauen. 4. Auflage. Springer: Berlin, Heidelberg
Stangl, W. (2020): Stichwort: ‚proximale Entwicklung‘. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik. https://lexikon.stangl.eu/5750/proximale-entwicklung/ (aufgerufen am 7.4.2020)

Mehr von Christina Henning

Resilienz (Teil 3): Resilienzfaktoren – ich habe, ich bin, ich kann!

Nachdem wir in den vergangenen Wochen die Grundlagen zur Resilienz (Teil 1) erarbeitet und die Risiko- und Schutzfaktoren (Teil 2) in den Blick genommen haben, möchte ich heute mit Ihnen gemeinsam genauer auf die Resilienzfaktoren schauen. Das sind die personalen Ressourcen, die den Kindern aber auch Ihnen helfen können, Entwicklungsaufgaben, aktuelle Anforderungen und Krisen zu bewältigen. Denn vergessen Sie nicht: Resilienz ist ein lebenslanger und dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess!

Wir alle sind in den letzten Tagen und Wochen mit einer Vielzahl an Problemen konfrontiert und wissen gar nicht, welches wir zuerst angehen sollen oder überhaupt angehen können – viele stecken persönlich in einer Krise, die es zu bewältigen gilt. Welche Ressourcen habe ich dafür zur Verfügung? Hier mal ein paar Sätze über die es sich lohnt nachzudenken:

ICH HABE…

Menschen, denen ich traue und die mich immer lieben,

Menschen, die mir Leitlinien setzen, so dass ich weiß, was ich einhalten muss, bevor Gefahr oder Ärger drohen,

Menschen, die mir durch die Art, wie sie sich verhalten, zeigen, wie man es richtig macht,

Menschen, die möchten, dass ich lerne, selbständig zu werden,

Menschen, die mir helfen, wenn ich krank bin, in Gefahr schwebe oder etwas lernen muss.

ICH BIN…

jemand, den man mögen und lieben kann,

gern bereit, zu anderen freundlich zu sein und zu zeigen, dass sie mir wichtig sind mir und anderen gegenüber rücksichtsvoll,

bereit für das, was ich tue, Verantwortung zu übernehmen,

sicher, dass alles gut werden wird.

ICH KANN…

mit anderen über Dinge reden, die mich ängstigen oder bekümmern,

Lösungen für die Probleme finden, die ich habe,

mich zurückhalten, wenn ich das Gefühl habe, ich mache etwas falsch oder bringe mich in Gefahr,

gut einschätzen, wann ich mit jemandem reden soll oder etwas tun muss,

dann, wenn ich es brauche, jemanden finden, der mir hilft.

Sie haben bestimmt eine Vielzahl an Schutzfaktoren, Kompetenzen und Ressourcen, die Ihnen in den nächsten Wochen helfen, die eigenen Herausforderungen zu bewältigen und gestärkt daraus hervorzugehen!

Wenn die Kitas Schritt für Schritt wieder eröffnen, brauchen wir Sie. Den Übergang von zu Hause in die Kita zu begleiten, der wird sich in einer außergewöhnlichen, noch nie dagewesenen Art und Weise vollziehen. Was brauchen die Kinder, um wieder gut anzukommen? Vor allem starke und positiv denkende Pädagoginnen und Pädagogen. #Es kommt auf mich an!

Quellen:
Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Rönnau-Böse, Maike (2014): Resilienz. Ernst Reinhardt: München/Basel

Mehr von Denise Samuel

Warum Technik schon in der Elementarpädagogik?

Die Bildungspläne der Länder geben bekanntermaßen Themen und Inhalte vor, die in den Kindertageseinrichtungen aufgegriffen werden sollen. Ein Bereich, der länderübergreifend unterschiedlich intensiv, teilweise sogar lückenhaft, ausgearbeitet ist, ist der Bereich der Technik. Baden-Württembergs Orientierungsplan bietet hierzu keine expliziten Handreichungen, greift aber die grundlegenden Themen, die im Kreise von Technik anfallen, unter dem Begriff Denken auf. Bayern bietet beispielsweise einen recht umfassenden Plan und Anregungen, sich mit technischer Bildung auseinander zusetzen.

Technik gehört zu den zentralen Lebensbereichen

Hier soll nun nochmal aufgezeigt werden, was Technik beinhaltet und warum eine frühe Beschäftigung damit nicht nur für den Wirtschaftsstandort Deutschland, sondern für die gesamte kindliche Entwicklung (also aus psychologischer Sicht) bedeutend ist. Vorab sei gesagt, dass mit dem Begriff Technik nicht die digitale Technik gemeint ist. Wohl aber ist die Beschäftigung mit technischen Phänomenen die Grundlage für das Leben in einer künftig zunehmend technologisierten Welt. Technik gehört heute zu den zentralen Lebensbereichen. Mit Blick auf die Themen Nachhaltigkeit und Ökologie ist eine Beschäftigung mit technischen Phänomenen gesellschaftlich bedeutend und wirft auch philosophische Fragestellungen auf. Ziel der Beschäftigung mit technischen Phänomenen im frühkindlichen Bereich ist ein verantwortungsvoller und bewusster Umgang der Kinder mit Technik. Eine schöne Handreichung zur Frage nach Technik bietet übrigens das Haus der kleinen Forscher unter unten aufgeführtem Link.

Technik ist also ein omnipräsenter Lebensbereich, der letztlich vom Menschen selbst geschaffen wurde. In der Menschheitsgeschichte wurden schon früh bestimmte Werkzeuge oder Geräte hergestellt und für einen bestimmten Zweck eingesetzt. Und genau da beginnt Technik: Beim Stöckchen zum Stochern im Ameisenhaufen, dem Feuerstein, beim Essen mit Messer und Gabel statt mit Fingern oder gar Schlürfen. Damit ist im nächsten Schritt auch schon der oberste Grundzug von Technik genannt: Das Lösen von Problemen. Gleichzeitig unterstreicht dies die immense Bedeutung des Bildungsbereichs Technik: Problemlösen ist eine lebenslange Aufgabe, vor die wir immer wieder gestellt werden und die sich freilich entwickeln muss.

Diese Entwicklung startet früh: Schon im Säuglingsalter erkunden Babys durch Schütteln, Klopfen etc. die Eigenschaften von Materialien und experimentieren damit. Dies ist die Vorstufe des Problemlösens: Erkunden und Erforschen des Materials sowie die Begeisterung und das Interesse, sich damit auseinander zu setzen. An diese ersten Erfahrungen und das erworbene Vorwissen knüpfen die Kinder in den Folgejahren an und erwerben so weitere technische Kompetenzen und üben sich in Problemlösen. Kinder haben schon früh durch ihre angeborene Neugier Interesse an technischen Phänomenen und kommen durch Spielzeug, Auto usw. auch schon früh in Kontakt damit. Die kognitiven Voraussetzungen sind mit 18 Monaten schon so ausgeprägt, dass ein gemeinsames, vorbildhaftes Problemlösen möglich ist und Kleinstkinder von einer Konsequenz ihrer Handlungen auf künftige Verhaltensweisen schließen können (schlussfolgerndes Denken). Daran gilt es in den weiteren Lebensjahren anzuknüpfen und die technischen Fähigkeiten zu vertiefen.

Entscheidende Faktoren für technisches Verständnis

In der Herangehensweise an die Entwicklung technischer Kompetenzen sind zwei Bereiche bedeutend: Die Grunderfahrungen und das vertiefte technische Verständnis. Zu den Grunderfahrungen gehört die Auseinandersetzung mit der technischen Umwelt und ihren Phänomenen – durch selbstständige Erkundung sowie Erfahrung im Umgang und Anwendung mit Werkzeugen und Materialien. Gerade für die Jüngsten, aber auch für den Elementarbereich sind hier technische Phänomene verbunden mit sinnlichen Erfahrungen das erfolgreichste Prinzip – selbst handhaben und ausprobieren heißt hier die Devise! Das vertiefte technische Verständnis ist mit dem technischen Wissen und der Kenntnis und der Beherrschung geeigneter Mittel zur Zielerreichung verbunden. Es bedarf eines gesteuerten Bildungsprozesses von außen, aber aufbauend auf der intrinsischen Motivation und dem Interesse des Kindes.

Die Aufgabe des Erziehers in der Elementarpädagogik ist daher, Fragen der Kinder aufzugreifen (auch Disziplin übergreifend), das Interesse zu wecken oder zu erhalten (durch neue Anregungen und gezielte Fragen) und den Lernprozess zu beobachten und voranzutreiben. Technik hat dabei enge Bezüge zu anderen Thematiken (Natur, Naturwissenschaften, Gesellschaft, Kultur) und Bildungsbereichen (Werte und Religion, Emotionen und soziale Beziehungen, Sprache und Literacy, Informations- und Kommunikationstechnik, Medien, Mathematik, Umwelt, Ästhetik und Kunst, Musik). Es ist also auch wichtig, genau diese Querverbindungen zu nutzen – das Themenfeld Technik ist ein ideales und prädestiniertes für Bildungsbereichsübergreifendes und vernetzendes Arbeiten. Er eignet sich auch für Erkundungen außerhalb der Institution und für den Einbezug der Kinder in Alltagssituationen.

Literatur
Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung & Familie und Frauen Staatsinstitut für Frühpädagogik München (Hrsg.) (2016): Der Bayerische Bildungs- und Erziehungsplan für Kinder in Tageseinrichtungen bis zur Einschulung. 7. Auflage. Verfügbar unter: https://www.ifp.bayern.de/imperia/md/content/stmas/ifp/bildungsplan_7._auflage.pdf (zuletzt aufgerufen am 27.4.2020)
Fthenakis, W. (Hrsg.) (2009): Frühe technische Bildung. Köln: Bildungsverlag EINS
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden Württemberg (Hrsg.) (2014): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen. Freiburg: Herder
Stiftung Haus der kleinen Forscher (Hrsg.) (2012): Technik – Bauen und Konstruieren. Hintergründe und Praxisideen für die Umsetzung in Hort und Grundschule. Verfügbar unter: https://www.haus-der-kleinen-forscher.de/fileadmin/Redaktion/1_Forschen/Themen-Broschueren/Broschuere_Technik_Bauen_Konstruieren_2012_akt.pdf (zuletzt aufgerufen am 27.4.2020)
Stiftung Haus der kleinen Forscher (Hrsg.) (2019): Was wäre, wenn niemand die Gabel erfunden hätte? Technik querdenken. Begleitheft. Verfügbar unter: https://www.haus-der-kleinen-forscher.de/fileadmin/Redaktion/1_Forschen/Kindermaterialien/Begleitheft_Technik-querdenken_144.pdf. Aufgerufen am 27.4.2020.

Praxistipp
Stiftung Haus der kleinen Forscher (Hrsg.) (2019): Was wäre, wenn niemand die Gabel erfunden hätte? Technik querdenken. Verfügbar unter: https://www.haus-der-kleinen-forscher.de/fileadmin/Redaktion/1_Forschen/Kindermaterialien/Kinderbuch_Technik-querdenken.pdf (zuletzt aufgerufen am 27.4.2020)

Mehr von Anja Burger

Jede(r) ist irgendwie anders!

„Vielfalt leben“ ist ein Grundsatz unserer pädagogischen Arbeit. „Vielfalt leben“ ist ein Teil unserer Organisationskultur. „Vielfalt leben“ ist Tag für Tag in unseren Bildungshäusern sichtbar.

In unseren Teams arbeiten viele unterschiedlich ausgebildete Menschen: ausgebildete staatlich anerkannte Erzieher*innen, Diplompädagog*innen, Kindheitspädagog*innen, Kinderpfleger*innen, Fachkräfte und Assistenzberufe aus dem Gesundheitsbereich/der Frühförderung, Ergotherapeut*innen, ausländische Fachkräfte (mit im Ausland ) erworbenen frühpädagogischen Qualifikationen (mit Deutschkenntnissen auf min. B2 Niveau), Fachkräfte mit Ausbildungen und Berufserfahrung aus künstlerischen, handwerklich-technischen, geistes- und naturwissenschaftlichen Bereichen, Koch/Köchin, Pädagog*innen in Ausbildung, BuFDis, FSJler*innen und Schulpraktikant*innen. Genau diese Vielfalt macht unsere Arbeit mit Kindern besonders wertvoll und unsere Zusammenarbeit spannend, aufregend und lebenswert.

All diese Menschen verbinden Motivation und Bereitschaft, empathische und feinfühlige Beziehungen mit Kindern einzugehen und dialogisch an den lebenspraktischen Aufgaben des Zusammenlebens zu beteiligen. Sie unterstützen Kinder im Erkunden der Welt durch das aufmerksame und vorurteilsfreie Aufzeigen sozialer, natürlicher und kultureller Bezüge. Gemeinsam streben sie nach der Vision für soziale Gerechtigkeit und den achtsamen Umgang mit natürlichen Ressourcen.

(Selbst-)reflektion als entscheidender Faktor

Für eine gelingende Zusammenarbeit mit gleichberechtigter Teilhabe braucht es bei allen Akteure*innen Bereitschaft querzudenken, mitzudenken, vorauszudenken. Sich immer wieder in der eigenen Haltung, im eigenen Handeln selbstkritisch zu reflektieren, sich gegenseitig respektvoll zu unterstützen, die unterschiedlichen Potentiale der Kolleg*innen wahrzunehmen, anzuerkennen und zu nutzen. Dazu gehört es, erfolgsrelevante Aspekte wertzuschätzen, wie (früh)pädagogisches Fachwissen, Spezialkenntnisse in einem Sachgebiet eigener Wahl, Expert*innenwissen aus anderen Branchen, Lebenserfahrung, Krisenkompetenz, interkulturelle Erfahrung, Sprachkenntnisse, Organisationstalent, Denken und Handeln mit Überblick und Weitblick etc. Diese vielfältigen Kompetenzen anzuerkennen, stärkt das Teampotential. Betrachten wir ein Team als Einheit und handeln nicht als getrennte Individuen, kann eine gestalterische Kraft entstehen, welche uns eine ungeahnte Leichtigkeit im täglichen Handeln verschafft und zeitgleich ein kreatives Potential entfaltet.

Unsere Teams sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie stellen unseren Kindern für verschiedene Themenbereiche immer eine(n) kompetente(n) Ansprechpartner*in zur Verfügung. Innovative Lernprozesse werden spielerisch miteinander angestoßen. Zeitgleich lernen Kinder im täglichen Tun – von Anfang an – mit unterschiedlichen Charakteren und Arbeitsweisen umzugehen. Sie lernen Vielfalt zu leben.

Die vielfältige Zusammensetzung fordert jedes einzelne Teammitglied: Wenn völlig unterschiedliche Perspektiven und Lebenserfahrungen zusammentreffen, braucht es Toleranz, Akzeptanz und Einfühlungsvermögen. In Spanien laufen Arbeitsprozesse womöglich auf andere Weise ab als in Deutschland. Ein 55-Jähriger wird anders an seine Aufgaben herangehen als eine 25-Jährige. Zusammenarbeiten berührt verschiedene Aspekte der Lebensrealitäten jedes Menschen.

„Vielfalt leben“ bietet uns die Chance, unsere Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten kennen zu lernen. „Vielfalt leben“ fordert uns auf, Konflikte und Bedürfnisse anzusprechen und an ihrer konstruktiven Bearbeitung mitzuwirken. „Vielfalt leben“ bedeutet Verantwortung zu übernehmen.

Mögliche Fragen im Team

  • Arbeiten wir tatsächlich auf Augenhöhe?
  • Können sich alle mit ihren Potentialen und Fähigkeiten einbringen?
  • Funktioniert das vorurteilsfreie und wertschätzende Zusammenarbeiten wirklich?
  • Wie kann Wertschätzung am Arbeitsplatz jeden Tag spürbar werden?
  • Wie kann aktiv einen Austausch zu Unterschieden und Gemeinsamkeiten anregt werden?

Weiterführende Informationen:

Charta der Vielfalt https://www.charta-der-vielfalt.de

Dörte Weltzien et al. (2016): Multiprofessionelle Teams in Kindertageseinrichtungen. : Evaluation der Arbeitsprozesse und Arbeitszufriedenheit von multiprofessionell besetzten Teams in Baden-Württemberg. Juventa

Mehr von Patricia Sigg

Matheprogramme für den Kindergarten unter der Lupe

In diesem kürzlich erschienenen Magazinartikel wurde ein erster Blick auf den Aufbau von mathematischen Fähigkeiten geworfen. Dass der Erwerb der sogenannten Vorläuferfähigkeiten auch für den mathematischen Bereich bedeutend ist, ist sicher unbestritten. Aus diesem Grund haben sich im letzten Jahrzehnt verschiedene Autoren daran gewagt, Programme zur elementarpädagogischen Förderung mathematischer Fähigkeiten zu entwerfen. Doch halten diese das, was sie versprechen? Es soll hier nicht darum gehen, einzelne Programme genauer vorzustellen, wohl aber darum, Kriterien für die Bewertung der unzähligen Programme zu finden. Die Literatur schlägt hierzu drei Punkte vor:

„1. Fokussierung auf mathematische Inhalte (inhaltsspezifische Förderung)

2. Systematischer Aufbau mathematischer Kompetenzen

3. Einbezug strukturorientierter Darstellungsmittel unter Verwendung ‚mathematischer’ Sprache“ (Krajewski 2008, S. 285).

Was ist damit gemeint? Viele gängige Programme verwenden Zahlen in Form von Tier- oder Menschen-Gestalten oder betten das Zahlenkonzept in weitgreifende Geschichten ein. Dies führt bei den meisten Kindern in erster Linie dazu, dass emotional belebende Aspekte anstelle der mathematischen angesprochen werden. Das eigentliche Ziel, das Erfahren des Zahlenraums und Erlernen der Zahlen als Äquivalent für numerische Situationen, wird damit in der Regel verfehlt. Die Programme wecken damit möglicherweise ein Interesse am Thema und über diese Schleife auch an Zahlen, vermitteln aber letztlich maximal erste Basisfertigkeiten und keine Kompetenzen auf höherer Ebene wie dem präzisen Anzahlkonzept oder der Anzahlseriation. Oft können die Kinder den Bezug zur behandelten Zahl durch die Geschichte oder die Vermenschlichung nicht schließen. Von Programmen mit solchen Darstellung ist also durchaus abzusehen, was auch der dritte Punkt noch unterstreichen wird.

Mit systematischem Aufbau ist gemeint, dass ein neues Themenfeld erst dann angegangen wird, wenn das vorherige final abgeschlossen ist. Hier ist die Programmlandschaft unterschiedlich. Oft fließen verschiedene Themenfelder der Mathematik zusammen: Mengen- und Zahlenverständnis mit Raum-Lage-Wahrnehmung u. ä. Blickt man auf die Haltung des ganzheitlichen Lernens von Kindern ist dies auch ein richtiger Weg. Der Mensch verfügt über begrenzte Gedächtniskapazitäten. Werden beispielsweise nummerische Inhalte mit visuellen oder auditiven Reizen verknüpft, kann der Abruf der Inhalte über verschiedene Assoziationswege erfolgen und macht so wieder Gedächtniskapazitäten für andere Inhalte frei. Gleichzeitig muss man berücksichtigen, dass zu viele Informationen zu einer Zeit (und das kann das Ansprechen verschiedener Sinne und Thematiken durchaus sein) Kinder überfordern kann. Greift man außerdem viele Themen nebeneinander auf, kann es sein, dass nicht alle beendet werden. Im schlechtesten Falle wird von einem Thema zum anderen gesprungen, teils ohne Bezüge zueinander. Für die Kinder ist es schwer bis unmöglich, die Themen miteinander in Verbindung zu setzen. Hier besteht die große Kunst darin, eine angemessene Relation und ein inhaltlich sinniges Verhältnis zwischen verschiedenen Themen zu finden.

Mathematik beinhaltet abstrakte Bilder, die nicht für jeden leicht greifbar sind. Dabei haben sowohl Erwachsene als auch Kinder Schwierigkeiten. Es ist dann notwendig, einen konkreten Zugang zur Mathematik zu eröffnen und die mathematische Grundidee dabei zu integrieren. Von daher ist man schnell dabei, zu konkreten Darstellungsmitteln zu greifen, um das Mathematische praktisch zu veranschaulichen, bedenkt dabei jedoch nicht, dass diese die tatsächlichen mathematischen Beziehungen zwischen den Mengen und Zahlen niemals wirklich aufdecken: Die Handlungen lassen sich damit nämlich nicht in konkrete mathematische Ideen umsetzen. Kann man konkrete Darstellungen also nicht verwenden, benutzt man Abbildungen in gezeichneter, konkreter oder vorgestellter Form. Doch auch diese sind nicht eindeutig und lassen einen Handlungs- und Deutungsspielraum. Dabei wird in strukturiertes und unstrukturiertes Material unterschieden. Letzteres findet sich im Alltag (Bausteine, Murmeln, Äpfel, Nüsse, o. ä.) und ist relativ merkmalsarm. Strukturiertes Material hingegen sind didaktische Erfindungen, die größere Ganzheiten von Objekten zu einer greifbaren Zahl zusammenfassen, wobei die einzelnen Einheiten sichtbar oder unsichtbar sein können. Die Auswahl der Darstellungsmittel ist demnach nicht beliebig. Einerseits wird in der Fachwelt empfohlen, keine vielfältigen, alltagsnahen Materialien zu verwenden, da es den Kindern schwer fällt, dieses Vorgehen auf andere handlungsnahe Gegenstände zu übertragen und die Kontextinformationen vom Inhalt ablenken. Andererseits ist jedoch erwiesen, dass sich die Förderung der mathematischen Grundfertigkeiten am meisten im Alltag, also in konkreten Situationen und Materialien üben lässt (Bonbons so abzählen, dass jeder eins bekommt o. ä.).

Anschauungen sind außerdem prinzipiell nicht selbsterklärend, auch wenn sie eine möglichst klare Struktur des Aufbaus des Zahlenraums vermitteln sollten, sondern bedürfen einer bewussten pädagogischen Gestaltung und Führung. Daher können sie also in erster Linie nur als Unterstützung mentaler Vorstellungsbilder, die im eigenen Wissensnetz des Kindes entstehen, dienen und müssen möglichst viel Platz für Ideen und Vorstellungen der Kinder lassen.

Auch hier ist also eine passende Relation zwischen strukturierten, didaktischen Darstellungsmitteln und sogenannten unstrukturierten Alltagsmaterialien bedeutend. Es sei auch nochmal darauf verwiesen, dass Mathematik in ganz vielen Alltagssituationen zu finden ist und unbedingt genutzt werden soll. Beschäftigt man sich nun gezielt mit einem Programm, sollte man auch konkrete mathematische Darstellungen einbeziehen.

Weitere relevante Komponenten sind auch die Heterogenität in Alter und Kompetenzniveau der Kinder sowie die zeitlichen Ressourcen. Gezielte Programme sind außerdem oft einengend und wenig flexibel entlang der entstehenden und prozessabhängigen Interessen der Kinder.

Ob es demnach überhaupt Mathe-Programme im elementarpädagogischen Alltag benötigt oder ob Alltagssituationen kombiniert mit guten, nicht vermenschlichten Anschauungsmitteln nicht die zielführendere Möglichkeit sind, obliegt der pädagogischen Fachkraft, sollte aber unter genannten Gesichtspunkten im Vorfeld kritisch begutachtet werden.

Literatur:

Krajewski, K. (2008): Vorschulische Förderung mathematischer Kompetenzen. In: Petermann, F. & Schneider, W. (Hrsg.): Enzyklopädie der Psychologie. Themenbereich C Theorie und Forschung, Serie V Entwicklungspsychologie, Band 7: Angewandte Entwicklungspsychologie. Göttingen: Hogrefe, S. 275-304

Steinweg, A. S. (2007): Mit Kindern Mathematik erleben. In: Geschäftsstelle der Stiftung Bildungspaket Bayern (Hrsg.): Das KIDZ-Handbuch, 1. Mathematik im Kindergarten, Teil II – Mathematisches Lernen. Köln: Wolters Kluwer, S. 137-173

Mehr von Anja Burger