Warum Sinneserfahrungen?

Immer wieder lesen und hören wir, wie wichtig es ist, dass Kinder Erfahrungen mit allen Sinnen sammeln sollen. Aber warum eigentlich?

Die Sinnessysteme sind ab der Geburt grundsätzlich funktionsfähig, d. h. sie sind vorhanden und aufnahmebereit, allerdings müssen diese Anlagen noch reifen. Die Sinne brauchen „Übung“, um in der Lage zu sein, sensibel wahrnehmen zu können. Die Ausprägung der Sensitivität entwickelt sich in Abhängigkeit von vielfältigen Sinneserfahrungen. Jede Handlung führt zu weiteren Erfahrungen, die dazu führen, dass die Fähigkeiten der Wahrnehmung differenzierter werden. Um also ein Abstumpfen der Sinne zu vermeiden, brauchen Kinder primäre Erfahrungen aus dem direkten Kontakt mit Menschen oder Dingen (nicht sekundäre Erfahrungen aus der Wahrnehmung anderer).

Sinne müssen „zusammenarbeiten“

Nicht nur die einzelnen Sinne müssen sich weiter entfalten, auch die Zusammenarbeit der Sinne muss sich entwickeln. Dieses Zusammenspiel der Sinne (sensorische Integration) gestaltet sich in den ersten Lebensmonaten in einfachen Koordinations-Formen (z. B. Hand-Auge-Koordination) und wird im Laufe der Entwicklung komplexer: Können Sie eine Schleife binden, ohne auf Ihre Schuhe zu schauen?

Kinder wollen die Welt verstehen, und sie müssen die Eindrücke aus ihrer Umwelt in ihrem Körper einordnen. Kinder lernen nicht dadurch, dass wir Erwachsene ihnen viel Wissen übermitteln, sondern durch die Verarbeitung von eigenen Wahrnehmungen, die sie aus der Umwelt aufgenommen haben. Diesen unmittelbaren Erfahrungen, die durch aktives Tun und Selbsttätigkeit gesammelt wurden, wird eine individuelle Bedeutung beigemessen und dadurch im Gehirn abgespeichert. Es entstehen innere Bilder und Sinnzusammenhänge durch das Anknüpfen von neuen an bestehende Erfahrungen. Insbesondere in den ersten Lebensjahren finden im Gehirn rasante Reifungs- und Entwicklungsschritte statt. Das Gehirn hat in dieser Zeit eine besonders hohe Plastizität. Selbsttätigkeit spricht alle Sinne an und ist die intensivste Form des Lernens.

Kinder brauchen unmittelbare sinnliche Erfahrungen, um Reize einschätzen zu können und zu erkennen, wie sie mit diesen Reizen umgehen und angemessen reagieren können. Durch beispielsweise soziale Berührungen erfahren Kinder die Bedeutungen von Wärme, Zärtlichkeit etc. Wohingegen die physiologischen Warnsysteme aktiviert werden, wenn Kinder lernen, wie intensiv ein Gegenstand berührt oder gedrückt werden kann, bis es schmerzhaft wird.

Welche Ereignisse aus ihrer Kindheit haben Sie besonders intensiv im Kopf verankert?

Fallen Ihnen solche Erlebnisse ein, die mit besonders starken Sinneserfahrungen gekoppelt sind? Zum Beispiel das Spielen auf Strohballen mit Erinnerungen an den markanten Duft des Strohs, das Piksen der Strohhalme, das Wirbeln von Strohpartikeln durch die Luft, das Nachgeben von Strohballen beim Darauf-Hüpfen …

Das Ziel lautet nicht, die Sinne funktionsfähiger zu machen, sondern die Sensibilität der Wahrnehmung auszuprägen! Nutzen wir also die Möglichkeiten, die uns und den Kindern zur Verfügung stehen, um zu entschleunigen und einfühlsam mit sich, den anderen Menschen und der Umwelt umzugehen!

Mehr von Katja Behres

Berliner oder Münchner Modell – die gängigen Eingewöhnungsmodelle kurz besprochen

Im Artikel Bindung – das wichtigste Bedürfnis eines Kleinkindes wurden theoretische Erkenntnisse zur Bindung kurz vorgestellt. Die Erkenntnisse der Bindungsforschung haben natürlich Einfluss auf die institutionelle Betreuung, besonders auf die Eingewöhnung. Betrachtet man außerdem gängige Aussagen zu den Grundbedürfnissen der Kinder, steht in jeder Auflistung das Bedürfnis nach Bindung, Fürsorge und Geborgenheit sowie liebevollen Beziehungen ganz oben.

Folglich kommt der Eingewöhnung in einer außerfamilialen Institution eine besondere Bedeutung zu, besonders im Kleinkindalter. Wenn Sie sich an den vergangenen Artikel erinnern, wurde dargestellt, dass die eigentliche Bindungsphase mit ca. einem halben Jahr beginnt und bis zum 24. Lebensmonat dauert – also genau in dem Alter, in dem die meisten Kinder ihre Kindergarten-Karriere starten. Ein sanfter und gut begleiteter Übergang von der Familie in die Betreuungsinstitution ist damit für die weitere Entwicklung bedeutend. Gelingt dieser gut, haben die Kinder die Gelegenheit, emotional stabil aufzuwachsen und umfassende Sozialkontakte und -kompetenzen zu erwerben.

Entsprechend haben sich im Laufe der letzten drei Jahrzehnte verschiedene Eingewöhnungspraktiken entwickelt. Die beiden bekanntesten sollen hier zusammengefasst vorgestellt werden. Vorweg sei gesagt: Beide Modelle beziehen sich in ihren Grundsätzen auf Bowlbys Bindungstheorie und seine Definition einer sicheren Bindung: Die Bezugsperson wird als sichere Basis erlebt, das Kind exploriert in seiner Gegenwart und weint bei Trennung. Bei der Wiedervereinigung ist es in der Lage, seine Emotionen effektiv zu regulieren. Die Bezugsperson gibt damit dem Kind auch eine mentale Sicherheit um anstehende Übergänge zu meistern.

Kinder sind weiter grundsätzlich in der Lage, Mehrfachbindungen aufzubauen. Ausschlaggebend dafür ist die Möglichkeit, schon im Laufe des ersten Lebensjahres Bindungen und Beziehung zu anderen Menschen (wie Geschwister, Großeltern etc.) erleben und aufbauen zu können. Hierfür ist auch die Bindungsqualität zur Hauptbindungsperson (kulturell verbreitet meistens die Mutter, direkt gefolgt vom Vater) relevant: Kinder mit einer sicheren Bindung zur Bezugsperson sind, wie beschrieben, in der Lage zu explorieren und mental fähig, dann auch gefestigte Bindungen zu anderen Personen aufzubauen.

Berliner Eingewöhnungsmodell

Das Berliner Eingewöhnungsmodell wurde im Rahmen des INFANS-Modells von Laewen et al. entwickelt und stellt die Beziehung zwischen Kind und Eingewöhnungserzieherin in den Mittelpunkt. Bevor die eigentliche Eingewöhnung in der Einrichtung beginnt, findet ein gemeinsames Gespräch mit den Eltern statt, das über den Ablauf der Eingewöhnung, die Gegebenheiten der Einrichtung und die bisherigen Erfahrungen und Bedürfnisse des Kindes gegenseitig informiert.

Grundphase

In dieser ersten dreitägigen Phase ist die Bezugsperson für die Dauer von ca. 1 – 1,5 Stunden zusammen mit dem Kind in der Einrichtung. Die Bezugsperson verhält sich eher passiv, akzeptiert aber gleichzeitig, wenn das Kind die Nähe sucht. Sie bildet die sichere Basis, von der aus die Erkundung erfolgen kann. Das Kind kann dazu angeregt, aber nicht gedrängt werden. Die Fachkraft beobachtet anfangs das Kind in seinem Spiel- und Interaktionsverhalten und unternimmt erste Kontakteversuche, z.B. Spiel- und Konversationsangebote.

Trennungsversuch

Am vierten Tag (bzw. am Dienstag, wenn ein Wochenende dazwischen liegt) erfolgt der erste Trennungsversuch nach einen kurzen Ankommens- und deutlichen Verabschiedungsphase. Die Bindungsperson verlässt dabei nicht die Einrichtung, sondern bleibt in kurz erreichbarer Nähe (Elternecke oder ähnliches, möglichst außer Sicht- und Hörweite des Kindes). Die Reaktion des Kindes auf den Trennungsversuch ist ausschlaggebend für den weiteren Verlauf der Eingewöhnung:

  • Akzeptiert das Kind die Abwesenheit der Bezugsperson, möglicherweise nach kurzem Weinen und lässt sich von der Fachkraft trösten bzw. findet wieder ins Spiel zurück, kann die Trennung auf ca. 30 Minuten gedehnt werden. Der weitere Verlauf der Eingewöhnung kann in kürzeren Abständen erarbeitet werden. Wichtig ist ein positiver Abschluss des ersten Trennungsversuchs: Wenn das Vermissen der Bezugsperson größer zu werden scheint und das Kind das Spiel verliert, sollte man die Bindungsperson nach weniger als 30 Minuten zurück holen.
  • Wirkt das Kind unsicher, sucht es deutlich nach der abwesenden Bezugsperson und lässt sich auch von der Bezugserzieherin nicht trösten, wird der Elternteil direkt zurück gebeten und nimmt sein Kind wieder in Empfang. Die restliche Eingewöhnung dauert entsprechend länger. An den beiden darauf folgenden Tagen sollte die Bezugsperson wieder am Gruppengeschehen teilnehmen, um dem Kind Sicherheit und Vertrauen zu geben. Erst am siebenten Tag soll ein erneuter Trennungsversuch unternommen werden.

Stabilisierungsphase

Die Trennung von der Bezugsperson verläuft gelassen, wie oben beschrieben, das Kind ist nun ohne die Bezugsperson in der Einrichtung. Die Dauer wird nach und nach, abhängig vom Verhalten und den Bedürfnissen des Kindes, erweitert. In den ersten Tagen sollte die Bindungsperson noch in der Nähe der Einrichtung sein. Entsprechend übernimmt die Bezugserzieherin die Aufgaben der Bindungsperson: Versorgung und Spielen. Dies sollte auch angestrebt werden, wenn am 5. und 6. Tag noch keine weitere Trennung unternommen werden kann. Das Vorgehen bleibt von den Reaktionen des Kindes abhängig.

Schlussphase

Bleiben die Trennungen und das gezeigte kindliche Verhalten stabil, kann die Bezugsperson nun auch für eine gewisse Zeit anderen Tätigkeiten nachgehen, sollte aber abrufbereit sein. Das Kind beginnt, die Bezugserzieherin als sicheren Hafen zu akzeptieren, und sucht Geborgenheit bei ihr. Im Idealfall besucht das Kind anfänglich die Einrichtung noch nicht für den ganzen Tag und erobert sich die weiteren Stationen im Tagesablauf nach und nach.

Münchner Eingewöhnungsmodell

Das Münchner Eingewöhnungsmodell nimmt das eben beschriebene Berliner Modell als Grundlage und wurde unter Federführung von Kuno Beller weiterentwickelt und berücksichtigt stärker den Transitionsansatz. Hauptaspekt ist hier, dass die Kindergruppe eine besondere Relevanz erhält und maßgeblich zur Eingewöhnung des Kindes beträgt.

Auch hier besteht ein Beziehungsdreieck zwischen Kind, Erzieherin und Eltern. Letztere fungieren ebenfalls als sicherer Hafen, von dem aus das Kind seine Umgebung erkunden kann und sich nach und nach an die neuen Gegebenheiten in der Institution gewöhnen kann. Gleichzeitig hat die Bezugsperson so auch die Möglichkeit, die neuen Abläufe in der Kita kennenzulernen und sich mit der neuen Situation der Fremdbetreuung auseinander zu setzen. Die Eingewöhnung gliedert sich in fünf Phasen, deren Tempo das Kind bestimmt. Die Grunddauer wird auf vier bis sechs Wochen geschätzt.

Vorbereitungsphase

In einem ersten Gespräch zwischen Eltern und möglichst der Bezugserzieherin werden die Eltern über die Rahmenbedingungen wie Tagesablauf, konzeptionelles Arbeiten und die Einrichtung an sich informiert. Gleichzeitig erhält die Fachkraft Informationen über die Gewohnheiten und Bedürfnisse des Kindes und die elterlichen Erwartungen an die Eingewöhnungszeit und die Einrichtung.

Kennenlernphase

Zusammen mit der Bezugsperson nimmt das Kind über ca. eine Woche am Tagesablauf der Einrichtung teil. Es lernt in dieser Zeit die Gegebenheiten und Abläufe kennen und kann sich in Ruhe orientieren, die Bezugsperson stellt auch hier den sicheren Hafen und Rückzugsort dar. Das Tempo der Exploration bestimmt das Kind. Gleichzeitig ist hier Gelegenheit, die ersten sozialen Kontakte zu knüpfen und vor allem die Kindergruppe in ihren Interaktionen und Handlungen zu beobachten: Das vorhandene Vertrauen zu den Erziehern dient beispielhaft für das einzugewöhnende Kind.

Sicherheitsphase

In der zumeist zweiten Woche agiert die Fachkraft aktiver. Nachdem sie in der ersten Woche das Kind in seinen Bedürfnissen und seiner Interaktion mit der Hauptbezugsperson kennengelernt hat, übernimmt sie nun zunehmend die bisherigen elterlichen Aufgaben (Ruhe, Hygiene, Versorgung, Erkundungen). Die Fachkraft bietet sich dabei tatsächlich eigeninitiativ als Spiel- und Entdeckungspartner*in an, begleitet von dem Elternteil, der dem Kind durch seine Anwesenheit nach wie vor Sicherheit bietet. Das Spielangebot ist von den Bedürfnissen und Vorlieben des Kindes abhängig. Je freudvoller es auf das Spiel reagiert, desto positiver ist die Verbindung, die es mit der Erzieherin assoziiert. Auch in dieser Phase nimmt die übrige Kindergruppe wieder die Vorbildrolle ein: Sie zeigt dem Kind die Verhaltensweisen in der Einrichtung und animiert zum gegenseitigen Spielen und Ausprobieren. Nimmt das Kind Kontakt zur gut sichtbaren und weiterhin präsenten Bezugsperson auf, soll diesem auch nachgegangen werden. Ein Weg-Schicken des Kindes stellt sich als kontraproduktiv dar. Durch die nun bekannten Abläufe und Gegebenheiten sowie ein zustimmendes Verhalten der Bezugsperson entwickelt sich über die ersten zwei Wochen hinweg die Grundlage für die nächste Phase.

Vertrauensphase

Nun wird die Rolle des Elternteils zunehmend passiver, die Fachkraft übernimmt mehr und mehr die Versorgung in allen Belangen. Die erste Trennung ist möglich, wenn das Kind alleine und ohne Kontaktversuche zum Elternteil spielt oder die Bezugserzieherin als Interaktionspartner*in annimmt. Auch hier ist ein deutliches und bewusstes Verabschieden wichtig. Das Kind weint trotz der vorbreitenden Phasen möglicherweise dennoch, eine Trennung verursacht nach wie vor Stressmomente für das Kind. Die Eingewöhnung kann als abgeschlossen betrachtet werden, wenn sich das Kind nach kurzer Zeit beruhigen lässt und wieder ins Spiel mit der Fachkraft oder der Kindergruppe findet. Ist dies nicht der Fall, sollte die Bindungsperson für weitere Tage in der Einrichtung verbleiben, bevor ein erneuter Trennungsversuch unternommen wird. Eltern fällt die Trennungsphase nicht immer leicht, weshalb die Entscheidung von allen Seiten besprochen und akzeptiert werden sollte.

Phase der Reflexion

Das Kind nimmt nun an allen Punkten im Tagesablauf ohne Ängste und Unsicherheiten teil. Es sucht Kontakt sowohl zur Kindergruppe als auch zu den Fachkräften. Für die Eltern stellt sich zu Hause ein neuer Alltag, meist mit Berufstätigkeit verbunden, ein, an den sie sich gewöhnt haben. Gemeinsam mit der Bezugserzieherin findet einige Wochen später ein Reflexionsgespräch statt, das den Verlauf der Eingewöhnung reflektiert und die Entwicklung des Kindes thematisiert.

Vergleich der Eingewöhnungs-Modelle

Neben der grundlegenden Basis, Bowlbys Bindungstheorie, lassen sich weitere Gemeinsamkeiten der beiden Eingewöhnungsmodelle erkennen, was sicher auch daran liegt, dass das Münchner Modell auf den Berliner Erfahrungen aufbaut. Beide Modelle legen Wert auf eine sorgfältige Planung und eine allmähliche Eingewöhnung des Kindes und Trennung von der Bezugsperson. Das Kind muss nicht einfach in der Einrichtung verbleiben. Gleichzeitig wird die Beziehung zur Erzieherin Stück für Stück aufgebaut. Der gesamte Verlauf und die Absprachen zur Eingewöhnung basieren auf den kindlichen Reaktionen und auch den individuellen Bedürfnissen der Familie. Im beschriebenen Dreiecksgeflecht werden die Eltern und die Veränderung ihrer Lebenswelt durch die außerfamiliale Betreuung berücksichtigt – in der Forschungslandschaft ein bedeutendes Qualitätskriterium für Eingewöhnungsmodelle, besonders aufgegriffen im Münchner Modell. Charakteristisch ist hierbei für das Münchner Modell, dass in den ersten zwei Wochen alle relevanten Personen die Einrichtung besuchen, den Alltag miterleben und die Trennung erst im Anschluss erfolgt. Im Berliner Modell hingegen wird ein erster Trennungsversuch bereits am vierten Tag unternommen.

Beide Modelle setzen das einzugewöhnende Kind mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt des Geschehens. Das Münchner Modell fügt dem Dreiecksgeflecht – Kind, Bezugsperson, Fachkraft – die Kindergruppe hinzu. Man verfolgt die Annahme, dass das Kind sich selbst bzw. durch die anderen Kinder und durch ihre Interaktionen eingewöhnt. Die eingewöhnende Fachkraft hat einen weniger hohen Stellenwert, das Kind kann sich auch an anderen Fachkräften orientieren. Im Berliner Modell findet die Interaktion zu großen Teil zwischen Kind und Bezugs-Pädagog*in statt. Die anwesende Kindergruppe wirkt aber auch hier unterstützend. Die Bezugsperson nimmt im Berliner Modell eher eine passive Rolle ein.

Ein Unterschied zwischen den beiden Modellen springt direkt ins Auge: Während das Berliner Modell meist auf 14 Tage bis ca. vier Wochen angelegt ist, dauert das Münchner Modell mit seinen fünf bis sechs Wochen erheblich länger. Dadurch ist es für die meisten Einrichtungen weniger praktikabel und organisatorisch schwieriger umzusetzen, auch wenn es an sich gleichzeitig kindzentrierter wirkt als das Berliner Modell.

Beide Modelle sind an den Entwicklungsthematiken für Kinder im U3-Bereich orientiert, lassen sich aber in Abwandlungen auch für ältere Kinder anwenden. Im Rahmen einer Eingewöhnung sind ein Agieren entlang der kindlichen Bedürfnisse und ein Einbeziehen ALLER Beteiligten sinnhaft und wünschenswert. Erprobt und erfolgreich umgesetzt sind beide Modelle. Die meisten Einrichtungen orientieren sich an dem einen oder anderen Modell, bringen aber ihre eigenen Gegebenheiten mit ein. So ist auch das Eingewöhnungsmodell der element-i-Pädagogik ans Berliner Modell angelehnt. Was man tun kann, wenn eine Eingewöhnung nicht „nach Plan“ läuft, und welche Herausforderungen mit einer Eingewöhnung für Sie als Pädagogen und auch die beteiligten Eltern verbunden sind, greifen wir im nächsten Newsletter auf.

Literatur

Bauer, M.; Klamer, K. & Veit, M. (2009): „So gelingt der Start in die Kita!“ Bindungsorientierte Eingewöhnung. In: Textor, M. R. & Bostelmann, A. (Hrsg.): Das Kita-Handbuch. https://www.kindergartenpaedagogik.de/images/PDF/1985.pdf (zuletzt aufgerufen am 9.4.2020)

Roßbach, H.-G.; Kluczniok, K. (2006): Institutionelle Übergänge in der Frühpädagogik. In: Fried, L. & Roux, S. (Hrsg.): Pädagogik der frühen Kindheit. Weinheim und Basel: Beltz, S. 298-311

Spieß, T. (2016): Eingewöhnung nach dem „Münchener Eingewöhnungsmodell“. In: Textor, M. R. & Bostelmann, A. (Hrsg.): Das Kita-Handbuch. https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/gestaltung-von-uebergaengen/uebergang-von-der-familie-in-die-tagesbetreuung/2348 (zuletzt aufgerufen am 9.4.2020)

Mehr von Anja Burger

Wann sind sich Kinder ihrer Sprachen bewusst?

Im Gespräch mit Moussa (5 Jahre; Name geändert) habe ich gelernt, dass er zwar zu wissen schien, dass er zu Hause eine andere Sprache spricht als in der Kita, und im jeweiligen Kontext die passende Sprache zu verwenden imstande ist. Das abstrakte Wissen jedoch, wie seine Muttersprache heißt, fehlte ihm. Auch konnte er nicht übersetzen, als ich ihn z.B. fragte: „Was heißt denn „fünf“ auf Arabisch?“ Die Unterhaltung mit dem Jungen blieb mir in Erinnerung und ich fragte mich, wann Kinder, die sich in zwei Sprachen bewegen, ein Bewusstsein über die Sprachen entwickeln. Wissen Sie es?

Gegen Ende des zweiten Lebensjahres verfügen Kinder über einen Wortschatz von etwa 50 Wörtern. Die Kinder können aber noch mehr: Sie rufen die gespeicherten Verknüpfungen von Gegenstand, Handlung und Wort ab und erproben diese. Im Lehrbuch findet sich dazu das Beispiel eines mehrsprachig aufwachsenden Mädchens: Cristina (schaut ihre deutschsprachige Mutter an, zeigt auf den Tisch und sagt): „Papá mesa.“ Sie möchte der Mutter sagen, dass der Vater den Tisch als „mesa“ bezeichnet (vgl. Scharff-Rethfeldt, S. 108). Ein gewisses Verständnis dafür, dass die Eltern in ihren jeweiligen Sprachen andere Wörter für die Dinge benutzen und wem die Wörter zugeordnet werden, ist also bereits vorhanden.

Die abstrakte Beschreibung einer Sprache als Englisch oder Spanisch oder Deutsch gelingt den Kindern unterschiedlich, wie weitere Beispiele aus der Forschungsliteratur zeigen. Da wird eine Beobachtung von Lita (3;6) angeführt, die in diesem Alter bereits ausdrücken kann, dass sie viel Englisch und viel Spanisch kann. Sie mag beide Sprachen und antwortet in der jeweils passenden Sprache zu den Fragen. Pascual (3;7) hingegen kann zwar die Mutter rügen, weil sie Deutsch mit einem Spanisch sprechenden Kind spricht: „Mami, nicht so mit Carmen sprechen!“ – Mutter: „Wie denn?“ – Pascual: „So, hola! ¿Como estás?, nicht hallo!“ Die Bezeichnung der Sprachen als Deutsch oder Spanisch kennt der Junge noch nicht. Der Dialog zeigt, dass Pascual allerdings klar differenzieren kann, mit wem welche Formulierungen genutzt werden und passend sind.

Wie bei so vielen Kompetenzen, so verhält es sich letztlich auch bei der Kompetenz mehrsprachiger Kinder in Bezug auf das Bewusstsein über die eigenen Sprachen und die Differenzierung derselben. Der Zeitpunkt, an dem Kindern dies gelingt, variiert stark. Abhängig ist diese Kompetenz von der Quantität und Qualität des sprachlichen Inputs, der Art der Interaktionen und der Gelegenheiten zu Interaktionen in unterschiedlichen Kontexten.

Ich möchte zu meinem Dialog mit Moussa zurückkommen. Als ich merkte, dass meine Frage ihn verwirrte, wollte ich einfach wissen, wie er zu Hause zählt. Moussa nutzte seine Finger und zählte mir auf Arabisch die Zahlen von 1 bis 5 vor. Und dann konnte er mir sagen, dass das arabische Wort für „fünf“ einfach „khamsah“ ist. Möglicherweise ist es zweitrangig zu wissen, wann genau ein Kind welches Wissen über seine Sprachen hat. Wichtig ist, dass wir als Begleiter uns bewusst machen, was wir den Kindern im Kita-Alltag als sprachliches Vorbild anbieten und wie wir Fragen stellen.

Literatur:

Scharff-Rethfeldt (2013): Kindliche Mehrsprachigkeit. Grundlagen und Praxis der sprachtherapeutischen Intervention. Thieme, Stuttgart

Mehr von Christina Henning

Resilienz (Teil 1): Definition und Merkmale

Die Resilienz – sie ist eines unserer fünf Leitziele und ihre Förderung ist unsere grundlegende präventive Aufgabe. Um sich einmal im Detail damit zu beschäftigen, werde ich zunächst die Wurzeln des Konzepts der Resilienz beleuchten und anschließend die Bedeutung in den Blick nehmen. Zum Schluss möchte ich auf die Bedeutung der Umsetzung im pädagogischen Handeln eingehen.

Die Entstehung des Konzeptes der Resilienz

Sowohl in der Psychologie, den Gesundheitswissenschaften als auch in der Pädagogik geht es seit den 1990er Jahren nicht mehr nur darum, Ursachen und Bedingungen für Störungen und Verhaltensauffälligkeiten zu betrachten, sondern neben den Risiko-, auch die Schutzfaktoren in den Blick zu nehmen, die für die Entwicklung und den Erhalt seelischer und körperlicher Gesundheit entscheidend sind. Durch diesen Blickrichtungswechsel der Wissenschaft entstand auch das Konzept der Resilienz. Angestoßen wurde er durch die Langzeitstudien von Emmy Werner auf der Hawaii-Insel Kauai und durch das Salutogenese-Konzept von Aaron Antonovsky. Deshalb hier eine ganz kurze Erläuterung zu beiden:

Salutogenese-Konzept von Antonovsky: Er hat den Fokus auf die Ressourcen und Schutzfaktoren zur Erhaltung der Gesundheit gelegt und sich die Frage gestellt: Was hilft Menschen bei einer erfolgreichen Bewältigung von Herausforderungen oder Krisen? Als personelle Ressource bei der Resilienzforschung wird der durch ihn geprägte Begriff der Kohärenz (Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit) verstanden.

Kauai-Studie von Emmy Werner: Sie gilt als die Pionierin der Resilienzforschung und hat in ihrer Studie über 40 Jahre einen ganzen Geburtsjahrgang begleitet, zu bestimmten Erhebungszeitpunkten Interviews geführt und andere Daten zur Lebens- und Gesundheitssituation der Proband*innen gesammelt. Dabei stellte Werner fest, dass sich ein Drittel der beobachteten Menschen trotz hoher Risikobelastung positiv entwickelte und im Alter von 40 Jahren einem geregelten Beruf nachging, eine Familie gegründet und ein zufriedenes Leben führte. Sie konnte in diesem Zusammenhang protektive Faktoren identifizieren, die dazu führten, dass sich die Menschen trotz der schwierigen Bedingungen positiv entwickelten.
Danach folgten einige weitere Studien zur Resilienz, die aber an dieser Stelle nicht weiter betrachtet werden. Für uns ist jedoch entscheidend, wie Resilienz verstanden wird und was sie genau bedeutet.

Das Verständnis von Resilienz bei element-i

In unserer element-i Konzeption steht Resilienz folgendermaßen erklärt: „Unter Resilienz verstehen wir die psychische Widerstandsfähigkeit von Kindern gegenüber Entwicklungsrisiken. Diese Widerstandsfähigkeit ermöglicht es ihnen, sich an akut oder chronisch belastenden Lebenssituationen effektiv anzupassen. Diese Basiskompetenz verbessert die Möglichkeiten der Kinder, die auf sie zukommende Veränderungen und Krisen erfolgreich zu bewältigen. Sie können sich somit zu selbstsicheren, gesunden und kompetenten Persönlichkeiten entwickeln.“ (Seite 8)

Die Grundlagen für die Fähigkeit zur Resilienz werden bereits in der Kindheit gelegt und sie entwickelt sich dann über die gesamte Lebenszeit. Für die Arbeit mit den Kindern heißt das, dass eine element-i Pädagog*in sich in diesem kompetenz- bzw. ressourcenorientierten Ansatz immer danach fragt, was Kinder in sich selbst stärkt und wie sie ihre individuellen Fähigkeiten für einen zeitlebens andauernden dynamischen Anpassungs- und Entwicklungsprozess hinsichtlich ihrer Lebenssituation fördern können.

Fortsetzung folgt

Im nächsten Teil möchte ich mit Ihnen weiter an dem Thema bleiben und die Risiko- und Schutzfaktoren in den Blick nehmen. Welche konkreten wissenschaftlich belegten Merkmale hemmen oder gefährden die Entwicklung der Kinder und welche erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung? Wie kann ich also Resilienz fördern und damit (Gewalt)präventiv wirken?

Literatur:
Fröhlich-Gildhoff, Klaus; Rönnau-Böse, Maike (2014): Resilienz. Ernst Reinhardt: München, Basel
Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis (2018): element-i – Pädagogische Konzeption der element-i-Kinderhäuser. Stuttgart

Mehr von Denise Samuel

Neues aus dem Sterngucker Kita-Kleingarten

Trotz der vielen Stimmen, die das Projekt erhalten hat, hat es nicht für den Einzug in das Finale des Klimaheldenwettbewerbs der Stadtwerke Karlsruhe gereicht. Dennoch wollen alle Beteiligten auch weiterhin Klimahelden sein und sind fest entschlossen, das Projekt weiter voranzubringen. Das Team bedankt sich für alle positiven Rückmeldungen und vielen Stimmen beim Voting!

Wie geht es nun weiter?

Durch die derzeitige Situation bezüglich COVID-19 wurde der Fortschritt im Kita-Kleingarten gebremst. Dennoch sind die Arbeiten nicht gänzlich zum Stillstand gekommen. Dank der Unterstützung des Verbandes der Kleingärtner Baden-Württemberg e.V., vertreten durch Herrn Alfred Lüthin und Herrn Lino Lüthin, konnte die Gartenbaufirma Stein & Natur aus Neureut mit der Räumung und der Einebnung des Kita-Kleingartens beauftragt werden. Die Arbeiten begannen Ende März und werden voraussichtlich bis Ende April abgeschlossen sein.

Während der anhaltenden Beschränkungen wird das Team entsprechend der allgemein verfügten Vorgaben, im Rahmen von kleinen Einsätzen den Kita-Kleingarten von letzten Resten an Müll und Schutt befreien. Außerdem hoffen sie auf den Einzug der Bienen in den Garten.

Weiterhin wollen sie folgende Projektziele verfolgen:

  • Gärtnern vermitteln und veranschaulichen
  • Bienenvölker ansiedeln
  • Biotope anlegen und erklärbar machen
  • Biodiversität greifbar machen
  • Nachhaltigkeit leben und verinnerlichen
  • Sozialraumvernetzung
  • Kultivierung von Pflanzen und Pflege der Tierwelt (ganzjährig)
  • Zusammenspiel in Ökosystemen veranschaulichen
  • Jahreskreisläufe in der Natur veranschaulichen
  • Gemeinsame Philosophie der Nachhaltigkeit entwickeln

Über jede weitere Unterstützung, Ideen für die Zielumsetzung oder auch Rückmeldungen zum Projekt freut sich das Team des Sterngucker Kita-Kleingartens:

kita-sterngucker@konzept-e.de
kleingartenverein_oberer-see@t-online.de

Was ist Gesundheit?

Der Corona-Alltag hat uns alle fest im Griff; wir überlegen, was wir in unserer knappen Arbeitszeit erledigt bekommen und was wir in unserer geschenkten Freizeit Gutes tun. Der erste Gedanke geht meist an unsere Mitmenschen – wem kann ich womit helfen?

Der ein oder andere macht sich Gedanken, ob in dieser verlangsamten Zeit die eigene Gesundheit mal wieder unter die Lupe genommen werden sollte. Faste ich mal wieder? Stelle ich meine Ernährung um? (Nein, damit ist nicht die Neuplatzierung der Chips-Tüte gemeint)

Was steckt eigentlich hinter dem Begriff „Gesundheit“?

Gesundheit ist ein Begriff mit einer großen Bandbreite an Bedeutungen und jede*r wird auf die Frage: „Was bedeutet für Sie Gesundheit?“ eine andere Antwort haben. Für die meisten Menschen ist Gesundheit die Voraussetzung für Zufriedenheit oder gar für Glück. Viele bezeichnen Gesundheit als „das höchste Gut“ und können sich ihr Leben ohne Gesundheit nicht vorstellen. Der Versuch, Gesundheit zu definieren, stößt jedoch schnell an Grenzen.

Einen wesentlichen Beitrag zur Definition hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geleistet. Neben den körperlichen Faktoren hat sie erstmals auch die seelischen und sozialen Bedingungen für Gesundheit erfasst. Darüber hinaus sagt sie auch, dass Gesundheit in enger Beziehung zum eigenen Handeln und zur Persönlichkeitsentwicklung steht.

„Um ein umfassendes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden zu erlangen, ist es notwendig, dass sowohl einzelne als auch Gruppen ihre Bedürfnisse befriedigen, ihre Wünsche und Hoffnungen wahrnehmen und verwirklichen sowie ihre Umwelt meistern bzw. verändern können. In diesem Sinne ist die Gesundheit als ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens zu verstehen und nicht als vorrangiges Lebensziel. Gesundheit steht für ein positives Konzept, das in gleicher Weise die Bedeutung sozialer und individueller Ressourcen für die Gesundheit betont wie die körperlichen Fähigkeiten.“ (WHO, 1986)

Dauerhafte Aufgabe statt fixes Ziel

Dies bedeutet, dass Gesundheit ein Stadium ist, welches Menschen Wohlbefinden und Lebensfreude vermittelt. Dahinter steht die Vorstellung, die eigene Lebensführung und die Umwelt verändern zu können. Gesundsein zeigt sich in einer erlebenden, planvoll und zielgerichtet handelnden Person und ist kein festgeschriebener Zustand, sondern muss immer wieder ausbalanciert werden; sozusagen eine lebenslange Entwicklungsaufgabe.

Der Ansatz der WHO markiert einen Perspektivwechsel, der die Zweiteilung in „gesund“ und „krank“ überwindet. Maßgeblich für diesen Paradigmenwechsel war der jüdische Arzt Aron Antonovsky. Er entwickelte das Modell der Salutogenese zur Erklärung der Gesundheit. Dieser Ansatz stellt Gesundheit und Krankheit als Kontinuum dar; jeder Mensch kann zu jedem Zeitpunkt eine bestimmte Position zwischen den beiden Polen einnehmen. Entscheidend für das Gesundbleiben – sogar unter belastenden oder gefährdenden Umständen – sind sogenannte „Schutzfaktoren“; auch Widerstandsressourcen genannt. Dazu gehören Strategien zur Stressbewältigung, soziale Unterstützung, aber besonders die persönlichen Ressourcen, wie z.B. ein gutes Selbstwertgefühl, das Gefühl von Kompetenz und die Überzeugung, durch eigenes Tun etwas bewirken zu können.

Welche Assoziationen kommen Ihnen beim Gedanken an „Gesundheit“ in den Sinn? Was verbinden Sie damit? Welche praktischen Handlungsweisen können Sie anderen zur Verfügung stellen? Schreiben Sie mir in die Kommentare, ich freue mich über Ihre Gedanken, Ideen und kontroversen Vorschläge.

Als Fortsetzung zu diesem Artikel, lesen Sie meinen Artikel „Was sind Widerstandsressourcen?“.

Quelle: Schneewind, Julia (2011): Persönlichkeit stärken – gesund bleiben. Kraft tanken im Erzieherinnenalltag. Westermann: Braunschweig

Mehr von Barbara Schmieder

Körpererkundungsspiele: Ein Überblick

Erfahrungen am eigenen Körper und auch am Körper der anderen sind essentiell wichtig für eine gesunde psychosexuelle Entwicklung. In Rollenspielen wie „Mutter-Vater-Kind“ oder „Ärzt*in-Patient*in“ spielen Kinder Situationen nach, die sie beobachten und erleben konnten. Aufregung entsteht für viele da, wo Kinder Geschlechtsverkehr imitieren. In der Regel geht es hier nicht um Gefühle der Begierde oder Lust wie bei Erwachsenen, sondern um kindliche Neugier und Erforschen von Situationen, die sie erklärt oder wahrgenommen haben, sowie darum, „Erwachsenen-Rollen“ auszuprobieren. Kinder spielen diese Situationen nach, die eine Bedeutung zugemessen bekommen. Die Bedeutungsbeimessung erfolgt verbal oder nonverbal.

Ein Beispiel aus einem anderen Kontext: Kinder spielen nach, wie der Vater abends erschöpft von der Arbeit nach Hause kommt und sie imitieren dies, jedoch ohne die Erschöpfung zu empfinden, die der Vater in diesen Situationen empfinden mag.

Eine besondere Bedeutung erhalten alltägliche Situationen aus dem Bereich Körpererkundung vielfach durch Verbote oder Scham. Um Kindern hier einen guten Rahmen zu geben, das Wohlbefinden aller Beteiligten zu gewährleisten sowie übergriffiges Verhalten zu vermeiden, sollten folgende Regeln bei Körpererkundungsspielen unbedingt eingehalten werden:

Regeln für Körpererkundungsspiele

  • Jedes Kind entscheidet selbst, ob und mit wem es seinen Körper erkunden will.
  • Mädchen und Jungen streicheln und untersuchen sich nur so viel, wie es für sie selbst und die anderen Kinder angenehm ist.
  • Kein Mädchen/kein Junge tut einem anderen Kind weh.
  • Kein Kind steckt einem anderen Kind etwas in eine Körperöffnung (Po, Scheide, Mund, Nase, Ohr) oder leckt am Körper eines anderen Kindes.
  • Der Altersabstand zwischen den beteiligten Kindern sollte nicht größer als ein bis maximal zwei Jahre sein.
  • Ältere Kinder, Jugendliche und Erwachsene dürfen sich an Körpererkundungsspielen nicht beteiligen.
  • Hilfe holen ist kein Petzen.
  • Wenn die Kita (z.B. wegen Personalnot oder weil die Räumlichkeiten zu unübersichtlich sind) nicht in der Lage ist, die Einhaltung dieser wichtigen Regeln zu gewährleisten, müssen erweiterte Beschränkungen eingeführt werden, etwa dass die Kinder sich bei Körpererkundungsspielen nicht nackt ausziehen dürfen.

(Maywald, S. 100)

Wenn Sie dies lesen, gehen Ihnen sicherlich Situationen in Ihrem Kinderhaus durch den Kopf. Wie gehen Sie und Ihr Team mit Körpererkundungsspielen um? Wie unterstützen Sie die Kinder in Ihrem Selbstbestimmungsrecht: „Mein Körper gehört mir!“ – „Nein-Sagen“?

Sobald die Kita wieder eröffnet, wünsche ich Ihnen viele Möglichkeiten, in denen die Kinder mit Ihrer Begleitung und Unterstützung vielfältige Erfahrungen sammeln können. Der nahende Frühling und Sommer bringt Wärme mit, die dazu beiträgt, dass Kinder ohne viele Schichten an Kleidung den eigene Körper erleben und erfahren. Vielleicht spielen die Kinder demnächst „Wir gehen zum Arzt und lassen uns gegen Corona impfen!“

Literatur:

Maywald, Jörg (2018): Sexualpädagogik in der Kita. Freiburg im Breisgau.

Dokumentation eines Fachtags zum Thema Kindliche Sexualität von Pro Familia in Waiblingen:  www.profamilia.de/fileadmin/beratungsstellen/waiblingen/Dokumentation_Fachtag_7_2014.pdf (Stand: 28.03.2020)

Mehr von Katja Behres

Bir, iki üç – Welche Sprachen treffen sich im Kindergarten?

In der element-i-Konzeption ist die Würdigung anderer Sprachen ausdrücklich verankert. Dort heißt es: „Die natürliche Mehrsprachigkeit der Kinder wird … wertgeschätzt. Im Alltag werden (…) fremde Sprachen und Kulturen mit einbezogen …“ (element-i-Konzeption, S. 20).

Andere Sprachen und Kulturen willkommen heißen

Die Bildungspläne der Bundesländer weisen kulturelle Vielfalt als wichtigen Bezugsrahmen aus. Warum ist das so wichtig?

Kinder aus anderen Kulturen erleben sensibel, ob ihre Muttersprachen willkommen sind und einen Raum in der Kita finden. Nicht nur die Autorin Michaela Ulich weist darauf hin, dass die Wertschätzung der Familiensprache für die Entwicklung des Selbstbildes und Selbstbewusstseins zentral ist (vgl. Ulich, S. 32). Jedoch können alle Kinder von den vielen Sprachen in den Kinderhäusern profitieren.

Sprachentwicklung und kulturelle Aufgeschlossenheit

Ein Kind probiert sich aus, wenn es versucht, in einer anderen Sprache zu zählen. Meine Tochter brachte von mehr als zwei Jahrzehnten die Zahlen von 1-10 auf Türkisch mit nach Hause. Sie kann heute noch auf Türkisch bis zehn oder darüber hinaus zählen! Andere Sprachen zu hören und – wenn auch nur begrenzt – kennenzulernen, fördert eine Bewusstheit für andere Sprachen. In meiner Verwandtschaft gibt es zwei Kinder, die zweisprachig aufgewachsen sind. Sie haben ihre ersten Lebensjahre in der Türkei verbracht. Heute sprechen sie neben ihren zwei Muttersprachen Türkisch und Englisch. Welch ein Schatz!

Verbunden mit weiteren Informationen über die jeweilige Kultur (Essen, Feste, Werte, Rituale …) entwickelt sich – ganz nebenbei – eine kulturelle Aufgeschlossenheit. Diese ist sowohl im Orientierungsplan von Baden-Württemberg als auch im Bayerischen Bildungsplan und in den Bildungsgrundsätzen von NRW eingebunden und wird den Kitas als ein Erziehungsziel nahegelegt.

Sie sind an der Reihe!

Na dann man los: Welche Sprachen sprechen die Kinder in Ihren Einrichtungen? Finden Eltern, Kinder und Besucher*innen Spuren anderer Kulturen in der Kita – z.B. als Wand-Dokumentation oder Mobile mit kleinen Steckbriefen aus den vielen Kulturen? Haben Sie schon einmal ein Projekt mit den Kindern initiiert und sich auf die Suche nach den Sprachen oder auch Kulturen der Kinder gemacht? Kennen Sie die Zahlen, die Begrüßungsworte in mindestens vier Sprachen? Wie singt sich der altbekannte „Bruder Jacob“ auf Polnisch? Verbinden Sie solche Sprach-Reisen mit Bewegung und Tanz und Rhythmik? Haben Sie im Team schon einmal diskutiert, wie kulturelle Aufgeschlossenheit und Verbundenheit – eine unserer fünf Leitlinien – zusammenhängen? Was steht im Bildungsplan Ihres Bundeslandes zum Thema sprachliche Vielfalt?

Wenn ich die Fragen so lese, bekomme ich Lust, Sie nach der Wiedereröffnung in den Kitas zu besuchen, die Freude, die sich beim gemeinsamen Singen, Tanzen und Klatschen in mehreren Sprachen einstellt, zu teilen. Worauf warten Sie noch?

Literatur:

Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis (2018): element-i – Pädagogische Konzeption der element-i- Kinderhäuser

Ulich, Michaela; Oberhuemer, Pamela; Soltendieck, Monika (2017): Die Welt trifft sich im Kindergarten. Interkulturelle Arbeit und Sprachförderung in Kindertageseinrichtungen. 6. Auflage. Cornelsen, Berlin

Mehr von Christina Henning

Kindliche Sexualität – was ist das überhaupt?

Wie unterscheidet sich die Erwachsenensexualität von der kindlichen Sexualität? Hilfreich für die Beantwortung dieser Frage ist es, sich die Merkmale der kindlichen Sexualität bewusst zu machen. So kann professionell agiert  werden und den Kindern die Möglichkeit gegeben werden, ihren Körper unbefangen und interessiert zu erfahren.

Kinder erkunden und entdecken ihren Körper mit allen Sinnen. Sie möchten sich spüren und sich im Hier und Jetzt wohlfühlen. Dabei geht es ihnen nicht um die Erfüllung eines Zustandes der Befriedigung, sondern um unbefangenes Erleben und Wohlbefinden und der Suche nach den Auslösern für angenehme Gefühle. Grundlage für ihr Erkundungs-Verhalten sind ihre kindliche Spielfreude und Fantasie. Wenn man die Merkmale der Erwachsenensexualität heranzieht und damit kindliches Erkundungsverhalten einordnet, wird man der Entwicklung kindlicher Sexualität nicht gerecht. Maywald hat eine klare Übersicht der Unterschiede geschaffen, die als gute Grundlage dienen kann.

Unterschiede zwischen kindlicher Sexualität und Erwachsenensexualität

 

Kindliche Sexualität Erwachsenensexualität
Spielerisch, spontan Absichtsvoll, zielgerichtet
Nicht auf zukünftige Handlungen ausgerichtet Auf Entspannung und Befriedigung hin orientiert
Erleben des eigenen Körpers mit allen Sinnen Eher auf genitale Sexualität ausgerichtet
Egozentrisch Beziehungsorientiert
Wunsch nach Nähe und Geborgenheit Verlangen nach Erregung und Befriedigung
Unbefangenheit Befangenheit
Sexuelle Handlungen werden nicht bewusst als Sexualität wahrgenommen Bewusster Bezug zu Sexualität

Selbstreflexion als Schlüssel zur richtigen Haltung

Körpererkundungsspiele und entwicklungsgerechte Lernerfahrungen zum Körpererleben sind bedeutsam für die psychosexuelle Entwicklung. Auch Sie als Bezugsperson der Kinder und Ihre Einstellung und Haltung zu kindlicher Sexualität beeinflusst die Kinder in ihrer Körperwahrnehmung und ihren Ausdrucksformen. Nutzen Sie die folgenden Fragen zur Reflexion:

  • Welches Verhältnis habe ich zu Sexualität?
  • Wie wurde ich geprägt?
  • Wie gehen wir als Team in unserer Kita mit kindlicher Sexualität um?
  • Wird über Sexualität gesprochen und wie?
  • Haben die Kinder in unserer Kita die Möglichkeit, ihren Körper zu erfahren und über ihre Gedanken zu sprechen?

Literatur: Maywald, Jörg (2018): Sexualpädagogik in der Kita. Freiburg im Breisgau.

Mehr von Katja Behres

22 Erfahrungen, die Siebenjährige gemacht haben sollten

Mit sieben Jahren hat man bereits unzählige Dinge erlebt und gelernt. Man kann schon vieles unterscheiden und weiß schon ganz gut, wie die Welt so „tickt“. Im besten Fall haben Siebenjährige auch schon folgende Erfahrungen gemacht:

  • Die eigene Existenz als positiven Beitrag erlebt: „Wenn du nicht wärst …“
  • Wissen, was „schlecht drauf sein“ bedeutet (Theory of mind)
  • Die Erfahrung, dass Wasser den Körper trägt
  • Eine wilde Kissenschlacht mit Freunden
  • Butter selbst machen. Sahne schlagen.
  • In einer anderen Familie übernachten. Einen Familienbrauch kennen.
  • Spenden. Dem Bettler direkt in den Hut…
  • Den Unterschied zwischen Essen und Mahl wahrnehmen
  • Die Erinnerung an ein gegebenes Versprechen
  • Eine Methode des Konservierens gegen Verfall kennen
  • Etwas selbst repariert haben
  • Auf einen Baum geklettert oder in einen Bach gefallen sein
  • In einem Streit vermittelt haben. Einem Streit aus dem Weg gegangen sein
  • Obstsorten kennen und wissen, wie sie sich im Duft unterscheiden
  • Flüche und Schimpfwörter kennen (in zwei Sprachen) 😉
  • Sich bücken, wenn einem anderen etwas heruntergefallen ist
  • Warten können bis man dran ist: die Warteschlange
  • Sich bewusst sein, dass nicht alle Wünsche direkt in Erfüllung gehen
  • Die Natur als Freund und als Feind erlebt haben
  • Über Regeln verhandelt haben
  • Mengen in Maßeinheiten erlebt haben, z.B. drei Liter Milch = drei Milchflaschen
  • Den eigenen Pulsschlag gefühlt haben und den von Freund und Tier

Literatur: Handbuch Gewaltprävention III 2014 Günther Gugel

Mehr von Denise Samuel