Was ist Glück und brauchen wir es als Schulfach?

Montag, 6:15 Uhr: Der Wecker klingelt nach dem beherzten Druck auf die Snooze-Taste schon zum dritten Mal, trotzdem wollen die Augen immer noch nicht aufgehen. Die neue Woche startet – für viele Kinder und Jugendliche in Deutschland mit Müdigkeit, teils mit Stresssymptomen und, je nachdem welcher Quelle man glaubt, für fünf bis zehn Prozent sogar mit Schulangst[1]. Das darf so nicht weitergehen! Unsere Schulen sollen Orte sein, um für das Leben zu lernen, Freude an Leistung zu entwickeln und im Idealfall sogar Glücksgefühle auslösen.

Aber was ist eigentlich Glück?

Glück im Unglück hatten wir alle, als die Psychologie und die Lernforschung in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr den Fokus darauflegten, Menschen zu stärken, sodass sie ihre Ressourcen erkennen, und sie dazu anzuleiten, immer mehr für ihr eigenes Wohlergehen, ihr eigenes Glück zu sorgen. Der Begriff Glück ist dabei nicht im Sinne von Zufall gemeint, sondern besteht zum einen aus den kleinen Glücksmomenten, die mit den Hormonen Serotonin und Dopamin belohnt werden, und zu einem noch größeren Teil aus einem langfristigen Lebensglück nach dem Prinzip der Salutogenese. Glück ist also kein fester Zustand, sondern ein Wohlergehen, das immer wieder gestärkt und erhalten werden will. In der positiven Psychologie ist dieses Lebensglück auf den Säulen Sinn und Werte, Beziehung, Leistung, körperliches Wohl und materielle Sicherheit aufgebaut, die der Mensch zu großen Teilen selbstwirksam steuern und idealerweise optimistisch angehen kann.

Wie Glück zum Schulfach wurde

Ernst Fritz-Schubert startete auf dieser Grundlage im Jahr 2007 ein kleines Pilotprojekt an der Willy-Hellpach-Schule in Heidelberg. Er wollte ein Schulklima fördern, das von Lebensfreude, Lebenskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung getragen werden sollte. Mittlerweile werden Pädagog:innen am Fritz-Schubert-Institut zu Glücks-Lehrkräften ausgebildet und das Schulfach ist in vielen Schulen Deutschlands und Österreichs bereits eingeführt worden. Wir haben Ernst Fritz-Schubert Anfang 2023 dazu bereits interviewt (das Interview mit ihm können Sie hier nachlesen).

Auch in der element-i Grund- und Gemeinschaftsschule im Bildungshaus Karlsruhe hat sich unsere Kollegin Franziska Löber als Glückslehrkraft weitergebildet und bietet bereits einzelne Impulse daraus für unsere Schüler:innen an. Das Schulfach „Glück“ soll auch in der kommenden Oberstufe als Seminarkurs angeboten werden. Trotzdem bliebe „Glück“ damit ein Wahlfach, Zusatzfach oder eine AG. Darüber wollen wir deutlich hinausgehen.

Was ist der weitere Plan für die element-i Schulen?

Das Schulfach „Glück“ wird in den element-i Schulen nicht allein auf weiter Flur bleiben, sondern Teil eines wachsenden Rahmenprogramms zur sozialen und mentalen Fitness unserer Schüler:innen werden. Wo das element-i Konzept bereits interessengeleitet, stärken- und ressourcenorientiert vorgeht und die Entwicklung von Persönlichkeit und Verantwortung für die Gemeinschaft in den Fokus nimmt, ergänzen vielfältige methodische Zugänge die Stärkung des Wohlbefindens unserer Schüler:innen. Impulse und Projekte unter anderem aus der Erlebnispädagogik, der Theaterpädagogik, dem Embodiment, der Kampfkunst sowie Mentaltraining, Achtsamkeitstraining und Selbstmanagement sollen dazu befähigen, Dinge kritisch zu hinterfragen, Werte zu entwickeln und Sinn zu entdecken. Die Kinder und Jugendlichen erfahren die Verbindung mit der Natur und der sie umgebenden Umwelt, drücken sich kreativ aus und üben den Umgang mit ihren Emotionen. Sie trainieren bewusste Kommunikation, bewältigen Herausforderungen allein und in der Gruppe, treffen Entscheidungen und erleben dabei Selbstwirksamkeit, Vertrauen und letztlich Freude an Leistung, am eigenen Vorankommen. Eben Freude am Lernen.

Dabei sehen wir auch die element-i Schulen als lernende Institution. Auch wir haben Freude am Lernen und Freude am Vorankommen und sind bereits voller Vorfreude auf unseren Glücksort Schule.

Glückstipp für heute

Nimm am Morgen fünf Bohnen oder kleine Kieselsteine in die linke Hosentasche. Jedes Mal, wenn du für etwas dankbar bist, wandert eine Bohen oder ein Stein in die rechte Hosentasche. Packe sie am Abend aus und notiere dir kurz, wofür du heute dankbar sein darfst.

Glücksübung mit Kindern und Jugendlichen

Für das eigene Wohlbefinden ist es sehr wichtig, einen guten Umgang mit den eigenen Emotionen zu finden und diese nicht zu verdrängen, sondern bewusst zu bearbeiten.

Sucht zusammen ein Gefühl aus, z. B. Wut, und lasst sie voll zu, steigert euch hinein, spielt so richtig damit! Überlegt euch, auf was oder wen ihr schon einmal wütend wart, und malt dafür ein Symbol auf ein Blatt. Nun lasst eurer Wut freien Lauf. Kratzt vielleicht an dem Blatt oder haut es, zerknüllt es und werft es, schreit es an, trampelt darauf herum, bis ihr außer Atem seid. Ihr werdet bestimmt viele kreative Wut-Ideen haben.

Sprecht anschließend darüber, wie das war: Wo fühlt ihr eure Wut im Körper? Wie fühlt sie sich an? Ist sie wie ein kalter Stein oder brennend heiß, ist sie rau oder aalglatt, ist sie riesig und wuchtig wie Blitz und Donner oder winzig und piekst euch wie eine Nadel? Was könnt ihr tun, wenn ihr das nächste Mal wütend seid, damit niemand zu Schaden kommt?

Quellen

[1] Kinderwerte-Monitor 2008 (Geolino/UNICEF) und Sulkes MD, Stephen Brian

Mehr von Maren Günther

Wir sind, wer wir sind – Wie sich die Persönlichkeit entwickelt 

“Wie entsteht Persönlichkeit? Wieviel davon ist genetisch bedingt, wieviel beeinflussbar?”, fragte kürzlich eine Pädagogin im Rahmen einer Fortbildung. Das sind höchst spannende und interessante Fragen, gerade weil wir die Kinder in den ersten sechs Lebensjahren aktiv begleiten und Einfluss auf ihre Persönlichkeitsentwicklung nehmen. Dazu hat die Biopsychologie, die sich mit anatomischen und physiologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens und Erlebens befasst, wichtige Grundlagen erforscht.

Frühkindliche Einflüsse und die Bildung von Synapsen

Wie funktioniert das Gehirn? Ein gesund entwickeltes Gehirn ist bei der Geburt darauf ausgelegt, dass es maximal aufnahmefähig ist. Es wartet auf Außenreize, die in chemische und elektrische Signale umgewandelt und über die Nervenzellen in die unterschiedlichen Gehirnareale transportiert werden Ein Säugling besitzt nahezu die gleiche Anzahl an Nervenzellen wie ein erwachsener Mensch. Bei der Anzahl an Verknüpfungen zwischen den Nervenzellen gibt es einen entscheidenden Unterschied. Mit dem folgenden Vergleich wird dieser Unterschied leicht nachvollziehbar: Stellen Sie sich ein Blatt Papier mit 1000 Punkten (Nervenzellen) vor. Einige dieser Punkte sind durch Striche (Synapsen) miteinander verbunden. Diese Metapher soll das Gehirn eines Säuglings nachbilden, das sich in der Folgezeit rasant entwickelt. Nun stellen Sie sich das gleiche Blatt Papier mit ebenfalls 1000 Punkten vor, aber jeder Punkt (Nervenzelle) ist durch viele Striche (Synapsen) mit anderen Punkten verbunden. Dieses Bild visualisiert das Gehirn eines erwachsenen Menschen.

Wie entstehen nun die Synapsen oder die Striche? Natürliche Reifeprozesse und der Anregungsgehalt aus der Umgebung lassen ein Netzwerk zwischen den Nervenzellen durch Synapsen entstehen, die zudem in Wechselwirkung zueinanderstehen (Pauen 2004, S. 525).

Das möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen. Stellen Sie sich einen Fötus im Mutterleib vor. Die Augen sind meist geschlossen, die Umgebung ist reizarm. Ab dem Tag der Geburt ändert sich die Umgebung augenblicklich. Das Gehirn reagiert auf die Umgebung, die Reize werden über die Sinnesorgane, in dem Fall die Augen, wahrgenommen, diese Informationen über die Nervenzellen weitergeleitet und im Gehirn verarbeitet. In Folge entstehen neue Verbindungen (Synapsen), was zur Folge hat, dass sich das Gehirn entwickelt und seine Struktur verändert. Und nun stellen Sie sich vor, das Kind ist blind. Die Reize können nicht in gleicher Form weitergeleitet werden, da das Auge wegen eines Defekts des Sehnervs dazu nicht imstande ist. Die Gehirnstruktur entwickelt sich in Folge anders, die neuronalen Verbindungen ebenso, da das Gehirn erkennt, dass keine Informationen am visuellen Kortex ankommen. Die Ausbildung neuer Synapsen nimmt an diesen Stellen stark ab. Bestehende Verbindungen werden vom Gehirn genutzt, um andere Sinnesinformationen weiterzuleiten.

Zusammengefasst holt das das Gehirn aus dieser Situation das Beste heraus, ohne unnötig weitere Ressourcen – zum Beispiel die aktive Bildung weiterer Synapsen in dieser Hirnregion – zu nutzen. Das Beispiel zeigt, wie wichtig Außenreize sind und welche unmittelbaren Auswirkungen diese Reize auf die Gehirnentwicklung haben. Das Muster ist bei der Persönlichkeitsentwicklung das gleiche, nur betrifft es andere Hirnregionen.

Die Rolle des limbischen Systems in der Persönlichkeitsentwicklung

Betrachten wir nun die Neuro- und Entwicklungspsychologie, die Aufschluss über die Zeitfenster der lernsensiblen Entwicklungsphasen gibt (= Erfahrungen in einem bestimmten Alter, die prägend sind und Auswirkungen auf das gesamte weitere Leben haben können). Das Modell der „vier Ebenen der Persönlichkeit im Gehirn“ liefert uns wichtige Anhaltspunkte für die Pädagogik. Im Zentrum der Persönlichkeitsentwicklung steht das „Limbische System“, welches dafür bekannt ist, dass es ein stark vernetzter Teil des Gehirns ist (Großhirn, Zwischenhirn). In diesen Bereichen werden Emotionen, Motivationen, Ich-Erleben, Angst- und Wutreaktionen sowie Speicherung emotionaler Inhalte verarbeitet. Entscheidend ist, dass die Persönlichkeit im Kern durch die erste und zweite limbische Ebene im Kern definiert wird (Zeitfenster = 4 Lebensjahre). Die untere limbische Ebene ist überwiegend durch vorgeburtliche Einflüsse determiniert. Dazu zählen genetische Einflüsse sowie Einflüsse während der Schwangerschaft (Lebensstil, Lebensumstände, Ernährung etc.). Grundlegende Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit, Optimismus, Risikobereitschaft oder Kreativität werden in dieser Phase angelegt und sind postnatal kaum beeinflussbar. Die mittlere Ebene ist jene Ebene der unbewussten und nicht erinnerbaren emotionalen Konditionierungen (bis zum 3. Lebensjahr). Sie betrifft die emotionale Prägung zu Bindungspersonen sowie emotionales Lernen. Welche Lernerfahrungen hat das Kind mit den Bindungspersonen gemacht und welche Emotionen wurden damit verknüpft? Diese Phase ist entscheidend für die Entwicklung des Selbstkonzeptes und hat direkte Auswirkungen auf die Gehirnentwicklung im Groß- sowie Zwischenhirn.

Die Lebenserfahrung in den ersten drei Jahren sind prägend, die Grundausrichtung der Persönlichkeit verfestigt sich. Die Erfahrungen sind in Teilen bewusst, werden aber überwiegend nicht erinnert. Das Grundkonzept der Persönlichkeit ist im Kern angelegt (Roth 2019, S. 10ff.). Mit Abschluss des 3. Lebensjahres ist die Persönlichkeitsentwicklung demnach bereits so weit fortgeschritten, dass sie “lediglich” auf einer emotional sozialen sowie auf einer kognitiv sprachlichen Ebene noch weiter verfeinert wird. Anders ausgedrückt sind die ersten drei Lebensjahre entscheidend für die Persönlichkeitsentwicklung. Wie nimmt sich das Kind in diesen Jahren wahr? Welche Rolle hat es in der Familie? Wurde es wertgeschätzt? Wurde es geliebt? Wurde es herausgefordert? Wurde es unterstützt? Wurde es zur Selbstständigkeit erzogen? Welche Lebenserfahrungen hat es gemacht? Ist es selbstbewusst etc.? Das Selbstbild, welches das Kind entwickelt, ist entscheidend, wie dessen Persönlichkeitseigenschaften mit Leben gefüllt werden. In der element-i Konzeption steht dazu: “Die ersten Lebensjahre eines Menschen sind seine lernintensivste Zeit. Sämtliche physischen, psychischen, kognitiven, sozialen und moralischen Bildungs- und Entwicklungsaufgaben nehmen hier ihren Anfang und bilden wiederum die Grundlage für die individuelle weitere Aufbauarbeit, Ausdifferenzierung und Potentialentfaltung. Diese bedingen und beeinflussen sich gegenseitig und wirken immer zusammen.“ (Kammerlander et al. 2018, S. 19)

Der Erziehungsstil und die Gestaltung der Persönlichkeit

Parallel zu den ersten beiden Ebenen entwickeln sich in der oberen limbischen Ebene sowie der kognitiv-sprachlichen Ebene “höhere Prozesse” bis in das Erwachsenenalter hinein. Die oberste limbische Ebene steht für das bewusste emotional-soziale Lernen. Die vierte kognitiv-sprachliche Ebene repräsentiert insbesondere höhere Prozesse, wie Reflexion des eigenen Handels, Sinnbewusstsein etc.
Die Prozesse, die innerhalb der oberen limbischen Ebene stattfinden, sowie die kognitiv-sprachliche Ebene sind maßgeblich davon beeinflusst, wie sich die Persönlichkeit in den ersten beiden Ebenen entwickelt. Daher ist entscheidend, welches Selbstbild und Selbstverständnis die Kinder in den ersten Lebensjahren entwickeln. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob man beispielweise eine extravertierte oder introvertierte Persönlichkeit hat. Die Frage, die von Interesse ist, lautet: Wie wird die Persönlichkeitseigenschaft mit Leben gefüllt? An dieser Stelle ist aus meiner Perspektive ein klarer Erziehungsauftrag abzuleiten, dem wir mit dem element-i Erziehungsstil begegnen, indem wir mit den Kindern authentisch, dialogisch und kohärent interagieren.

Mehr von Benjamin Decker

Literatur

Kammerlander, Carola; Rehn, Marcus; Pädagogischer Leitungskreis der element-i Kinderhäuser (2018): Pädagogische Konzeption für die element-i Kinderhäuser. Stuttgart.  

Pauen, Sabina (2004). Zeitfenster der Gehirn- und Verhaltensentwicklung: Modethema oder Klassiker? Zeitschrift für Pädagogik, Juli/August, S. 525ff. 

Roth, Gerhard (2019). Wie werden wir, wer wir sind? Und was können wir im Laufe unseres Lebens noch daran ändern. Bremen: Institut für Hirnforschung der Universität Bremen. 

Die element-i Gemeinschaftsschule in Karlsruhe macht mit beim SpardaImpuls – bitte abstimmen!

Bereits zum zehnten Mal richtet unsere Partnerin, die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, 2023 den Förderwettbewerb SpardaImpuls aus, um Projekte von Schulen in ganz Baden-Württemberg zu fördern. Die 250 Schulen, die bis zum 30. November um 16 Uhr die meisten Stimmen gesammelt haben, erhalten Förderpreise zwischen 250 und 4.000 Euro. Zusätzlich vergibt eine Jury nach Ende der Publikumsabstimmung Förderpreise über insgesamt 15.000 Euro an besonders beeindruckende Projekte. Grundlage der Juryentscheidung ist das Projektprofil.

Jede Stimme für die element-i Gemeinschaftsschule in Karlsruhe zählt!

Ihr Projekt zum Thema Herausforderung haben die Schüler:innen der element-i Gemeinschaftsschule in Kleingruppen (sechs bis acht Jugendliche) mit der Unterstützung der Pädagog:innen über ein halbes Jahr geplant. Ab in die Natur, die eigenen Grenzen testen und daran wachsen – so entstand die Idee zu „fit for life“. Im vergangenen September radelte dafür eine Gruppe von sieben Jugendlichen (15 bis 16 Jahre) von Ettlingen zum Bodensee, um den Bodensee herum und wieder zurück. Dabei hatten sie ein Budget von 50 Euro für 10 Tage pro Schüler:in. Für weitere Projekte in dieser Richtung und eine entsprechende pädagogische Begleitung wünschen sich die Schüler:innen die Förderung des SpardaImpuls. Bis zum 30. November 2023 um 16 Uhr können Sie hier für die element-i Gemeinschaftsschule abstimmen.

BeKi – Bewusste Kinderernährung: Wie die Qualität des element-i Ernährungskonzepts sichtbar werden kann

Abkürzungen sind aus verschiedenen Gründen hilfreich. Sie können das Leben effizienter gestalten, die Praktikabilität unseres Tuns verändern, sind einfach eine nette Angewohnheit und damit manchmal auch Teil unseres sozialen Gefüges. Damit begegnen sie uns zu jeder Zeit und an nahezu jedem Ort des täglichen Lebens und damit natürlich auch in den element-i Kinderhäusern. So gehört es schon fast zur „natürlichen Entwicklung“ eines element-i Kindes, irgendwann im Laufe der Kinderhaus-Zeit die Abkürzung Kiko (Kinderkonferenz) kennen zu lernen und mit in das häusliche soziale Umfeld zu transportieren. Nicht selten berichten Eltern im Gespräch davon, dass ihr Sonntagmorgen intensiv ausgestaltet wurde und sie endlich auch einmal in den Genuss gekommen sind, diese Kiko moderieren zu können.

Daher soll an dieser Stelle die Chance genutzt sein, eine Abkürzung näher zu betrachten, die vielleicht nicht allen Leserinnen und Lesern ein Begriff ist: BeKi und die dazugehörige Möglichkeit der Zertifizierung von Kindertagesstätten. Die Landesinitiative Bewusste Kinderernährung (BeKi) ermöglicht es Kindertagesstätten, das Thema Ernährung und Mahlzeiten aufzugreifen und inhaltlich auszudifferenzieren. Am Ende eines ausführlichen und begleiteten Prozesses, welcher das Thema zum inhaltlichen Schwerpunkt macht, kann die Zertifizierung der eigenen Einrichtung stehen.

Welche Vorteile sich durch die Beki-Zertifizierung ergeben und warum die Schwerpunktsetzung die perfekte Ergänzung zur element-i Ernährungskonzeption ist, beantworten im Interview die Kolleg:innen der Willys.

Um sich auf den Weg hin zur Beki-Zertifizierung machen zu können, braucht es mehrere Schritte, die im Vorfeld gegangen werden müssen. Zunächst wird im Rahmen einer IST-Analyse abgebildet, wie die Themen Ernährungsbildung und Erziehungspartnerschaft im Zusammenhang mit den Mahlzeiten der Einrichtung gelebt wird. In einem selbstreflexiven Prozess innerhalb des Teams wird in Begleitung durch geschulte Referent:innen ein Bild erschaffen, welches den aktuellen Stand des Themenfeldes im eigenen Haus aufzeigt und sichtbar macht. Zusätzlich nimmt die IST-Analyse die Außenbeziehungen der Einrichtung in den Blick – also hinsichtlich der Fragestellung, mit welchen externen Kooperationspartnern zum Themenkomplex Ernährung die Einrichtung bereits zusammenarbeitet und wie diese Zusammenarbeit inhaltlich ausgestaltet ist. Ist die aktuelle Situation der eigenen Einrichtung analysiert, wendet sich die jeweilige Einrichtung den vier inhaltlichen Bausteinen des Programms zu, die bereits in der Analyse eine Rolle gespielt haben.

Dabei ermöglicht es das Zertifizierungsprogramm, sich dezidiert mit dem Thema Ernährungsbildung auseinanderzusetzen. Hierbei spielen alle bekannten Themenfelder der kindlichen Entwicklung eine Rolle. So wird es dem jeweiligen Team ermöglicht, die eigene Essenssituation (sowohl U3 als auch Ü3) zu betrachten und Bildungsangebote aus allen Themenfelder zu gestalten und zu reflektieren.

Da die Eltern an erster Stelle für die Ernährung ihrer Kinder zuständig sind, wird auch die Erziehungspartnerschaft im Zuge des Beki-Programms in den Blick genommen. So wird unter anderem eine Informationsveranstaltung für Eltern gemeinsam mit einer Referentin des Programms ausgestaltet. Im Anschluss daran können von der jeweiligen Einrichtung weitere Veranstaltungen zum Thema Ernährung mit oder für die Elternschaft gestaltet werden.

Der Baustein Verpflegungsstandards ist durch die einheitliche Ausgestaltung des element-i-Ernährungskonzepts bereits gut abgebildet. Dieser Baustein sollte daher gemeinsam mit den Kolleg:innen aus der Küche bearbeitet werden, da hier vor allen Dingen Aufgabenbereiche tangiert, welche direkt mit der Erstellung der Mahlzeiten zusammenhängen und damit vollumfänglich bei den Köch:innen liegen.

Im letzten Schritt werden dann die externen Kooperationen dokumentiert und gegebenenfalls ausgebaut. Für die Zertifizierung werden beispielsweise mindestens zwei lebende Kooperationen begleitet und beschrieben.

Am Ende dieses begleiteten Prozesses steht dann die Übergabe eines Zertifikats, welches die besondere Qualität das element-i-Ernährungskonzept und der täglich stattfindenden Mahlzeiten mit der nötigen Außenwirkung versieht und gleichzeitig einen inhaltlichen Schwerpunkt der Einrichtung sichtbar macht.  

Der Prozess hin zum BeKi-Zertifikat ermöglicht es interessierten Teams, sich inhaltlich intensiv mit der element-i-Ernährungskonzeption zu beschäftigen und das eigene pädagogische Handeln zu reflektieren. Es bietet sich also ein spannender Rahmen, um die Themenfelder der kindlichen Entwicklung im Alltag des eigenen Kinderhauses zu vernetzen und auch nach außen hin in den Sozialraum sichtbar werden zu können.

Begleitet wird ein solcher Prozess sowohl durch Referent:innen des Programms wie auch durch den Qualitätsentwicklungszirkel Körper: Bewegung und Ernährung. Falls Sie sich dafür interessieren, diesen Schwerpunkt auch in Ihrem Kinderhaus zu setzen, freuen wir uns darauf, wenn Sie uns kontaktieren. Wir werden dann gemeinsam das weitere Vorgehen besprechen und etwaige offene Fragen miteinander klären.

Drei Fragen zum Thema an Die Willys:

1. Welche Vorteile haben sich für eure Einrichtung ergeben, nachdem ihr das BeKi-Zertifikat das erste Mal erhalten hattet?

Durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Ernährung und mit Blick auf das gesamte, eigene Kinderhaus werden Lebensmittel und deren Zubereitung zu einem zentralen Thema innerhalb der betreffenden Einrichtung. Dadurch wird nicht nur das gesamte Team eines Kinderhauses sensibilisiert, es nimmt zudem die Elternschaft mit ins Thema. So werden die Sinne nicht nur im alltäglichen Leben der Einrichtung geschärft, sondern auch in den Elternhäusern unserer Kinder. Durch die Fokussierung stehen plötzlich zentrale Fragen im Mittelpunkt, die ansonsten häufig nebenhergelaufen sind. Also Fragen wie: Woher kommen unsere Lebensmittel? Was brauche ich? Was tut mir gut und was vielleicht nicht?

Einen inhaltlichen Schwerpunkt zu haben, verändert das tägliche (Er-)Leben von Mahlzeiten und Ernährung. In unserer Einrichtung wurde das Thema omnipräsent und hat dadurch dazu beigetragen, die Vernetzung und Zusammenarbeit zwischen dem Pädagogischen Team und dem Team in der Küche zu intensivieren.

2. Gibt es besondere Projekte oder Beispiele, die sich im Rahmen eurer BeKi-Zertifizierung entwickelt haben?

Durch die Plakette an der Türe, also durch die Urkunde, und den begleiteten Elternabend ist eine Veränderung in der Elternarbeit festzustellen gewesen. So wurden neue Gesprächsanlässe geschaffen, die mit Blick auf die einzelnen Kinder eine hilfreiche Ergänzung für Beobachtung & Dokumentation und dabei vor allen Dingen die Elterngespräche geworden ist.

Durch die Sensibilisierung aller Mitglieder des Teams, finden nun regelmäßig Projekte oder element-i Angebote statt, welche das Thema Mahlzeiten, Ernährung oder Lebensmittel in den Fokus nehmen.

3. Welche Tipps und Tricks würdet ihr den Kolleg:innen in den Häusern an die Hand geben, die sich für die Zertifizierung interessieren?

Wenn man sich für die Teilnahme am Programm entscheidet, sollte man dies vorab mit dem Team und der Teamleitung abstimmen. Da auch die Teams der Küche eine wesentliche Rolle einnehmen, empfehlen wir darüber hinaus, diese auch von Beginn an die Überlegungen mit einzubeziehen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass zwei verantwortliche Ansprechpartner:innen pro Haus nötig sind, um den Prozess sinnhaft und gut zu steuern und zu begleiten. Der Support durch die Mitarbeiter:innen des Programmes ist eine große Bereicherung. Es ist hilfreich, sich reflexiv mit qualifizierten Expter:innen dem Thema zuzuwenden und den Übertrag für das eigene Kinderhaus herzustellen.

Mehr von Jacob Hesselschwerdt

Tag der offenen Tür der element-i Schulen Stuttgart

Über 300 Personen kamen am 11. November zum Tag der offenen Tür an der Freien element-i Grund- und Gemeinschaftsschule Stuttgart in der Breitwiesenstraße 8. Sie nutzten die Möglichkeit, das Interims-Schulgebäude zu besichtigen und den Pädagog:innen vor Ort Fragen zu stellen.

Nach der Begrüßung sorgten die Schüler:innen der Grundschule unter Leitung von Franziska Kleinert mit Trommeln und Gesang für musikalische Unterhaltung. Informativ wurde es durch Geschäftsführer und Schulleiter Clemens M. Weegmann, der die Schule vorstellte. Über die Mittagszeit gab es für die jüngeren Besucher:innen verschiedenste Impulse. Es wurden Wollmützen gebastelt, Holzflieger gestaltet und einiges mehr. Bei den geführten Rundgängen durch die Lernhäuser stellen die Kinder das Lernmaterial selbst vor und erklärten die Umsetzung des Schulkonzepts. Nach einem weiteren Vortrag zeigte zum Abschluss auch die Gemeinschaftsschule ihre musikalische Seite und mit Unterstützung der Akademie für das gesprochene Wort führten die Schüler:innen Tänze und Theaterszenen auf.

Bei der Teestation konnten sich alle Teilnehmenden aufwärmen und austauschen. Unser Kundenmanagement erhielt bereits vor Ort einige Anfragen zur Anmeldung. Wir danken den zahlreichen Besucher:innen für ihr Interesse und den Helfer:innen, darunter auch den Eltern und Beirät:innen, für die tatkräftige Unterstützung.

In der Kita achtsam sprechen – wie Sprache das Denken beeinflusst

„Toll gemacht!“ – „Nicht die Steine über die Mauer werfen!“ – „Wenn du das noch einmal machst, dann …“ – „Ist doch nicht so schlimm.“ Sätze wie diese werden von Erwachsenen gegenüber Kindern gebraucht und sind vielleicht gut gemeint, aber nicht unbedingt sinnhaft. Im Gegenteil: Oft verfehlen sie die gewünschte Wirkung. Wir Menschen sind geprägt von den Erfahrungen unseres Lebens. Und die daraus resultierende Sprache zeigt, wie wir denken. Sie zeigt den Kindern auch, wie wir sie sehen und beeinflusst deren Selbstbild. Sich seiner Sprache bewusst zu werden und achtsamer mit Kindern und Erwachsenen zu sprechen als bisher, ist ein Prozess. Wer sich auf die Reise begibt, kann etwas erleben.

Achtsamkeit: was bedeutet das?

Achtsam sein heißt, im Hier und Jetzt zu sein und sich wahrhaft auf eine Situation oder eine andere Person einzulassen. Der Begriff Achtsamkeit und das damit verbundene Handeln ist als Idee dem Buddhismus entliehen und kann auch als Prinzip der Gewahrwerdung beschrieben werden (vgl. Strobach 2014, S. 115). Oftmals lassen wir uns in unserem Alltag nicht aufrichtig auf eine Situation ein. Wir sind in Eile und wollen eine Aufgabe rasch lösen. Wir sorgen uns um das, was heute noch zu erledigen ist, oder sind in Gedanken ganz anderswo. Und dann bewerten wir eine Situation schnell – möglicherweise viel zu schnell (vgl. Kuss 2021).

Dazu ein Beispiel: Ben ärgert Theo. Er entreißt ihm das Buch, in dem Theo gerade blättert. Und das geschieht nicht zum ersten Mal. Seit Tagen geht es so, und Theo beschwert sich lautstark. Gerade wenn wir als Erwachsene das Gefühl haben, für die Situation keine Zeit aufwenden zu können, rutschten uns Sätze heraus wie der folgende: „Wenn du Theo nicht in Ruhe lässt, dann kannst du nicht in der Leseecke bleiben.“

Lösen wir mit der Androhung tatsächlich die Streitigkeit? – Vielleicht kurzfristig. Wäre es nicht sinnvoll, sich mit dem zu befassen, was Ben wirklich antreibt? Was hinter dem Verhalten des Kindes steckt, lässt sich nur herausfinden, wenn wir uns als erwachsene Begleiter:in auf die Situation einlassen, dem Kind gegenüber versprachlichen, was wir beobachten, die beiden Positionen der Kinder ergründen, die Kinder einladen, gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Das mag einige Minuten dauern und lohnt sich. Das Sich-Einlassen könnte dazu führen, dass Ben allmählich versteht, was Theo möchte und was er nicht möchte, dass Theo sich direkt mit Ben verständigen lernt, dass sie gemeinsam das Buch anschauen – vor allem jedoch, dass beide Kinder Zugang zu ihren Bedürfnissen finden und so zu einem achtsamen Umgang miteinander. Denn eines ist sicher: Achtsamkeit ist nicht einfach da und stellt sich als Kompetenz nicht von selbst ein.

Wir Erwachsenen können uns auf den Weg machen, achtsamer im Denken, Sprechen und Handeln zu werden. Die Kinder schauen auf uns Erwachsene und lernen am Vorbild und durch unsere Begleitung. „Achtsame Kinder sind besser imstande, sich zu konzentrieren, werden zunehmend ruhiger, erleben weniger Stress und Unruhe, haben eine bessere Selbstkontrolle …“ (Strobach 2014, S. 115). Diese Aussichten sind mehr als einladend, sich die Zeit für ein achtsames Gespräch mit den beiden Kindern zu nehmen. Mittel- und langfristig haben die erwachsenen Begleiter:innen und die Kinder einen größeren Effekt durch achtsames Miteinander als durch schnelles Lösen eines augenscheinlichen Konfliktes.

Sprechen und Denken – was sagt die Forschung?

Dass Sprache die kognitive Entwicklung beeinflusst, ist wahrlich kein neuer Gedanke. Schon im ausgehenden 17. Jahrhundert gab es Befürworter dieser Idee, und sie hat die Forschenden nicht losgelassen. Boroditsky führt zahlreiche Beispiele an, „… wie Sprache das Denken formt“ (2012, S. 30). Die Sprache, die wir sprechen, beeinflusst unsere Wahrnehmung, Erinnerungen und Vorurteile. Sie prägt Ideen zu Raum und Zeit und kann auch kognitive Kompetenzen begünstigen, die andere Sprachen nicht in der Form schulen. Wie kann das sein? Dazu eine beeindruckende Beobachtung der Forscherin.

Eine Gruppe von Aborigines in Australien weist sprachlich aus, in welcher Himmelsrichtung Gegenstände zueinanderstehen. Deren Sprache kennt nicht die Wörter rechts und links, sondern nutzt die Himmelsrichtungen, um anzuzeigen, wo jemand oder etwas steht. Im Deutschen sagen wir auch, dass München südlicher liegt als Frankfurt, aber nicht bezogen auf Teller und Gabel. So geschieht es in dieser Sprache der Aborigines. Ein wunderbarer Effekt dieser sprachlichen Besonderheit ist, dass bereits junge Kinder dieser Gruppe die Himmelsrichtungen äußerst präzise bestimmen können, während uns das nicht so früh oder kaum gelingt (Boroditsky 2012, S. 31). Dieses Beispiel mag hier als eines von vielen belegen, dass die Sprache Denkprozesse beeinflusst. Die andere Richtung – dass nämlich unser Denken in unserer Sprache zum Ausdruck kommt – ist ebenso richtig.

Was heißt das für den (Kita-)Alltag?

Dem Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, Marshall Rosenberg, wird der Satz zugeschrieben: „Worte sind wie Mauern – oder auch Fenster.“ (Rosenberg, zitiert nach Wedewardt 2022, S. 7). Mit Worten kann Nähe entstehen oder Distanz, können Menschen einander verletzen oder stärken. Worte hinterlassen Spuren. Je häufiger ein Kind bestimmte Botschaften hört, desto eher verfestigen sich diese Botschaften. Ein „ist nicht so schlimm“ mag einem Kind zeigen, dass seine Gefühlslage nicht angemessen, dass es zu empfindlich sei und stark sein muss. Ein „toll gemacht!“ zeigt an, wer Dinge bewerten darf und sich damit über den anderen erhebt. Ein „typisch Junge/typisch Mädchen“ gibt Auskunft darüber, was den einen zugestanden wird und den anderen nicht.

Kinder wollen zur Gemeinschaft gehören. Sicherlich beabsichtigen sie mit ihren Handlungen nicht, das Vertrauen der erwachsenen Begleiter:innen zu erschüttern. Wenn sie nicht hören, tun sie es nicht, um uns zu ärgern. Wenn sie über ein verloren gegangenes Spielzeug tieftraurig sind, dann tun sie es nicht, um die Erwachsenen zu beschäftigen. Wenn sie den Singkreis vermeintlich stören, tun sie es nicht, um uns zu treffen. Kinder sind in der Situation mit etwas anderem beschäftigt, überfordert, haben ein unerfülltes Bedürfnis, das auszudrücken sie noch nicht imstande sind, fühlen sich missverstanden … Daher gilt es, das hinter der Handlung liegende Bedürfnis zu erkennen und zu versprachlichen. Darin liegt eine zentrale Aufgabe der erwachsenen Begleiter:innen.

Wo fange ich an? – die eigene Sprache reflektieren …

Die eigene Sprache genauer unter die Lupe zu nehmen, erzählt uns zunächst etwas über uns selbst. Hinhorchen ist gar nicht so leicht, denn wir nutzen Sprache – vereinfacht gesagt – nicht selten automatisch. Beim Hinhorchen stellen wir möglicherweise fest: Ich bin eine Person, die viele Aufgaben mal schnell macht, schnell mal etwas holt, schnell mal die Windeln wechselt. Vielleicht bin ich eine Person, die einer neuen Aufgabe skeptisch mit einem „Das geht niemals! Ich kann das nicht.“ begegnet. Vielleicht bin ich eine Person, die sich bewusst Zeit für Aufgaben nimmt, oder eine, die einer neuen Aufgabe lächelnd mit einem „Ich weiß noch nicht wie, aber es wird gelingen.“ begegnet. Was auch immer die Glaubenssätze oder Mindsets sind, die wir uns angeeignet haben: Sie drücken sich in unserer Sprechweise aus. Wenn eine Person eigene Schwächen nicht zulassen oder schon gar nicht anderen offenbaren möchte, lebt sie danach und sagt sich selbst innerlich so etwas wie „Ich muss das (allein) schaffen.“ Umgekehrt mag eine Person, die auf sich vertraut und sich zugesteht, auch Unterstützung anderer zu benötigen, eher zu sich sagen: „Die Aufgabe ist schwierig. Dafür hole ich mir Hilfe, und gemeinsam finden wir eine Lösung.“

… und verändern – Verantwortung übernehmen

Wir sind unseren Glaubenssätzen nicht ausgeliefert, wir können sie überprüfen und gegebenenfalls verändern. Starke und positive Mindsets beeinflussen die Sicht auf die Welt, und sie tun uns mental gut. „Wichtig ist es, sich aus seiner Opferhaltung zu befreien und Verantwortung zu übernehmen. Es geht darum, sich bewusst zu machen: Ich bin selbst der Entscheidungsträger für jedes Wort und jede Tat. (Wedewardt 2022, S. 15). Das nennt man auch innere Freiheit, wie sie in der element-i Konzeption verankert ist. Und mit der Entscheidung, die eigene Sprache zu reflektieren und zu verändern, tun wir auch den Kindern Gutes. Wir signalisieren, dass wir uns um uns selbst sorgen, mit uns selbst achtsam umgehen, an manchen Tagen schwach und an anderen Tagen stark sind, dass wir uns Fehler zugestehen, engagiert und mit echter Anstrengung den Tag gestalten, nach Lösungen suchen usf. Der reflektierte Umgang mit sich selbst kann ein Schlüssel sein, Kindern ein authentisches Vorbild zu sein – eines, das sich selbst gut umsorgt. Sprachlich betrachtet, wird aus einem zu raschen „Stell dich nicht so an.“ ein gelungener Dialog mit dem Kind. Wir ergründen mit dem Kind, was es empört und verzweifeln lässt, und finden heraus, was nötig ist, um die Situation zu verändern oder im Moment so zu lassen. Aber sie in jedem Fall zu gestalten. Das kann Kindern dabei helfen, positive Glaubenssätze zu entwickeln und Verantwortung für sich zu übernehmen.

Wer sich auf die Reise nach der eigenen Sprache und den darin verankerten Mindsets begibt, der braucht Nachsicht mit sich selbst, dem hilft ein fehlerfreundliches Denken – und Übung, Übung, Übung. Denn dann wird man in der Kita wirklich was erleben.

Mehr von Christina Henning

Literatur: 

Boroditsky, Lera (2012): Wie die Sprache das Denken formt. Spektrum der Wissenschaft. Abrufbar unter https://nikklaus.files.wordpress.com/2013/02/sdw_2012_4_s30.pdf (zuletzt aufgerufen am 17.4.2023) 

Kuss, Melanie (2021): Achtsamkeit. Abrufbar unter: https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/achtsamkeit/index.html (zuletzt aufgerufen am 17.4.2023) 

Strobach, Susanne (2014): Achtsamkeit. In: Pousset, Raimund (Hrsg.): Handwörterbuch Frühpädagogik. Mit Schlüsselbegriffen der Sozialen Arbeit. 4., erweiterte Auflage. Cornelsen: Berlin 

Wedewardt, Lea (2022): Wörterzauber statt Sprachgewalt. Achtsam sprechen in Kita. Krippe und Kindertagespflege. Herder: Freiburg i. Br. 

Kinder haben Rechte! Ein Plädoyer

Am 20. November 1989, also vor über 30 Jahren, hat die Generalversammlung der UN die Kinderrechte in der Kinderrechtskonvention verabschiedet. Doch viele Menschen in Deutschland wissen das leider (immer noch) nicht.

Mach was! Sag was!

Die element-i Bildungsstiftung plant deshalb auch in diesem Jahr eine besondere Kinderrechte-Aktion für diesen Zeitraum im November, denn ihr ist es eine Herzensangelegenheit, die Kinderrechte bekannter zu machen und sich für deren Einhaltung stark zu machen. „2023 lautet das Motto: ‚Mach was! Sag was!‘“, berichtet Meike Betz-Seelhammer, Leiterin der element-i Bildungsstiftung. „Wir haben Kita-Teams und alle anderen, die sich beteiligen möchten, aufgefordert, zu den Kinderrechten Stellung zu beziehen und ein Plakat zu gestalten.“ Viele der eingegangenen Plakate machen auf Rechte aufmerksam, die auch hierzulande oft untergehen. Dazu gehören z. B. das Recht auf Rückzug, das Recht auf Privatsphäre oder das Recht zu spielen. Denn Erwachsene „verplanen“ Kinder oft und übersehen dabei, dass Kinder Freiräume für eine eigene Tagesgestaltung benötigen und auch ein Recht darauf haben. Oder sie übergehen, während sie sich um die Kinder kümmern, deren Bedürfnis, zeitweise ungestört zu sein.

Kinderrechte zu wahren, ist nicht immer einfach

Diese Beispiele zeigen, dass Kinderrechte in unseren Alltag mit Kindern – und nicht nur im Kita-Alltag – fast durchgängig von Belang sind. Und sie machen deutlich, dass es nicht immer einfach ist, sie zu verwirklichen. Denn oft gilt es, das richtige Maß zu finden. Wie gewährleisten wir, dass es nicht in Strukturlosigkeit umschlägt, wenn wir den Kindern große Freiräume geben? Oder wie stellen wir sicher, dass Kinder das Gewähren von Rückzugsmöglichkeiten und Privatsphäre nicht als Gleichgültigkeit der Erwachsenen wahrnehmen? Wichtig ist es also, sich intensiv mit den Kinderrechten zu beschäftigen. „Wir Großen gestalten den Rahmen, in dem Kinder sich entwickeln und sich einbringen. Indem wir Kinderrechte umsetzen, schaffen wir eine Welt, in der sie ihre Potenziale ausschöpfen und zu starken, liebevollen Persönlichkeiten heranwachsen“, bestätigt auch Meike Betz-Seelhammer.

Kinderrechte sind Menschenrechte!

Ich bitte Kinder um Erlaubnis:

„Darf ich dein Zimmer betreten?“
„Darf ich dich mal drücken?“
„Darf ich mir das mal von dir ausleihen?“
„Darf ich deine alten Spielsachen weggeben?“
„Darf ich mitspielen?“
„Darf ich dir mal durch die Haare strubbeln?“
„Darf ich mich zu dir setzen?“
„Darf ich dir dabei helfen?“
„Darf ich dir einen Kuss geben?“
„Darf ich dich umarmen?“
„Darf ich dich waschen?“
„Darf ich dich trösten?“

Kinder haben das Recht…

… auf Entspannung und Erholung.
…, sich ihre Freizeitbeschäftigung und ihr Spiel selbst auszusuchen.
…, sich über alles zu informieren und eine eigene Meinung dazu zu bilden. Das geht am besten mit geeigneten Fernseh- oder Radiosendungen, Büchern oder im Internet.
…, in die Schule / den Kindergarten zu gehen, um dort zu lernen.
…, besondere Fürsorge und Förderung zu erhalten, wenn sie diese benötigen. Denn Kinder mit Behinderungen sollen besondere Unterstützung erhalten.
…, bei allen Entscheidungen, die sie betreffen, nach ihrer Meinung gefragt zu werden.
…, ihre Meinung frei heraus sagen zu dürfen.
… auf Gesundheit durch gute Ernährung, viel Bewegung und notwendige medizinische Versorgung.
…, mit anderen Kindern spielen und dürfen selbst entscheiden, mit wem sie spielen möchten.
… auf eine gewaltfreie Erziehung.
… auf ihre eigenen Wünsche und Geheimnisse.
…, in ein anderes Land zu fliehen, wenn im Heimatland Krieg herrscht.
… auf einen eigenen Namen und die eigene Nationalität.
… auf ein gutes Leben ohne Angst.
… auf Sicherheit in ihrer Familie und ein liebevolles Zuhause.
… auf gemeinsame Zeit mit beiden Elternteilen, auch wenn diese getrennt leben.
…, zu wissen, welche Rechte sie haben.

Plakat-Aktion zum diesjährigen Internationalen Tag der Kinderrechte

Die gemalten Plakate sollen aber nicht nur diejenigen, die sie erstellt haben, dazu auffordern, sich Gedanken über Kinderrechte zu machen. In vielen Kinderhäusern sind zum Internationalen Tag der Kinderrechte Plakatausstellungen geplant. Die element-i Bildungsstiftung präsentiert zudem ausgesuchte Plakate an öffentlichen Plätzen. Darüber hinaus nutzt die Stiftung die Plakate für eine Social Media-Kampagne zu den UN-Kinderrechten.

Weitere Informationen über die element-i Bildungsstiftung und ihr Engagement für die Kinderrechte finden Sie hier.

Weitere Infos zum Thema Kinderrechte bei element-i:

Den Kinderrechten auf der Spur – element-i

Warum Kinderrechte auch in Deutschland relevant sind – element-i

Mehr von Christian Klar

Die Natur als Freiraum

Im Sinne des Naturraumes und der Naturraumpädagogik widmen sich Gedanken aus Wissenschaft und Praxis der gelungenen Gestaltung von Außenbereichen in Kindertagesstätten. Es werden Sicherheitsrisiken abgewogen, die altersentsprechenden Kompetenzen der Kinder einbezogen, Bildungsbereiche verortet und bedürfnis- und interessensorientiert Spielmaterialien ausgewählt. Jeder dieser Aspekte ist richtig und wichtig. – Nicht allzu selten wird dabei aber der plausibelste Ansatz in den Hintergrund gestellt.

Das bekannte Kinderbuch „Frederick“ von Leo Lionni zeigt uns eine wahrhaftig schöne und achtsame Haltung im Sein mit der Natur. Hier können wir Erwachsene uns viel von den Mäusen aus der Geschichte oder auch aus der Beobachtung von Kindern abschauen.

Die fleißige Mäusefamilie bereitet den Sommer über die kalte Winterzeit vor: sammelt Körner, Heu und Nüsse. Frederick scheint derweil zu faulenzen. Doch auch er sammelt fleißig: Farben, Sonnenstrahlen und Worte. Der Mehrwert seines Sammelns für sich und die Mäusefamilie wird jedoch erst viel später bemerkbar, als Fredericks Worte und Bilder Trost und Freude spenden, während draußen der Schnee fällt und die Vorräte langsam zur Neige gehen.

Von Natur aus

Kinder brauchen Naturerfahrungen – im übertragenen Sinne brauchen sie die Möglichkeit zu „sammeln“. Die wohl angeborene Vorliebe der Kinder für Natur und die sich daraus ergebenden ästhetischen Präferenzen dienen dabei als Fundament (vgl. Haug-Schnabel/Bensel 2017, S. 164). Kinder bringen alles mit, was sie für die Auseinandersetzung mit der Natur brauchen: Neugier, Interesse und Lust am Entdecken und Ausprobieren. Vor allem in den jüngeren Jahren findet eine verstärkte Wahrnehmung über die Sinne statt. Das damit einhergehende Erfahren beschreibt Situationen, welche wir als Bildungssituationen charakterisieren. Kinder, die viel draußen sind, sich und die Welt in einer komplexen und wenig strukturierten Umwelt ausprobieren können, sind gesünder und weniger verletzungsanfällig (vgl. Renz-Polster/Hüther 2016, S. 164f.). Durch eigene Abenteuer gewinnen die Kinder gleichzeitig Sicherheit im Umgang mit sich selbst und der Natur und wachsen mit jedem Erlebnis über sich hinaus.

Jedes Kind findet seinen eigenen Zugang zu natürlichen Umgebungen und zeigt auf seine Art Faszination für Formen, Farben, sensorische Wahrnehmungen, Abhängig- und Regelmäßigkeiten. Die Natur oder auch der Garten bieten hier unzählige altersunspezifische Angebote. Spannend dabei ist, dass die Institutionalisierung von Erfahrungswelten der Kinder ausgehebelt scheint. Unabhängig vom Alter, der Herkunft, dem Entwicklungsstand und der aktuellen Situation des jeweiligen Kindes wird Bildung angeregt. Am besten ganz ohne unser vorbeugendes Zutun.

So förderlich pädagogisch geplante und vorbereitete Aktivitäten auch sein mögen, es bedarf einer individuellen und fokussierten Auseinandersetzung in der Natur. Der hierbei entstehende Erfahrungswert für jedes Kind zeigt sich als Mehrwert in der weiteren Entwicklung, wie oben beschrieben.

Wird eine Kindergruppe betrachtet, welche sich in einem Naturraum aufhält, so kann beobachtet werden, dass jedes Kind einen eigenen und für sich passenden Zugang findet. Die Natur schenkt pädagogischen Fachkräften ohne weitere Anstrengung eine exklusive Erfahrungswelt für jedes einzelne Kind. Unabhängig von der sensiblen Phase, in welcher sich ein Kind befindet, oder von den inhaltlichen Themen, die es bewegt, bietet die Natur viele Ansatzpunkte: das Erkennen von Geräuschen und Temperaturen, das Wahrnehmen von eigenen Empfindungen und Emotionen, das Ausprobieren der Sprache, das Erfahren von Mengen und Größenverhältnissen – alle Aspekte lassen sich dem jeweiligen Entwicklungsniveau entsprechend aus- und erleben. Impulse der Kinder können von der Kindergruppe oder begleitenden Mitarbeitenden spielerisch und authentisch aufgegriffen werden. Die Faszination und Freude der gemeinsamen Auseinandersetzung eröffnet weite Erfahrungswelten.

Frederick zeigt uns (s)einen Zugang zur Natur und verdeutlicht damit eine Möglichkeit, wie Kinder ohne „Zutun“ fleißig Fragen stellen.

„Wer streut die Schneeflocken? Wer schmilzt das Eis?
Wer macht lautes Wetter? Wer macht es leis?
Wer bringt den Glücksklee im Juni heran?
Wer verdunkelt den Tag? Wer zündet die Mondlampe an? (…)“ (Lionni 2003)

Die Natur als solches und der dahinterstehende Kreislauf von Tages- und Jahreszeiten, Wachstum und Rückgang beschert jeder Kindertageseinrichtung ein großes Geschenk, welches es anzunehmen gilt. Kinder brauchen Zeit – Zeit wahrzunehmen, Zeit auszuprobieren und Zeit, um Fragen zu stellen und Zeit für die gemeinsame Auseinandersetzung mit der Natur und all ihren großen und kleinen Wundern.

Literatur:

Haug-Schnabel, Gabriele; Bensel, Joachim (2017): Grundlagen der Entwicklungspsychologie. Die ersten 10 Lebensjahre. 17. Auflage. Freiburg im Breisgau: Verlag Herder.

Lionni, Leo (2003): Frederick. Weinheim: Beltz.

Renz-Polster, Herbert; Hüther, Gerald (2016): Wie Kinder heute wachsen. Natur als Entwicklungsraum. 4. Auflage. Weinheim: Beltz.

Mehr von Lina Stärz

Ein Abenteuertag: Forschen für die Kinder am Max-Planck-Institut

Kann eine Blume zerbrechen? Wieso zieht sich ein Luftballon zusammen? Was ist eine supraleitende Magnetbahn? Und was haben all diese Fragen mit Stickstoff zu tun? 

Im Rahmen des „Abenteuertages“ der Forscherzwerge kooperiert das Max-Planck-Institut mit der Kita Forscherzwerge und bietet eine Projektreihe für die Kindergartenkinder an. Gemeinsam entdecken die Forscherzwerge das Max-Planck-Institut und erfahren mehr über die Arbeit „hinter den Kulissen“.

Stickstoff in Aktion: Verblüffende Veränderungen

An unserem Abenteuertag im Mai war „Stickstoff“ das Hauptthema. Mit erstaunlichen Experimenten wurden die Eigenschaften und Wirkung von Stickstoff auf Alltagsgegenstände den Kindern anschaulich nähergebracht. Als ersters wurde ein Blumenkopf in flüssigen Stickstoff getaucht. Die Kinder durften dann mit der schockgefrorenen Blume auf den Tisch schlagen. Unter den staunenden Blicken der Kinder zerbrach diese wie Porzellan. Das hatte keine:r erwartet.  

Auch ein aufgeblasener Luftballon wurde in Stickstoff getaucht. Bei diesem Experiment staunten die Kinder, wie schnell sich der Luftballon zusammenzog – als ob er implodiert sei. Als der Luftballon wieder im Trockenen war, erreichte er in Sekunden wieder seine Ausgangsgröße. Das war für die Kinder sehr beeindruckend. Durch die Visualisierung von Experimenten bekommen die Kinder einen deutlich schnelleren Bezug zur Thematik. Sie stellten Fragen wie „Wo ist die Luft hin?“ oder „Warum wird der Luftballon einfach wieder größer?“. 

Forscherzwerge erkunden die Welt der Naturwissenschaften

Ein krönender Abschluss war das Modell einer supraleitenden Magnetbahn. Auch hier kam Stickstoff zum Einsatz und zeigte, wie Stickstoff seinen Teil dazu beiträgt, dass der Modelzug in Bewegung kam. 

Die Neugier, mehr über die Arbeit der Eltern zu erfahren, war spätestens an dieser Stelle bei allen Kindern geweckt. Auch hatten alle Kinder verstanden, dass der Kontakt von Gasen Gegenstände in Größe und Konsistenz verändern kann. 

Als Forscherzwerge haben die Kinder die Möglichkeit, solche Experimente hautnah in einem echten Forschungsgebäude erleben zu dürfen und kommen somit erstmalig mit Forschung und Naturwissenschaften in Kontakt. Die Rückmeldungen der Kinder aus den Experimenten haben gezeigt, dass schon junge Kinder in der Lage sind, komplexe Konzepte zu verstehen. Es hat nicht nur ihr Interesse an der Naturwissenschaft geweckt, sondern auch ihre Fähigkeiten in den Bereichen Beobachtung und Analyse gefördert.

von Elena di Noto, Pädagogin im element-i Kinderhaus Forscherzwerge 

ChatGPT an Schulen – Kompetenzen stärken, Ängste abbauen, Vorteile nutzen

„Das könnte eigentlich ChatGPT für mich schreiben“, war einer meiner ersten Gedanken, als ich darüber ins Grübeln kam, was ich in diesem Artikel über den Einsatz von ChatGPT an Schulen schreiben könnte. Ich hatte bereits eine recht konkrete Vorstellung davon, was hier stehen soll, doch war ich neugierig auf das, was mir die künstliche Intelligenz dazu ausspucken würde. Warum also nicht? Zumindest für Recherchezwecke sah ich hier viel Potenzial. Ich gab meinen Prompt ein – so nennt sich eine Frage oder Aufforderung an die App. Und tatsächlich: Wenige Sekunden später stand der Text vor mir auf dem Bildschirm „mein“ Artikel! Gut strukturiert und mit den grundlegenden Gedanken dazu, was ChatGPT ist und wie man seine Bedeutung für den schulischen Kontext einschätzen kann. Das hat doch super funktioniert! Fast schon zu gut?! Letzten Endes habe ich ihn natürlich trotzdem verworfen und mich selbst an den Text gesetzt. Als Inspiration war es aber nicht schlecht.

ChatGPT in der Schule verbieten?

Eines ist klar: Auch Schüler:innen wissen längst, was ChatGPT leisten kann und nutzen es – auch in der Schule. Viele Leser:innen – und darunter bestimmt auch viele Eltern – haben jetzt vermutlich folgendes Bild im Kopf: Kinder und Jugendliche, die aufhören, zu lernen und selbst zu denken, weil sie sich alle Antworten und Aufsätze passgenau von der künstlichen Intelligenz vorschreiben lassen. Die Hausaufgaben sind zwar in Minutenschnelle, aber ohne Eigenleistung erledigt. Quasi ein Abschreiben vom neuen, intelligenten Klassenkameraden. Möglich. Doch die Angst, dass darunter die Bildung leidet, will ich nehmen: Denn abgeschrieben wurde schon immer! Ganz im Gegenteil, wir von element-i sehen ChatGPT durchaus positiv und werden den Schüler:innen den Umgang damit nicht verbieten. Wir wollen sie darin unterstützen, einen kompetenten Umgang mit der App zu erlernen.

(Haus-)Aufgaben mit ChatGPT

Hausaufgaben gibt es an den element-i Schulen keine, dafür aber Lernjobs, deren Bearbeitung auf längere Zeiträume ausgelegt ist und je nach Lernweg der Schülerin oder des Schülers teilweise auch zu Hause erledigt werden dürfen.

Als Lehrer:in an der element-i Schule haben wir das Ziel, Aufgabenstellungen so zu entwerfen, dass die Schüler:innen nicht nur Wissen reproduzieren, sondern die Aufgaben echtes Lernen induzieren und junge Menschen anwendbare Kompetenzen erlangen und beweisen. Daher bin ich absolut davon überzeugt: Gut bzw. richtig gestellte (Haus-)Aufgaben können nicht von ChatGPT geschrieben werden. Die Antwort muss individuell sein. Aber künstliche Intelligenz kann helfen, das Ergebnis zu verbessern.

Von und mit ChatGPT lernen

Der Algorithmus von ChatGPT berechnet aufgrund der eingegebenen Prompts und auf Basis der für ihn im Internet zugänglichen Schriftstücke nur die Wahrscheinlichkeit dafür, welches Wort als nächstes in einem Text Sinn ergeben würde. Dabei muss die künstliche Intelligenz noch viel lernen. Noch immer entstehen teils wirre Fehler oder ChatGPT verweigert die Aussage beispielsweise aufgrund von ethischen Bedenken. Ganz arbeitsfrei ist der Einsatz der Anwendung also für die Schüler:innen nicht.

Und das sehen wir als positiv: Die Schüler:innen benötigen zum einen Vorwissen, um dem Programm eine sinnvolle Aufforderung zu geben. Zum anderen müssen sie das Ergebnis auf Basis ihrer bisherigen Kompetenzen gegenlesen, fachlich beurteilen und bewerten. Dabei lernen sie nicht nur grundlegende Medienkompetenzen, sondern auch, bereits Gelerntes sinnvoll einzusetzen und vertiefende Informationen zuzuordnen. So können sie zu echtem Sachverständnis kommen – nicht trotz, sondern gerade durch die Nutzung künstlicher Intelligenz.

Und auch weitere Hilfen beim Lernen sind gang und gäbe. Die Nachhilfeindustrie vermeldet jährlich Milliardenumsätze in Deutschland und so ist ChatGPT nur eines von vielen möglichen Hilfsmitteln – abgesehen davon auch noch ein kostenloses, was so manchen Unterschied in der sozioökonomischen Struktur der Elternhäuser, zumindest in diesem Anwendungsfall, nivellieren dürfte.

Ein Mehrgewinn für die Lehrkräfte in der Vorbereitung und im Unterricht

Eines der Hauptprobleme, das in Umfragen von Lehrkräften immer wieder genannt wird, ist fehlende Zeit: Fehlende Zeit in der Planung und Vorbereitung, fehlende Zeit in der Umsetzung spannender Unterrichtsideen. Denn Dinge, die normalerweise Stunden um Stunden an Zeit abverlangen, könnten nun mit der richtigen Idee und Formulierung in Rekordzeit umgesetzt werden.

Im element-i Bildungshaus in Karlsruhe haben wir bereits gute Erfahrungen damit gemacht, Lückentexte schreiben zu lassen oder Texte mit kleinen Fehlern zu versehen, die die Schüler:innen unter Anwendung ihres Wissens dann korrigieren müssen.

Ein Beispiel für den Einsatz von ChatGPT im Unterricht bleibt besonders im Gedächtnis: Beim Renaissance-Projekt konnten die Jugendlichen aus Lernhaus 7-10 mit ChatGPT ein fiktives (Schreib-)Gespräch mit einer/m Wissenschaftler:in aus der Renaissance führen. Wie war es, damals zu leben? Unter welchen Bedingungen hat der Mensch dort gearbeitet und was hat er/sie herausgefunden? Kreativer und lebendiger kann Unterricht kaum sein.

Künstliche Intelligenz als Wegbereiter zu mehr Inklusion

Auch im Hinblick auf Inklusion im pädagogischen Bereich kann der Einsatz von künstlicher Intelligenz hochinteressant sein: Texte können auf verschiedene Niveaustufen des Lernens umgeschrieben oder auf Schwerpunktthemen differenziert werden; die Darstellung kann für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung in verschiedenen Größen, mit hohem Kontrast oder sogar von der Schriftform in Audioform umgewandelt und vorgelesen werden; Videos können sofort untertitelt und Live-Gespräche per App simultan in Gebärdensprache übersetzt werden. All das ist bereits möglich.

Für die Kommunikation mit den Eltern kann ChatGPT beispielsweise einen thematischen Elternbrief aufsetzen oder zum Elternabend einladen – in Sekundenschnelle und in verschiedenen Sprachen und Sprachniveaus. Für die Arbeit in multikulturellen Stadtteilen oder mit Familien, die Fluchthintergrund haben, ist das eine echte Alltagshilfe.

Künstliche Intelligenz im pädagogischen Alltag

Sicher ist: Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben, und wir beginnen gerade erst, die Möglichkeiten für den pädagogischen Alltag zu entdecken. Am besten ist es, offen zu bleiben – und warum auch nicht einmal selbst den ein oder anderen Prompt eingeben, um die Technologie näher kennenzulernen und zu sehen, was sie als Ressource in unserem (pädagogischen) Alltag leisten kann. Wie so oft entdeckt man im neugierigen Ausprobieren wirklich Spannendes. Ich wünsche viel Spaß dabei!

Mehr von Maren Günther